Archiv der Kategorie: Symbiose und Parasitismus

Miteinander

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Vorbemerkung

Individuelle Fitness und natürliche Selektion sind zentrale Begriffe der Darwinschen Evolutionstheorie. In diesem Zusammenhang spielte der Begriff des „struggle for life“, des „Kampfes ums Dasein“, eine wichtige Rolle. Daraus wurde im Sozialdarwinismus nicht nur der „Sieg des Stärkeren“ sondern auch das „Recht des Stärkeren“ auf diesen Sieg als natürliches Recht abgeleitet. Dies wurde auch – nicht im Sinne Darwins, aber doch mit Bezug auf seine Theorie – auf die menschliche Gesellschaft übertragen und hatte starke Auswirkungen auf das Erziehungssystem, das lange Zeit auf die Förderung der Einzelleistung und die Qualifikation des Individuums abgestellt wurde.

Schon früh wurde diesen Folgerungen widersprochen, zum Beispiel von dem im englischen Exil lebenden russischen Anarchisten Pjotr Alexejewitsch Kropotkin (1842-1921) in seiner leider in Vergessenheit geratenen Schrift „Mutual Aid“. Auch die Erkenntnisse anderer Naturwissenschaftler zur großen Bedeutung der Kooperation bzw. des Mutualismus für die Evolution der Lebewesen gerieten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Vergessenheit. Eine Wiederbelebung erfuhren mutualistische Theorien erst wieder durch die bahnbrechenden Arbeiten Lynn Margulis` .

In der Wirtschaft hat Teamwork schon länger eine große Bedeutung. Gefördert durch die Digitalisierung und die elektronischen Medien hat sich in den letzten Jahrzehnten die Forderung nach gemeinschaftlichem Lernen in den Erziehungswissenschaften neu formiert unter den Begriffen „Kooperatives Lernen“ und „Kollaboratives Lernen“. Auch hier beruft man sich nicht nur auf Erkenntnisse der Pädagogik und der Sozielwissenschaften sondern auch auf die Biologie. Aus den Erkenntnissen über die Rolle der Kooperation bei der Evolution der Lebewesen leitet man ab, dass es eine genetische Disposition der Menschen für Kooperation und gemeinschaftliches Lernen geben muss (vgl. z. B. E.O. Wilson 2012).

Vor 20 Jahren, im Dezember 2010, erschien das von mir herausgegebene Unterricht Biologie Heft 280 „Miteinander“. Ich finde, angesichts dieser Entwicklungen ist es immer noch aktuell. Deshalb soll hier  der Basisartikel im ungekürzten Entwurf mit einigen kleinen Korrekturen veröffentlicht werden:

Leben heißt Zusammenleben

„Don’t compete,combine!“  Kropotkin 1902

„Du sollst das Stroh zu Gold mir spinnen, ich brauche davon große Mengen“, fordert der Prinz die Müllerstochter auf und im Märchen bedient sich das arme Mädchen der besonderen Kenntnisse von Rumpelstilzchen. Auch wenn es wohl nie gelingen wird aus Gras Gold zu produzieren, so sind andere Transsubstantiationen doch fast genau so wunderbar: z.B. die Umwandlung von Gras in Milch, die von den Kühen in großem Maßstab für uns Menschen geleistet wird. Allerdings nicht von den Kühen alleine. Nur die Mikroben, in erster Linie die Bakterien, die in ihrem Pansen leben, schaffen es, den Hauptbestandteil des Grases, die Zellulose, aufzuschließen und damit der Verdauung und letzten Endes der Umwandlung in Milch zugänglich zu machen,

Herbivoren, Konsumenten erster Ordnung, sind wichtige Bestandteile von Ökosy­stemen, sie haben entscheidenden Anteil an der Regulation von Stoff- und Ener­giefluss, und sie alle sind dabei auf Verdauungshelfer in ihrem Darm angewiesen. Außerdem sind viele Herbivoren, wie die Vorfahren unserer Hausrinder, die Auer­ochsen, soziale Tiere, die in großen Herdenverbänden zusammenleben, in denen es Rangordnung und Kommunikation, gemeinschaftliche Aufzucht der Jungtiere und gegenseitige Hilfe gibt. Kein Wunder, dass gerade solche sozial lebenden Tiere vom Menschen domestiziert und genutzt wurden, eine neue Form der Wechselbeziehun­gen zweier Arten- durchaus nicht nur zum Vorteil des Menschen, mindestens, wenn man den genetischen Erfolg und die heutige Verbreitung der Haustierarten betrachtet. Bei der Verarbeitung der Milch schließlich bedient sich der Mensch wiederum mikro­bieller Lebewesen, die man schon beinahe als „Hausmikroben“ bezeichnen könnte.

Schließlich gibt es einen  weiteren Aspekt des neuen Miteinander von Menschen und Haustieren: Durch die Domestikation kamen neue infektiöse Keime in die menschlichen Populationen wie Pocken, Masern oder Influenza. Die Viehzüchter wurden dagegen allmählich immun, menschliche Populationen ohne Haustiere blieben sehr anfällig . Dies ist mit ein Grund für den raschen Niedergang indigener Kulturen nach der Kolonisation durch Europäer bzw. Asiaten (vgl. Diamond 1997)..

So gibt dieses Beispiel „Milch“ einen Eindruck von der Vielschichtigkeit des Miteinander des Lebens und der Lebewesen auf unserem Planeten.

Einmal zeichnet sich Leben durch Individualität und damit durch Grenzen und Grenzziehungen aus, zum anderen sind alle diese Grenzen – angefangen von den intrazellulären Membranen – „semipermeabel“. Wechselwirkungen über Barrieren hinweg sind ein Charakteristikum aller Lebensvorgänge und auch aller Lebewesen, insbesondere auch Wechselwirkungen mit anderen Lebewesen.

Bei der weiteren Darstellung dieser Wechselbe­ziehungen wollen wir sie zunächst in intraspezifische und interspezifische Beziehun­gen unterteilen, auch wenn dies ge­rade bei den Gruppen schwierig ist, bei denen sich – wie bei den Prokaryoten – Arten nicht eindeutig definieren lassen. Ein weiterer Ab­schnitt wird sich mit den Wechsel­beziehungen innerhalb von Ökosystemen beschäf­tigen und schließlich soll die Rolle des Menschen als „hypersoziales Wesen“ in den Blick genommen werden.

Interspezifische Wechselbeziehungen

Forschungsarbeiten zum Thema „Symbiose“ bzw. „Kooperation“ haben lange Zeit eine relativ unterge­ordnete Rolle in der Biologie gespielt. Gerade im Hinblick auf die biologische Evolu­tion wurde dieses wichtige Prinzip bis heute nicht ins rechte Licht gerückt – mögli­cherweise als Folge des unglücklichen Begriffs vom „Kampf ums Da­sein“ und den mit diesem Schlagwort verbundenen populärwissenschaftlichen und biologistischen Interpretation der Evolutionstheorie (Sozialdarwinismus). Dabei gab es in der zweiten Hälfte des 19. Jahr­hunderts durchaus wichtige Ansätze und die Zukunft weisende Erkenntnisse (vgl. Sapp 1994). Anton de Bary, ursprünglich Pflanzenpathaloge und Mykologe, defi­nierte Symbiose als das Zusammenleben verschiedener Arten, wobei über den Nut­zen für die einzelnen Ar­ten noch nichts ausgesagt war. Er legte 1866 den Grundstein für die Erkenntnis, das Flechten einen Doppelorganismus aus Pilz und Alge darstellen. Der Begriff des Mutualismus wurde von dem Belgier Pierre-Joseph van Beneden 1873 geprägt (Vorlesung: Ein Wort zum Sozialleben Niederer Tiere). Albert Bernhard Frank – nach ihm sind die N2-assimilierenden Actinobakterien in den Erlenknöllchen „Frankia“ benannt – prägte 1877 den Begriff  „Symbiotismus“ für alle Formen des engen Zusammenlebens verschiedener Arten ohne Berücksichtigung , wem dieses Zusammmenleben Vorteile oder Nachteile bringt. 1885 entdeckte er die Mykorrhiza. Der Berliner Karl Brandt und der Edinburgher Pattrick Geddes  beschäftigten sich besonders mit „grünen“ niederen Tieren wie Hydra, Spongilla und Stentor. Geddes veröffentlichte 1881 einen Aufsatz über „Symbiosis of Algae and Animals“. Auch die Endosymbionten-Theorie der Eucyten wurde schon im letzten Jahrhundert geboren. A. F. W. Schimper äußerte 1883 als Erster die Vermutung, dass Plastiden Algen-Endosymbionten in Zellen sein könnten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden diese Idee von den russischen Biologen Konstatine Sergejewitsch Mereschkowskii und Andrei Sergejewitsch Famintsyn aufgegriffen. Der von Famintsyn versuchte experimentelle Beweis – die isolierte in vitro Kultur von Plastiden und Mitochondrien – misslang allerdings. Die Theorie geriet zunächst in Vergessenheit. Erst in den letzten zwei Jahr­zehnten des 20. Jahrhunderts wurde sie vollständig anerkannt (vgl. z.B. Margulis 1981, Schwemmler/ Schenk 1980). Es gilt heute als gesichert, dass es bei verschiedenen Algen zu mehrfachen Endosymbiosen (sekundären und tertiären Endosymbiosen) gekommen ist. Diese kamen dadurch zustande, dass eukaryotische fotosynthetisch aktive Algen durch Phagocytose aufgenommen und dann nicht vollständig verdaut wurden. Heute noch kann man diese Mehrfachendosymbiosen an der Zahl der die Chloroplasten umgebenden Membranen erkennen. Teilweise finden sich auch noch Kernreste in den Chromatophoren.

Die Beziehungen verschiedener Arten kann man – entsprechend der Einteilung in Kasten 1 – in Konkurrenz, Karpose (= Parabiose), Symbiose und Antibiose einteilen. Der Nutzen oder Schaden, den die Wechselbeziehung den Partnern gibt, kann durch Plus- und Minuszeichen bzw. durch eine Null bei Indifferenz ausgedrückt werden. Konkurrenz erhält dann zwei Minuszeichen, Karpose ein Plus und eine Null, Symbiose zwei Pluszeichen und Antibiose ein Plus- und ein Minuszeichen. Im Gegensatz zu dieser Einteilung fasste de Bary (1879) den Begriff der Symbiose weiter. Er verstand darunter einen Überbegriff für Parasitismus, Symbiose und Karopse, schloss allerdings Vereinigungen kurzer Dauer (z.B. das Zusammenwirken von bestäubenden Insekten und Blütenpflanzen) aus. Diese Symbiosedefinition hat sich vor allem im angelsächsischen Sprachraum bis heute erhalten. In der folgenden Darstellung halten wir uns jedoch an den hier gebräuchlicheren Einteilungsvorschlag im Kasten.

Tab. 1 Formen des Zusammenlebens zwischen verschiedenen Arten

Konkurrenzausschlussprinzip

Nach Hardin (1960) kann die Konkurrenzsituation zwischen zwei Arten kein Dauerzustand sein: Entweder wird eine Art verdrängt oder sie wandelt sich in ihren Ansprüchen und es kommt zu einem räumlichen (Allopatrie) oder ökologischen (Sympatrie) Nebeneinander. Dieses Konkurrenzausschlussprinzip ist eng gekoppelt mit der Definition der ökologischen Nische. Eine solche kann definitionsgemäß ebenfalls nur von einer Art gebildet werden. In Wirklichkeit sind die Verhältnisse allerdings etwas komplizierter. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass es unter natürlichen Bedingungen keine Konstanz der Umweltfaktoren gibt. Im Laborversuch konnte Park 1954 und 1962 zeigen, dass zwei Mehlkäferarten mit nahezu identischen Umweltansprüchen sich unter Laborbedingungen gegenseitig verdrängen und dass es auf die Umweltbedingungen ankommt, ob die eine Art die andere oder die andere die eine verdrängt. Wenn aber unter natürlichen Bedingungen z.B. das Klima dauernd schwankt, so können auch zwei oder mehr Arten mit nahezu gleichen Ansprüchen in einem Lebensraum erhalten bleiben.

Symbiosen im engeren Sinne

Unter Symbiose in diesem Sinne versteht man sowohl langdauernde, eventuell sogar lebenslange enge Gemeinschaften, wie sie zum Beispiel zwischen den genannten Darmbakterien und den Rindern , zwischen Korallen und einzelligen Zooxanthellen oder auch zwischen Einsiedlerkrebs und Aktinie beschrieben werden als auch Gemeinschaften, die nur von kurzer Dauer sind. Hierzu gehören z.B. die Beziehungen zwischen blütenbestäubenden Insekten und Blüten (vgl. UB 236 Pflanzen und die sie bestäubenden Insekte). Andere Beziehungen – auch als „Allianz“ bezeichnet – kennzeichnen vorübergehende lockere Gemeinschaften wie die zwischen Madenhackern und Herbivoren oder zwischen großen Rifffischen und Putzerfischen.

Einige Beispiele:

Sehr charakteristisch sind Stoffwechselsymbiosen zwischen Tieren und Prokaryoten und Pilzen. Dies hängt damit zusammen, dass bei Pilzen und insbesondere auch bei Prokaryoten eine Vielzahl von Stoffwechselwegen entwickelt sind, die bei Eukaryoten fehlen. Durch die Symbiose können sich die Eukaryoten so Nahrungs- und Energiequellen erschließen, die anderenfalls verschlossen geblieben wären. Gleichzeitig profitieren die endosymbiotischen Mikroben von den Stoffwechselendprodukten ihrer Symbiosepartner und von den relativ geschützten Lebensräumen, die ihnen von diesen geboten werden.

Eine besonders enge Symbiose dieser Art besteht zwischen Blattläusen und den endocytosymbiotischen Bakterien der Gattung Buchnera, die in besonders großen Darmzellen (Bakteriocyten) leben. Die Endosymbionten werden von Generation zu Generation über die Eier weitergegeben. Buchnera ist eng verwandt mit Escherichia coli aber im Gegensatz zu diesem weit verbreiteten Darmbakterium ist ihr Genom wesentlich kleiner. Dafür sind in einer Zelle über 100 Kopien enthalten. Eine vollständige Genomanalyse von Buchnera ergab, dass keine Gene für Zellober­flächen-Lipopolysaccharide und Phospholipide vorhanden sind. Ebenso fehlen die meisten Regulatorgene und Gene, die der Verteidigung der Zellen nach außen die­nen. Das enge Zusammenleben mit den Wirten wird dadurch deutlich, dass von Buchnera alle für seinen Wirt essentiellen Aminosäuren produziert werden. Dafür sind mindestens 55 Gene verantwortlich. Umgekehrt werden von dem Bakterium keine für den Wirt nicht essentiellen Aminosäuren produziert. Diese Komplementari­tät zeigt, dass die Symbiose schon sehr lange erfolgreich arbeitet. So bilden Blatt­läuse keine stickstoffhaltigen Exkrete, vielmehr produzieren sie Glutamin und dieses wird von den Bakterien als Ausgangsstoff für die Produktion von essentiellen Ami­nosäuren verwendet. Da Buchnera sogar seine Außenmembran vom Wirt erhält, kann man sagen, dass bei dieser Symbiose ein Stadium erreicht ist, das Buchnera schon fast als ein Zellorganell erscheinen lässt.

Noch komplizierter ist die Doppelendocytobiose in Darmzellen von Motten-Schildläu­sen. Wie durch Genanalysen nachgewiesen, enthalten die Bakterien in den Darmzellen ein weiteres endosymbiontisches Bakterium (von Dohlen, 2001: 433-436).

Viele ähnliche Beziehungen kommen bei Holz bzw.  Zellulose fressenden Insekten wie Tabakskäfer, Borkenkäfer und Termiten vor. Auch blutsaugende Egel, Zecken und Läuse bessern die Inhaltsstoffe ihrer relativ einseitigen Nahrung durch symbiontische Darmbakterien auf. Sie können in besonderen Darmzellen (Bacteriocyten, auch Mycetome genannt), in Darmaussackungen oder auch frei im Darmlumen vorkommen.

Ein anderer Stoffwechsel-Symbiosetyp besteht zwischen Höheren Pflanzen und Prokaryoten, die das Luftstickstoffmolekül (N2) assimilieren können. Besonders bekannt sind diese Stickstoffendosymbionten der Gattung Rhizobium von den Hülsenfrüchtlern (Wurzelknöllchen). Bei anderen Höheren Pflanzen wie Erlen oder Sanddorn kommen stickstoffbindende endosymbiontische Aktinobakterien der Gattung Frankia vor. Schließlich können auch Blaugrüne Bakterien symbiontisch mit Höheren Pflanzen zusammenleben z.B. das Blaugrüne Bakterium Anabena azollae in besonderen Taschen des Schwimmfarns Azolla und andere Blaugrüne Bakterien in korallenartigen in den Luftraum ragenden Wurzeln von Cycadeen.

Noch nicht sehr lange bekannt sind die symbiotischen Beziehungen zwischen Sphagnen und methanotrophen Bakterien. Die Bakterien, die in den Wasserspeicherzellen der Sphagnen leben, nutzen die Oxidation des in tieferen Torfschichten gebildete Methan zur Energiegewinnung und sind gleichzeitig dazu in der Lage, Luftstickstoff zu assimilieren. Sie profitieren von der Sauerstoffproduktion und den teilweise abgegebenen Kohlenhydraten der Photosynthese betreibenden Sphagnum –Chlorocyten.

Blaugrüne Bakterien kommen auch als Symbiosepartner bei Flechten vor. Noch wichtiger sind bei dieser Symbiose aber eukaryotische Algen und zwar aus der Gruppe der Grünalgen, die mit Pilzarten eine sehr enge Gemeinschaft eingegangen sind. Hier ist durch die Symbiose eine völlig neue morphologische, ökologische und physiologische Einheit entstanden: Flechten sehen anders aus als die beiden Partner alleine, sie können völlig andere Lebensräume, auch extreme Standorte in der Arktis in Hochgebirgen oder in Wüsten, besiedeln und es gibt zahlreiche typische Flechteninhaltsstoffe wie z.B. Depside, Butenoide oder Azofarbstoffe, die jeweils vom einen der beiden Partner nicht gebildet werden können.

Außer in Flechten spielen Algen als Synbionten auch in vielen niederen Tieren eine bedeutende Rolle, so in den Polypen der Korallen, in marinen Würmern und Schnecken, in verschiedenen Muscheln und Schwämmen (vgl. UB 225 Algen, UB 254 Riffe). In al­len diesen Fällen werden die heterotrophen Tiere durch die Algensymbionten teil­weise autotroph. Bei einigen Strudelwürmern (z.B. Convoluta roskovensis) kann dies bis zum Verlust des eigenen Darmkanals gehen. Keeble (1910) hat hierfür die treffende Bezeichnung „Plant animals“ – Pflanzentiere – geprägt.

Eine weitere typische Symbiose zwischen Prokaryoten und Tieren stellen die verschiedenen Leuchtsymbiosen dar. Meerestiere wie Manteltiere, Tintenfische und Knochenfische nehmen die im Seewasser weit verbreiteten Leuchtbakterien in besonderen Organen als Symbionten auf und betreiben mit der Bakterienkolonie besondere Leuchtorgane.

Auch zwischen vielzelligen Tieren und Pflanzen gibt es zahlreiche symbiotische Gemeinschaften. Besonders bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang die sogenannten Ameisenpflanzen oder Myrmecophyten. Sie stellen Hohlräume in Blättern, Stielen oder Wurzeln berei, die vor allem von Ameisen aber auch von anderen Kleintieren bewohnt werden. Besonders zahlreich kennt man solche Ameisenpflanzen aus Südostasien. Mehr als 150 Arten aus 27 Pflanzenfamilien wurden beschrieben.

Der baumförmige Schmetterlingsblütler Humboldtia laurifolia aus Sri Lanka hat hohle Internodien mit einem sich selbst öffnenden Eingang.  Zusätzlich zu diesen „Wohn­höhlen“ (Domatium) bietet der Baum eine Reihe von extrafloralen Nektarien, die den Bewohnern gleichzeitig Futter liefern. Die Hohlräume werden vor allem von Amei­senarten besucht und besiedelt, besonders häufig von Technomyrmex albipes. Aber die Besiedelung kann auch durch verschiedene Ameisenarten erfolgen sogar in un­mittelbarer Nachbarschaft. In einer gründlichen Untersuchung (Krombein et al. 1999) wurden weitere zehn Ameisenarten, verschiedene andere Insekten sowie Pseu­doskorpione und Ringelwürmer als regelmäßige Bewohner der „Wohnhöhlen“ nach­gewiesen. Bei einigen dieser Arten handelt es sich um eine sehr enge Gemeinschaft mit Humboldtia. Eine Vernichtung dieser Baum-Art würde auch zum Verschwinden der symbiontischen Bewohner führen.

Für die Pflanzen bringen die besiedelnden Ameisen vor allem einen Schutz gegen Fressfeinde. Die Wirksamkeit dieses Pflanzenschutzes wurde für das Symbiosepaar Crematogaster-Ameise und Ameisenpflanze Macaranga (Wolfsmilchgewächse) ge­nauer untersucht. In diesem Falle werden von der Ameisenpflanze auch noch fett- und eiweißreiche Futterkörperchen für die Ameisen bereit gestellt. Die Ameisen re­vanchieren sich dafür, indem sie ständig die Oberfläche ihres Wirtsbaumes absu­chen und diesen dabei von allem Fremdmaterial reinigen. Sie entfernen Insekteneier ebenso wie Raupen, Käfer und andere pflanzenfressende Gliedertiere. Auch pilzliche Krankheitserreger werden von den Ameisen beseitigt. Man konnte nachweisen, dass Macaranga mehr als 80 Prozent seiner Blattfläche verliert, wenn man die symbionti­schen Ameisenkolonien entfernt (Linsenmaier, Heil 2001). Es konnte nachgewiesen werden, dass das Pflanzen­hormon Jasmonsäure bei Macaranga  die Blattnektarproduktion steuert  (Boland et al.2001): Kommt es zu einer starken Schädigung durch Insektenfraß, wird die Hormonaus­schüttung erhöht und dies wiederum führt zu einer stärkeren Nektarproduktion. Da­durch lockt die Pflanze Ameisen, Wespen und andere Nektarkonsumenten an, die ihr helfen, sich gegen die Fraßfeinde zu verteidigen. Damit ist eine Form der Wechselwirkung zwischen Höheren Pflanzen angesprochen, deren Erforschung erst in jüngerer Zeit begonnen hat. Das Methyljasmonat ist einer von vielen Stoffen, der der Kommunikation zwischen Pflanzen dient. Pflanzen, die von Herbivoren z.B. Raupen befallen werden, produzieren in erhöhtem Maße Signalstoffe wie Jasmonat und diese bewirken bei anderen Pflanzen – auch bei anderen Pflanzenarten – eine verstärkte Produktion von für die Pflanzenfresser schädlichen Stoffen. Die Beziehung zwischen Blütenbestäubern und bestäubten Pflanzen ist in der Regel weniger eng. Es gibt jedoch auch hier Beispiele einer engen Gemeinschaft zweier Arten, die für beide lebensnotwendig ist. Dies gilt etwa für die komplizierten Wechselwirkung von Feige und Feigen-Gallwespe oder von Yucca und Yucca-Motte (Abb.   ). Im natürlichen Lebensraum der Yucca-Arten im westlichen Nordamerika lebt ein kleiner Nachtfalter von etwa 13 mm Körperlänge, die Yucca-Motte (Pronuba yuccasella). Die Begattungsflüge der Yucca-Motten finden in der Dunkelheit statt. Das befruchtete Weibchen beginnt noch in der Nacht, die weißen duftenden Yuccablüten aufzusuchen und dort Pollen zu sammeln. Mit besonderen Fortsätzen der Kiefertaster wird der Pollen zu einem Klumpen geformt, der oft mehrere Millimeter Durchmesser haben kann und zwischen Kopf und Ansatz der Vorderbeine eingeklemmt und mit den Tentakeln seitlich festgehalten wird. Mit diesem Pollenpaket fliegt das Weibchen zu einer anderen Blüten derselben Art. Auf den dicken wachsachtigen Staubfäden sitzend, stößt es dann seine Legescheide durch die weiche Wand des Fruchtknotens in desse Höhlung hinein und legt an den Samenanlagen ein Ei ab. Sodann wandert das Tier entlang dem Stempel bis zur Narbe, stopft etwas von dem mitgebrachten Pollen in eine der drei Narbenfurchen oder in den dort offenen Griffelkanal, legt wieder ein Ei in den Fruchtknoten und so fort, bis sich eine Anzahl von Eiern im Inneren des Fruchtknotens befindet. Bald darauf wachsen die Pollenschläche von der Narbe durch den Griffelkanal zu den Samenanlagen und die Eizellen werden befruchtet. Während die Samenanlagen zum Samen heranwachsen, schlüpfen auch die jungen Räupchen aus den Eiern und sie beginnen, die heranwachsenden Samenanlagen aufzufressen. Nach einem Monat sind die Raupen ausgewachsen und verlassen den Fruchtknoten. Sie verpuppen sich in der Nähe der Yuccapflanze im Erdboden. Da die Raupen bis zum Verlassen des Fruchtknotens nur einen Teil der zahlreichen Samenanlagen verzehren, können sich viele noch zu reifen Samen entwickeln.

Antibiosen

Im Gegensatz zur Symbiose kennzeichnet die Antibiose eine Beziehung, die für ei­nen der beiden Partner vorteilhaft, für den anderen aber schädigend ist. Ganz ein­deutig gilt dies z.B. für die Beutegreifer-Beute-Beziehung . Nicht ganz so eindeutig ist dies für die für die Bezie­hung, die zwischen Pflanzen und Pflanzenfressern besteht, da die Konkurrenzkraft bestimmter Pflanzen durch regelmäßige Beweidung gestärkt wird. Auf solche Nahrungs­ketten soll jedoch hier nicht weiter eingegangen werden.

Demgegenüber bezeichnet man als Parasitismus, wenn ein Parasit einen Wirt aus­nützt ohne dessen unmittelbaren Tod zu bewirken. De Bary definierte den Parasitis­mus folgendermaßen: „… der vollständige Parasitismus, d.h. jene Einrichtung, bei welcher ein Tier oder eine Pflanze den ganzen Vegetationsprozess durchmacht auf oder in einem anderen, ei­ner ungleichnamigen Spezies angehörenden Organismus. Letzterer dient jenem, dem Parasiten, ausschließlich als Wohnort und liefert ihm sein gesamtes Nährstoff­material. Er ist in jeglichem Sinne des Wortes sein Wirt. Und jener lebt auf Kosten des Wirtes insofern sein Nährstoffmaterial die Lebendkörpersubstanz oder die zur eigenen Ernährung aufgenommene Nahrung dieses ist.“ Dabei weist schon De Bary darauf hin, dass es natürlich möglich sein wird, Parasiten auch außerhalb des Wirts künstlich am Leben zu erhalten, indem man ihnen eine geeignete Nährlösung bietet.

Eine für Parasiten besonders typische Erscheinung ist, dass sie oft auf mehrere Wirtsarten angewiesen sind, die sie im Laufe ihres Lebenszyklus sukzessive besie­deln. Häufig ist dieser Wirtswechsel auch noch mit einem Generationswechsel des Parasiten verbunden.

So gibt es vermutlich kaum eine höhere Pflanzenart, die nicht von einem oder meh­reren Rostpilzen parasitiert wird. Eine große Zahl von Rostpilzen parasitieren auf Nutzpflanzen und sie sind deshalb für den Menschen von besonderer Bedeutung. Si­cherlich ist dies ein Grund dafür, dass der Lebenszyklus vieler Rostpilze relativ gut erforscht ist (Gäumann 1959). Stellvertretend für die komplizierten Beziehungen der Rostpilze zu ihren Wirtspflanzen sei der Getreiderost (Puccinia graminis) erwähnt. Dieser Pflanzenparasit entwickelt sich einmal auf der Berberitze, zum anderen auf Getreidearten. Auf der Berberitze wächst das haploide Stadium des Basidiomyceten, auf der Getreidepflanze das Zweikernstadium. In überwinternden zweikernigen Dauersporen kommt es zur Kernverschmelzung und anschließend zur Meiose und zur Basidienbildung.

Nachdem der Entwicklungszyklus des gefährlichen Getriederostes aufgeklärt war, hat man in den 30er und 40er Jahren versucht, durch Ausrotten der Berberitze auch dem Rostpilz die Lebensgrundlagen zu entziehen. Dies gelang aber nicht, da in milden Wintern auch ungeschlechtlich produzierte Sporen überdauern und immer wieder zu einer Infektion der Getreidepflanzen führen können. Im übrigen werden solche Pflanzenparasiten immer durch große Monokulturen besonders gefährlich. Unter natürlichen Bedingungen können sich die Pflanzen gegen Parasiten sowohl tierlicher als auch pilzlicher Art recht gut verteidigen. Dabei kommt es teilweise auch zu einer Wechselwirkung zwischen recht verschiedenen Parasitenarten. So werden vom Verticillium-Pilz befallene Baumwollpflanzen weniger von parasitären Milben aufgesucht als nicht befallene und umgekehrt kann kein (kurzfristiger) Milbenbefall die Pflanzen resistenter gegen Pilzbefall machen (Martin 2002, S. 54/55).

Besonders zahlreiche Parasiten mit komplizierten Lebenszyklen kennt man vom Stamm der Plattwürmer (Plathelmintes). Typisch für die Saugwürmer (Trematoda), einer Klasse der Plathelminthes, ist eine endoparasitische Lebensweise in Darm, Leber, Lunge, Bindegewebe und Blutgefäßsystemen von Wirbeltieren. Sie haben einen relativ komplizierten Generationswechsel, der gleichzeitig mit einem Wirts­wechsel verbunden ist: Aus den befruchteten Eiern der Tiere, die im Hauptwirt leben, schlüpfen in der Regel Wimpernlarven (Miracidien), die im ersten Zwischenwert zur Sporocyste werden. Aus der Sporocyste entstehen sogenannte Redien, die im zweiten Zwischenwirt zu Cercarien heranwachsen. Aus ihnen entwickeln sich, nach­dem sie von Wirtstieren aufgenommen wurden, die adulten Geschlechtstiere. Bekannt ist das Beispiel des Kleinen Leberegels aus den Gallengängen von Schafen mit den Zwischenwirten Heideschnecke bzw. Zebraschnecke und Ameise. Das besondere an dieser Art von Parasitismus ist, dass der Parasit in diesem Fall die Ameise veranlasst, sich an Pflanzenstängeln festzukrallen. Dadurch wird sie besonders leicht von Schafen gefressen, was der weiteren Verbreitung des Parasiten dient. So abenteuerlich diese komplizierte, angepasste Lebensweise erscheint, so hat sich in jüngerer Zeit gezeigt, dass sie doch nicht einmalig ist. Ähnliche Erschei­nungen kennt man von anderen parasitischen Trematoden: Microphallus piriformis lebt einmal in einer Strandschnecke (Littorina saxatilis), zum anderen in der He­ringsmöwe. Es wurde nachgewiesen, dass von Trematoden befallene Strandschnecken die Tendenz haben, aufwärts zu krie­chen, also in eine Position, in der sie leichter von Möwen gefressen werden können (MacCarthy 2000, 1161-1166). Befallene Schnecken verändern auch ihre Verhaltensweise bezüglich der Gezeiten. Im Gegensatz zu nichtbefallenen, kriechen sie gerade bei fallender Tide aufwärts. Nicht nur von Wirbellosen sondern sogar von Säugetieren kennt man eine solche parasitenbewirkte Verhaltensänderung: Ratten, die von dem Einzeller Toxoplasma gondii befallen sind, den sie vor allem aufsammeln, wenn sie Katzenkot fressen, werden neugieriger und weniger furchtsam. Das lässt sie zu einer leichteren Beute für Katzen werden und hilft so Toxoplasma, in seinen Hauptwirt zurückzukehren ( Berdoy 2000,1591-1594).

Karposen

Auf die große Zahl der Beziehungen, die für einen Partner mehr oder weniger vor­teilhaft, für den anderen jedoch nicht schädigend sind, sei hier nur knapp eingegan­gen. Hierher gehören die Wohngemeinschaften (z.B. Fuchs und Brandgans) oder auch der zeitweilige Aufenthalt in Körperhöhlen von anderen Tieren. Die Nadelfische aus der Familie der Carapidae kommen mit etwa 25 Arten in wärmeren und warmtemperierten Meeren vor. Sie wohnen alle in Actinien, Seesternen, Seegurken, Feuerwalzen oder in Muscheln. Genauer wurde Carapus acus, ein mediterraner Nadelfisch untersucht. Er verlässt seien Wohnort Seegurke nur nachts. Um in die Seegurke hinein zu gelangen, schwimmt er mehr oder weniger senkrecht stehend mit wedelndem Schwanz um sie herum. Immer wieder wird dann der Versuch unternommen, am Hinterende in den Wirt einzudringen. Dazu stellt sich der Nadelfisch mit seinem Kopf dicht vor die Kloakenöffnung, führt seine Schwanzspitze am Körper entlang nach vorn und wahrscheinlich in dem Augenblick, in dem das Atemwasser in die Seegurke strömt, sich schnell umwendend, stößt er sein Hinterende in die Kloake. Dann dringt der Fisch nach und nach immer tiefer ein. Der Fisch dringt zunächst in die Wasserlunge der Seegurke ein, durchbricht diese aber dann, um sich in der Leibesöhle aufzuhalten. Während viele Nadelfische die Holothurien und andere Wirte nicht weiter schädigen, konnte man für Carapus acus nachweisen, dass er sich von den Geschlechtsdrüsen der Seegurke ernährt. Andere Arten kommen im Muscheln vor. Wenn die Fische in der Muschel sterben, werden sie als Fremdkörper mit einem Perlmuttüberzug versehen (z.B. Carapus homei aus der Karibik).

Auch die actinienbewohnenden Clownfische oder die als Muschelwächter bezeichneten Kurzschwanzkrebse, die in der Mantelhöhle von Muscheln zu finden sind, wären hier zu nennen. Die Aktinien könnten allerdings auch von den Futterresten der Clownfische profitieren, weshalb diese Partnerschaft oft auch als echte Symbiose bezeichnet wird.

Eine besonders große Rolle spielt die sogenannte Epökie (Aufsitzertum) – Lebewesen siedeln auf anderen. Besonders eindrücklich wird dieses Prinzip in den üppigsten Lebensräu­men, wie Regenwäldern oder Korallenriffen, demonstriert. Aber auch bei uns gibt es viele „Epiphyten“ (Moose und Flechten auf Baumrinde) und „Epizoen“ (z.B. Seepoc­ken auf Muschelschalen oder Krebspanzern, Glockentierchenkolonien auf Wasser­flöhen und Ruderfußkrebsen.)  Eine besondere Form der Wechselwirkung ist die der Transportgemeinschaft (Phoresie). Dungmilben und Fadenwürmer heften sich an Mistkäfer an, andere Milben werden von Weberknechten transportiert. Schiffshalter lassen sich von großen Fischen mitnehmen.

Intraspezifische Kooperation

„Wo ich auch immer das Tierleben in reicher Fülle auf engem Raum beobachtete, sah ich gegenseitige Hilfe und gegenseitige Unterstützung sich in einem Maße betätigen, dass ich in ihnen einen Faktor von größter Wichtigkeit für die Erhaltung des Lebens und jeder Spezies sowie ihrer Fortentwicklung zu ahnen begann.“ (Kropotkin 1902).

Artgenossen sind evolutionsbilogisch betrachtet von Natur aus Konkurrenten. Trotzdem kann man bei den Interaktionen zwischen Individuen einer Art, im allgemeinen auch als „Sozialverhalten“ bezeichnet, eine Vielzahl von Verhaltensweisen erkennen, die eindeutig koopertiv sind. Die ultimaten Ursachen solcher Verhaltensweisen sind z.B. die Fortpflanzung, die Brutpflege, die Fürsorge für die Jungtiere, der Schutz vor dem Gefressenwerden, der gemeinsame Beutefang oder die Sicherung von Weidegründen usw. Proximate Ursachen können in Erbkoordinationen oder in Lernvorgängen liegen.

Konkurrenz und Kooperation

Zu den Interaktionen zwischen Artgenossen gehören nicht nur kooperative Verhaltensweisen sondern auch Aggression und Konkurrenz, Rangord­nung oder sogar Täuschung. Die Anpassungsselektion im Sinne Darwins ist, wenn auch nicht die einzige, so doch eine wichtige Grundlage der Evolution. Sie beruht auf dieser in­nerartlichen Konkurrenz und eventuell auf zwischenartlicher Kooperation. Die Individuen einer Art, die am meisten lebensfähige und überlebensfähige Nachkommen zeugen, geben damit ihre Gene und so auch viele ihrer Merkmale weiter. Der Kampf um einen Paarungspartner oder um eine Nah­rungsressource ist häufig ritualisiert, d.h. für die Gegner besteht keine ernsthafte Verletzungsgefahr. Dies muss allerdings nicht so sein, wie man es z.B. von Kampfhähnen und Kampffischen weiß. Aber es ist einsehbar, dass bei Arten, bei denen die kämpfenden Rivalen sich verletzen , eine frühzei­tige Beendigung des Kampfes die Fitness fördert, da sie auch den Sieger vor unnöti­gen Verletzungen schützt.

 Unterschiedliches Balzverhalten ist eng gekoppelt mit un­terschiedlichen Paarungssystemen. Während es bei vielen Tierarten keinerlei län­ger dauernde Paarbindungen gibt, kennt man andererseits monogame und polygame Beziehungen, wobei sowohl  Polygynie als auch- seltener – Polyandrie vorkommen. Für die Paarungssysteme entscheidend dürften die besonderen Bedürfnisse der Jungen sein. So müssen Vögel nicht nur ihre Eier langwierig ausbrüten, die Jungen müssen dann auch mit erheblichen Nahrungsmengen gefüttert werden. Für beides ist eine Kooperation der Eltern von großem Vorteil. Deshalb ist eine monogame Paarbindung bei Vögeln häufig vorteilhaft – mindestens während der Brutzeiten und der Aufzucht der Jungen. Andererseits muss dies nicht unbedingt mit der rein mono­gamen Weitergabe der Gene, also mit der ausschließlichen Kopulation mit einem Geschlechtspartner, gekoppelt sein (vgl. Campell S. 1303, UB 185 Soziobiologie).

Häufig kommen in Tiersozietäten bestimmte Rangordnungen vor, die durch aggres­sive Auseinandersetzungen immer wieder gefestigt oder auch neu strukturiert wer­den. Für den reibungslosen Ablauf der innerartlichen Kooperation in einem Tierver­band sind solche Rangordnungen u.U. von Vorteil, insbesondere wenn es um kom­pliziertes Zusammenarbeiten geht,  wie etwa beim gemeinsamen Jagen. Bei Wölfen und anderen Hundeverwandten konnte nachgewiesen werden, dass die Rangordnung der weiblichen Tiere eines Rudels auch der Geburtenkontrolle dient: Wenn die Nahrung knapp ist, lassen die ranghöchsten Weibchen kaum Paarungen anderer, rangniedrigerer Weibchen zu. Sie sorgen damit dafür, dass nur ihre Gene weitergegeben werden. Ist reichlich Nahrung vorhanden, so lockern sie diese Re­striktionen.

Schließlich ist das Revierverhalten ein wichtiger Bestandteil tierlichen Sozialverhal­tens. Territorien oder Reviere dienen in der Regel der Sicherung der Nahrung, der Paarung und der Jungenaufzucht. Bei Vögeln werden solche Reviere häufig von Brutpaaren während der Brutzeit besetzt. Bei vielen Singvögeln müssen die Reviere relativ groß sein, weil sie auch der Nahrungsbeschaffung dienen. Bei Meeresvögeln können sie viel kleiner sein, da die Nahrung außerhalb des Reviers gesucht wird. Territorien werden häufig besonders markiert (Kot, Urin, Drüsensekrete). Auch aku­stische Markierungen wie lautes Brüllen der Seelöwen oder Gesänge der Singvögel dienen der Reviermarkierung. Territorialverhalten kann eine Population stabilisieren, da die Verteidigung des Territoriums verhindert, dass bei üppigem Nahrungsangebot eine Überpopulation entsteht, die dann u.U. wieder einen Zusammenbruch der Ge­samtpopulation zur Folge hätte.

Altruismus

Altruismus oder uneigennützige Hilfeleistungen zwischen Individuen einer Art sind bei Tieren weit verbreitet. Besonders verbreitet sind Formen der Brutpflege, bei denen nur die Mütter, zum Teil Mütter und Väter und selten auch nur die Väter beteiligt sein können. Dabei geht es nicht nur darum, die Jungen zu füttern, zu wärmen und für ihr Wohlbefinden zu sorgen, son­dern auch um die Verteidigung gegen Beutegreifer. Dies kann bis zur Aufoperfung des eigenen Lebens gehen. Die Soziobiologie versucht solche altruistischen Verhal­tensweisen über die Fitness zu erklären. Bei der Brutpflege und bei der altruistischen Hilfe für Verwandte argumentiert die Soziobiologie mit dem Verwandtschaftskoeffizi­enten. Der Anteil der Gene, der bei zwei Individuen aufgrund gemeinsamer Abstam­mungen identisch ist. Der Verwandtschaftskoeffizient von Geschwistern beispiels­weise beträgt 0,5, da 50 % der Gene von Geschwistern übereinstimmen. Für Cou­sins ersten Grades beträgt dieser Verwandtschaftskoeffizient 0,125. Es ist nach der soziobiologischen Theorie zu erwarten, dass sich Verwandte umso eher gegenseitig helfen, je höher dieser Koeffizient ist. Dies führt dann zu der sogenannten Familien- oder Verwandtschaftsselektion. (kin selection, Smith, Hamilton). Wenn man also sein Leben für zwei Kinder oder für acht Cousins opfert, so hat man genetisch bzw. evolutionsbiologisch gesehen, nichts verloren. Bei manchen altruistischen Verhaltensweisen ist eine Erklärung über den Verwandtschaftskoeffizienten allerdings nicht so eindeutig möglich. So warnen sich Murmeltiere gegenseitig durch Pfiffe vor Beute­greifern wie etwa Steinadlern. Wenn ein Adler oder ein anderer Fressfeind sich einer Murmeltierkolonie nähert, stößt eines der Murmeltiere einen schrillen Pfiff aus. Da­durch werden auch die anderen auf den Räuber aufmerksam und fliehen in ihre Baue. Das Pfeifverhalten allerdings wird für den Warner zu einem erhöhten Risiko. Nur wenn man davon ausgeht, dass die Murmeltiere einer Kolonie mehr oder weniger nahe verwandt sind, lässt sich dies ebenfalls über den Verwandtschaftskoeffizi­enten erklären. Eine andere Erklärungsmöglichkeit: Wenn alle Murmeltiere einer Kolonie zu diesem Verhalten bereit sind und es immer wieder ein anderes Tier trifft und dadurch der Nutzen und der Schaden ausgegli­chen wird kann dieses Verhalten ebenfalls einen Fitnessgewinn bringen („Reziproker Altruismus“).

Tiergesellschaften

Die Vergesellschaftung von Individuen einer Art kann sehr unterschiedliche Organi­sationsmerkmale aufweisen. Unkoordinierte Verbände sind z.B. Schlafgemeinschaf­ten, Überwinterungsgemeinschaften, Futtergemeinschaften. Ein gemeinsamer Ort und ein gemeinsames Ziel führen die Tiere zusammen. Man kennt solche Ansamm­lungen von vielen Insekten, aber auch bei Spinnentieren, Krebsen, Mollusken und bei allen Klassen der Wirbeltiere kommen sie vor. Solche Vergesellschaftungen sind in der Regel zeitlich begrenzt, die einzelnen Individuen können sich leicht wieder von der Gruppe lösen, und die Koordination zwischen den einzelnen Individuen ist ge­ring. Schon etwas anders sieht es bei koordinierten Verbänden aus, wie sie etwa bei ziehenden Vogelschwärmen, wandernden Libellen, Heuschrecken und Schmetterlin­gen oder Fischschwärmen vorliegen. Hier findet oft eine erstaunliche Koordination der Flug- oder Schwimmbewegungen statt. Der soziale Gesichtspunkt ist deutlich, gemeinsamer Aufbruch zur Wanderung, gemeinsame Bestimmung des Zieles oder Lösung des Orientierungsproblemes. Gefahr von außen, etwa ein herabstürzender Raubvogel auf einen Starenschwarm, führt zu koordinierten Reaktionen. Der Schwarm kondensiert sich, bildet einen Stoßpulk, der gemeinsam zum Angriff über­gehen kann. Anders reagiert ein Elritzenschwarm, bei dem ein Mitglied vom Hecht ergriffen wurde. Der ganze ergreift panikartig die Flucht, was damit zusammenhängt, dass von der Bißwunde der verletzten Elritze ein hochwirksamer Schreckstoff freigesetzt wird. Die so gewarnten Elritzen meiden den Ort, an dem ihr Genosse gefressen wurde, wochenlang. Hier handelt es sich also um ein soziales Warnsignal, das in Haut­zellen gespeichert wird und dass ohne jeden biologischen Nutzen für das individuelle Leben ist, das aber für den Gesamtverband große Vorteile bringt.

Andere Schutzgemeinschaften finden sich z.B. bei verschiedenen Insekten. So kön­nen sich Feuerwanzen zu größeren Verteidigungsgemeinschaften zusammenschlie­ßen. Sie besitzen Verteidigungsdrüsen und damit verbunden eine Warnfärbung. Die Warnwirkung wird durch die Gruppierung erhöht.

Soziale Verbände höherer Organisation sind charakteristisch für die Insektenstaaten. Hier ist die soziale Bindung obligatorisch. Der Verband bildet eine geschlossene Gemeinschaft und es kommt zu einer Differenzierung der Individuen. Sämtliche Ent­wicklungsstadien von Eiern, Larven über Puppen bis zu den geschlechtsreifen Ima­gines sind Bestandteil dieses Verbandes. Alle Tätigkeiten, die für den Fortbestand für die Gemeinschaft wesentlich sind, werden im Kollektiv und arbeitsteilig ausgeführt.  Häufig kommt es zu einer Kastenbildung, d.h. die ausgewachsenen  Tiere haben – entsprechend ihren unterschiedlichen Aufgaben  einen unterschiedlichen Körperbau. Typisch für das Funktionieren solcher Tierstaaten ist eine meist angeborene, sehr differenzierte Fähigkeit zur Kommunikation. Teilweise werden solche Staten als „Überorganismen“ bezeichnet.

Termiten z.B. sind besonders hoch organisierte staatenbildende Insekten mit mindestens drei Kasten: Königin und König als Geschlechtstiere leben immer zusammen, außerdem werden Arbeiter und Soldaten oft noch in verschiedenen Ausprägungen ausgebildet. Soldaten und Geschlechtstiere können sich nicht selbständig ernähren und sind auf die Fütterung durch die Arbeiter angewiesen. Insgesamt beruht das Zusammenspiel innerhalb des Termitenstaates auf komplizierter Kommunikation, teilweise auf der Basis von Pheromonen. Außerdem leben Termiten auch noch mit anderen Lebewesen in Symbiose. Als Pflanzenfresser können sie mit Hilfe von endosymbiontischen Bakterien und Einzellern Zellulose zersetzen. Andere Arten können sogar den Ligninstoff mit Hilfe von Pilzendosymbionten aufschließen. Außerdem werden von Termiten Pilzgärten angelegt, und zwar auf einem Gemisch aus Kot und zerkauter Nahrung und Holz. Die Pilzgeflechte dienen vor allem den Larven als Nahrung.

Die Zusammenarbeit im Termitenstaat sorgt für gleichbleibende Innentemperaturen, günstige Feuchtigkeitsbedingungen und sichere Aufzucht der Nachkommen (vgl. UB 169, S. 45).

Im Prinzip ähnlich, aber meist nicht ganz so kompliziert, sind die Verhältnisse bei Ameisen und bei anderen Hautflüglern. Bemerkenswert ist die besonders kompli­zierte Form der Kommunikation der Honigbienen (vgl. Hedewig 2000 in UB 260).

Symbiose in Ökosystemen

Für das Wirkungsgefüge eines Ökosystems bilden symbiotische Beziehungen eine entscheidende Rolle, obwohl sie bisher in der ökologischen Literatur noch relativ we­nig berücksichtigt wurden. Ganz allgemein kann man sagen, dass Ökosysteme dazu tendieren, im Laufe ihrer Entwicklung an Komplexität zuzunehmen. So sind die älte­sten Ökosysteme gleichzeitig die komplexesten und die Wechselbeziehungen sol­cher Systeme sind besonders kompliziert. Hier soll etwas ausführlicher auf die Be­deutung der Symbiosen für den Stoffkreislauf in Ökosystemen eingegangen werden. Da die Chloroplasten aller Höheren Pflanzen und Algen aus endosymbiontischen Prokaryoten hervorgegangen sind, wird der größte Teil der Primärproduktion in der Biosphäre durch eine Symbiose geleistet. Abgesehen davon spielen Flechten als Primärproduzenten auf etwa einem Achtel der Landfläche (1,2 x 107 km2) eine ent­scheidende Rolle. Bedeutend ist weiterhin der Beitrag der Korallenriffe zur Primär­produktion.

Die enge Partnerschaft von Pilzen und Landpflanzen besteht vermutlich seit der Eroberung des Landes im ausgehenden Silur. Für Primärproduktion und Stoffkreislauf in der Biosphäre ist diese Symbiose von Höhe­ren Pflanzen und Pilzen (Mykorrhiza) besonders wichtig. Man nimmt an, dass My­korrhizapilze 10 bis 20% der fotosynthetischen Primärproduktion von Pflanzen aufnehmen, das sind bis zu 2 x1013 kg pro Jahr. Besondere Bedeutung haben Mykorrhiza-Pilze für de Phosphor- und Stickstoff-Kreislauf in Ökosystemen . (vgl. Agerer, UB         ), Sie stellen eine Kurzschluss artige Verbindung zwischen orga­nischen Abfallstoffen und Primärproduzenten her. Dadurch kann der Export dieser Ele­mente aus Ökosystemen deutlich verringert werden. Wie Perakis und Hedin (2002, S. 416-418) nachweisen konnten, ist der Austrag an anorganischem Stickstoff in na­turnahen, vom Menschen wenig beeinflussten Regenwäldern des gemäßigten Süd­amerika viel geringer als in entsprechenden, stark vom Menschen beeinflussten Wäldern Nordamerikas (Abb.     ) . Dies könnte darauf hindeuten, dass es in diesen Wäldern kaum zu einer totalen Remineralisierung von Stickstoffverbindungen kommt. Ähnli­ches dürfte für Phosphorverbindungen gelten.

 Die Verbreitung von Mykorrhizapilzen ist viel größer, als man dies ursprünglich angenommen hatte. So gilt als sicher, dass in tropischen Wäldern etwa 90 % aller Gehölze Mykorrhizen ausbilden. Da viele Pilze mit mehreren Baumarten Partnerschaften eingehen, ist nicht nur ein Stofftransport von einem Baum zum anderen sondern auch von einer Baumart zur anderen möglich. Besonders spektakulär ist in diesem Zusammenhang, dass durch Pilzwurzeln vermittelt auch Pflanzen existieren können, die kein Chlorophyll mehr bilden und dann als reine Parasiten auf den Pilzen leben. So findet man das bleiche Wintergrüngewächs Fichtenspargel unter Fichten und Buchen. Vermittelt durch einen Mykorrhizapilz lebt der Fichtenspargel von der Primärproduktion der Buchen bzw. Fichten.

Schließlich können Pilze auch tierische Eiweißquellen für Höhere Pflanzen erschlie­ßen, die sonst nur den Extremspezialisten – den sogenannten Carnivoren oder In­sektivoren – vorbehalten bleiben. So konnte nachgewiesen werden, dass Laccaria bicolor (Zweifarbiger Lacktrichterling) Springschwänze (z.B. der Art Folsomia can­dida) „fressen“ kann. Der Pilz immobilisiert die Springschwänze zunächst. Dann dringt das Mycel in deren Körper ein und fängt an, sie zu „verdauen“. Da Laccaria gleichzeitig mit Waldbäumen eine Mykorrhiza eingeht, werden tierliche Stickstoffver­bindungen über den Pilz an die Bäume weitergegeben. Durch 15N-Isotopenmarkie­rung konnte nachgewiesen werden, dass bis zu 25 Prozent des pflanzlichen Stick­stoffs aus Springschwänzen stammen, die von Laccaria gefressen wurden. Als Ge­genleistung versorgt der Baum den Pilzpartner mit Kohlenhydraten, auch mit sol­chen, die dann zu proteolytischen Enzymen umgebaut werden können (Klironomos, Hart 2001,p.651,652).

Untersuchungen an isolierten Rasenstücken ergaben, dass durch den von Mykorrhi­zapilzen vermittelten Stoffaustausch die Konkurrenz zwischen den Pflanzenarten vermindert wird. Dies führt dazu, dass die Zugangsmöglichkeiten zu Mineralstoffen ausgeglichen werden und dass die Koexistenz verschiedener Arten leichter ist. Eine Zunahme der Artenvielfalt ist die Folge (A.E. Douglas Symbiotic interactions 1994).

Auch im Zusammenhang mit Primärsukzessionen (Neubesiedelung von vorher ve­getations- bzw. organismenfreien Substraten etwa nach Vulkanausbrüchen oder beim Gletscherrückzug) können Symbiosen eine wichtige Rolle spielen. Dies gilt etwa für die Neubesiedelung von Gletschern freigegebener Felsflächen durch Flechten und anschließend durch Pflanzen, die in Symbiose mit Luftsticksoff – fixie­renden Bakterien leben. Genauere Untersuchungen in Glacer Bay/ Alaska, wo ein Gletscher sich in überlieferten Zeiträumen um etwa 100 km zurückgezogen hat, zeigt eine ständige Zunahme von Stickstoff in den Böden. Als Erstbesiedler an Höheren Pflanzen spielt die Silberwurz (Dryas) eine entscheidende Rolle. Sie enthält stick­stofffixierende Bakterien der Gattung Frankia. In der Folgezeit besiedeln Erlen, Wei­den und Pappeln die Gletscherrückzugsgebiete. Die endosymbiontischen Actinomy­ceten der Gattung Frankia können in Erlenbeständen bis zu 180 kg Stickstoff/ ha und Jahr fixieren (Abb. Grafik zur Stickstoffzunahme in Gletscherböden von Glacer Bay). In bestimmten limnischen Lebensräumen, z.B. in ostasiatischen Reisfeldern, dürfte die Stickstofffixierung durch mit dem Schwimmfarn Azolla zusammenlebenden Blau­grünen Bakterien der Gattung Anabena eine wichtige Rolle spielen (50 bis 150 kg Stickstoff/ ha und Jahr). In tropisch-subtropischen marinen Lebensräumen des pazi­fischen Raumes spielt die Diatomee Rhizosolenia mit endosymbiontischen Blaugrü­nen Bakterien eine ähnlich bedeutende Rolle beim Zugang des Ökosystems zur Luftstickstoffquelle.

Erst in jüngster Zeit beginnt man, die komplizierten Wechselwirkungen zu studieren, die zwischen den Mikroorganismen und dem höheren Leben der Ozeane bestehen. Die Bedeutung der Prokaryoten und insbesondere der ursprünglichen „Domäne“ der Archaea ist mengen- und massenmäßig in den Ozeanen viel bedeutender als lange Zeit angenommen. So ist reiches Archaea-Vorkommenie keineswegs auf die Umgebung der schwefelspucken­den Tiefseeschlote begrenzt. Vielmehr dürften sie 40 % der Tiefseeorganismen ins­gesamt ausmachen und die Tiefsee ist bei weitem der größte Lebensraum der Erde. Aber auch in oberflächennahen Wasserschichten der Ozeane spielen Archaebakte­rien eine große Rolle. Die zur Fotosynthese fähigen a-Proteobacteria machen vemutlich wenigstens 10 % aller Bakterien in den Ozeanen aus (Copley 2002)  und sie sind damit für  ca. 5 % der Fotosynthese bedingten Primärproduktion verantwortlich. Dabei läuft ihre Fotosynthese allerdings etwas anders ab. Sie produzieren nämlich keinen Sauer­stoff, sondern verwerten den bei der Fotosynthese freigesetzten Sauerstoff sofort wieder für eigene Synthesen. Außerdem nutzen sie Lichtenergie, um organische Verbindungen abzubauen (Fotoheterotrophie). Diese Fähigkeit, von der man bis vor kurzem nichts wusste, hat bedeutende Auswirkungen für den Kohlenstoffkreislauf und die mögliche Bedeutung der Ozeane als Kohlenstoffsenke. Ein großer Teil des Kohlen­stoffdioxids, das in den Ozeanen durch die Fotosynthese fixiert wird, bleibt – wenn die Planktonorganismen absterben – in gelöstem oder suspendiertem organischem Ma­terial zurück. Dieses organische Material dürfte in größerer Menge als bisher ange­nommen von Proteobakterien genutzt werden. So tragen diese Prokaryoten dazu bei, dass der Kohlenstoff stärker als bisher angenommen in den oberen Wasser­schichten bleibt – eine schlechte Nachricht für diejenigen, die bisher hofften, dass übermäßiger Anstieg des Kohlenstoffdioxidgehaltes der Atmosphäre durch die Ozeane ausgeglichen werden kann. Wie neue Arbeiten zeigen, gibt es noch eine große Zahl anderer Prokaryoten mit außergewöhnlichen Stoffwechsel- und Fotosyn­thesewegen, die bisher noch nicht erforscht sind und die eine Vielzahl neuer Bezie­hungen und Stoffflussschleifen erwarten lassen, die das Zusammenspiel in dem von Planktonorganismen bestimmten Ökosystem der freien Ozeane viel komplizierter erscheinen lassen wird, als dies bisher angenommen wurde. So dürfte die von Halobakterien als Fotergie bekannte Erscheinung, bei der Sonnenlicht über Rhodopsin und verwandte Pigmente als Energiequelle für eine Membran-Protonenpumpe genutzt wird, in oberflächennahen marinen Habitaten weit verbreitet sein. Auch die Bedeutung Stickstoff-(N2)-fixierender Prokaryoten in marinen Ökosystemen ist vermutlich unterschätzt worden. So dürfte insbesondere die Zahl der entocytosymbiotischen Stickstofffixierer in den einzelligen Planktonalgen eine viel größere Rolle spielen als bisher angenommen (Zehr 1998). Auch Viren sind häufig in marinen Ökosystemen. Sie können bei Algenblüten regulierend wir­ken. Wenn die virusbefallenen Zellen solcher großen Algenblütengebiete plötzlich sterben, setzen sie eine große Menge organischer Materie frei. Auf diese Art und Weise können Viren möglicherweise zur plötzlichen massenhaften Freisetzung von Dimethylsulfid (DMS) beitragen. Wie zum ersten Mal von Lovelock nachgewiesen, fördert DMS in der Atmosphäre die Wolkenbildung und erhöht damit die Menge der an der Atmosphäre reflektierten Sonnenstrahlen. Dies kann eine deutliche Abkühlung des Erdklimas bedeuten. Es ist durchaus naheliegend, anzunehmen, dass die große Stabilität der Biosphäre solchen mikrobiellen Wechselwirkungen zu verdanken ist. Im Kleinen kennt man solche eng  kooperierende Mikrobensysteme, in denen sich die einzelnen Bestandteile gegenseitig stabilisieren, z.B. von denen von Kefir oder Kombucha.

Eine besondere Form der Wechselwirkung ist der durch Viren vermittelte horizontale Gentransfer. Auch diese Form der Wechselwirkung wurde vermutlich in der Vergangenheit eher unterschätzt.

Menschliche Macht, Mitgefühl und Zukunftsfähigkeit

Je höher entwickelt das Nervensystem und das Lern- und Erinnerungsvermögen ei­ner Tierart, desto flexibler und anpassungsfähig kann auch das Sozialverhalten wer­den. Junge werden „geprägt“, Kinder lernen von ihren Eltern, schließlich können sich sogar Traditionen herausbilden. An der Spitze dieser Entwicklung stehen zweifellos die Primaten und schließlich die Menschen.

Sicherlich wirkt sich dies auch auf das Kooperationsverhalten aus. So konnte durch Computersimulationen nachgewiesen werden, dass kooperatives Verhalten den kooperierenden Individuen Selektionsvorteile bringt, wenn die Individuen innerhalb einer Population erkennen können, ob andere Individuen kooperationsbereit sind oder nicht. Dies setzt ein hochdifferenziertes Wahrnehmungsvermögen voraus.  (Sigmund, Nowak 2001, 403,404).

Auch die sogenannte Altruistische Bestrafung (Altruistic punishment, Fehr, Gächter, 2002, 137-140) stellt eine Verhaltensweise dar, die Altruismus fördert: Sie beschreibt ein typisch menschliches Verhalten gegenüber Individuen, die agressiv ihre eigenen Interessen verfolgen. Solche Individuen werden bestraft, auch wenn der Strafende davon keinen direkten eigenen Vorteil hat.  Diese Verhaltensweise setzt voraus, dass man sich relativ gut in andere Individuen hineinversetzen kann – eine Fähigkeit  die Menschen in höherem Maße haben als andere Arten.

Wahrnehmungsfähigkeit und Gehirn gestatten es den Menschen, sich ein Bild ihrer Umwelt zu machen, das planvolles und gezieltes Handeln erlaubt. Die abstrakte Sprache macht es möglich, sich intensiv und detailliert mit anderen Menschen auszutauschen, Erkenntnisse, Einsichten, Erfahrungen und Ideen weiterzugeben. Die Schrift und seit Kurzem die elektronischen Medien erlau­ben eine Konservierung von Information und in Zukunft vielleicht auch eine enge Ko­operation von Gehirnen und Systemen der elektronischen Datenverarbeitung. So wird von manchen Informatikern eine Symbiose zwischen menschlichem Gehirn und Maschine angedacht: „Schließlich werden wir darangehen die externen Hilfsmodule mit dem Gehirn zu verbinden – beispielsweise durch Millionen mikroskopischer Elek­troden; man könnte sie in das große Faserbündel namens Corpus callosum implan­tieren, das als gewaltiger Datenbus die beiden Gehirnhälften miteinander verbindet.“ (Minsky 1994).

Mit Hilfe seines Gehirns kann der Mensch Szenarien in Gedanken durchspielen, die Folgen bestimmter Handlungen vorhersehen. Dadurch, dass Beziehungen und Wechselwirkungen in die Zukunft projiziert werden, kann man ihre Folgen abschät­zen. Diese Modellbildungsfähigkeiten sind ein enormer Machtfaktor. Menschen nei­gen allerdings dazu, diese Macht zu überschätzen und damit gleichzeitig die Verant­wortung zu unterschätzen, die aus der Erkenntnisfähigkeit erwächst. Denn die Mo­delle, die eben doch nur Modelle und damit unvollkommene Bilder der Wirklichkeit sind, werden oft als ganz real genommen und man verlässt sich voll auf ihre Aussagen. So werden mit der Zunahme menschlicher Macht und Manipulationsmöglichkeiten die als Folgen menschlicher Eingriffe auftretenden Katastrophen immer größer und gefährlicher.

Vielleicht hilft ein Nebeneffekt unseres Weltbildapparates dabei, das richtige Maß zu finden: Er gestattet es den Menschen nämlich auch, sich in andere Indivi­duen hineinzuversetzen, die Welt „mit ihren Augen“ zu sehen. Diese Fähigkeit ist Voraussetzung für Mitgefühl, Mitleid und die Möglichkeit, sich mit Anderen zusammen zu freuen und damit die Voraussetzung für Wertempfin­den, Ethik und Moral.

Dabei betrifft Mitfühlen und Mitleiden  nicht nur Mitglieder der eigenen Art, sondern auch andere  Mitgeschöpfe. In ihrem Versuch „Leben“ zu beschreiben und verständlich zu machen weisen Lynn Margulis und Dorian Sagan  besonders auf dieses menschliche Bewusstsein hin, das im Grunde ein Bewusstsein der Biosphäre oder des gesamten Lebens der Erde dar­stellt, da es allmählich mit der Evolution gewachsen ist. „In diesem Sinne ist das in­tuitive Wissen und Werden, nach dem jedes Einzelbewusstsein eine Illusion ist und wir alle einem einzigen Urgrund, nämlich Brahman angehören, vielleicht völlig richtig: Nicht nur unsere chemische Zusammensetzung ist ein gemeinsames Erbe, sondern auch unser Bewusstsein und die Notwendigkeit in einem Kosmos zu überleben, der aus der gleichen Materie besteht wie wir, der aber unserem Leben und unseren Be­langen gleichgültig gegenübersteht.“ (Margulis, Sagan 1997).

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Im Griff von SARS CoV 2

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„Mir ist die Anwesenheit von Anhängern der sozialistischen Sekte in unserer Provinz gemeldet worden, welche, mit geheimnisvollen Mixturen und übelriechenden Salben versehen, unsere arbeitsame Bevölkerung infizieren. Mit winzig kleinen und äußerst zerbrechlichen Ampullen ausgestattet, haben dieselben in Favara bereits eine starke und weit verbreitete Grippe ausgelöst (… …), und zwar mittels der Verbreitung von Keimen, die eine Mundschwamm-Epidemie auslösen können. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß diese Keime überaus leicht erkennbar sind: sie sind von leuchtend roter Farbe, jeder von ihnen besitzt 2.402 Füßchen. Für ihre Vernichtung muß Sorge getragen werden, weil sie sich außerordentlich schnell vermehren. In der Gewißheit, daß Sie sich der Gefahr bewußt sind und alle Maßnahmen für ein Einschreiten treffen, fordere ich Sie auf: gehen Sie ans Werk! S. E. der Präfekt (Vittorio Marascianno)“

Das schrieb der sizilianische Schriftsteller und Regisseur Andrea Camilleri in seinem 1998 erschienenen Roman „La concessione del telefono“; in deutscher Übersetzung 1999 beim Klaus Wagenbach Verlag mit dem Titel „Der unschickliche Antrag“ herausgegeben. Man könnte fast meinen, Camilleri hätte dabei an die Coronaviren gedacht. Das ist nicht ganz unmöglich, denn man kennt sie seit 1960. Der Roman allerdings spielt im Sizilien des ausgehenden 19. Jahrhunderts.

Allerdings konnte Camilleri nicht ahnen, dass die Corona Pandemie gute 20 Jahre später die Weltöffentlichkeit beherrschen würde, wie keine Epidemie, ja wie kein katastrophales Ereignis zuvor. Selbst die Klimakrise tritt dagegen zurück. Sie hat bisher bei weitem nicht so viele gleichlaufende Reaktionen in fast allen Ländern der Erde bewirkt, obwohl die Folgen vermutlich deutlich katastrophaler sein werden.

Coronaviren

Coronaviren haben einen Durchmesser von ca. 125 nm. Sie sind von einer mit zahlreichen Fortsätzen (Spikes) besetzten Proteinlipidmembran umgeben, an denen die Andockstellen für die entsprechenden Proteine der Wirtszellen liegen. Das genetische Material ist eine einsträngige RNA.

Coronaviren, kugeligen Gebilde mit den vielen Fortsätzen (Spikes), die sie im elektronenmikroskopischen Bild wie eine Sonne mit Corona erscheinen lassen, sind seit den 1960er Jahren als Erreger von Tierkrankheiten aus Großbritannien und den USA bekannt. 1968 erhielten sie ihren Namen. Aber erst 2003 wurde mit der SARS-Epidemie (severe acute respiratory syndrom) deutlich, dass sie auch für Menschen wirklich gefährlich werden können.

Unter den für menschliche Krankheiten verantwortlichen Viren gehören Coronaviren mit ihren 125 nm Durchmesser zu den größten. Mit 30.000 Nukleotiden ist ihre einsträngige RNA auch länger als die anderer RNA-Viren. Ein besonderer Reparaturmechanismus schützt diese lange RNA-Kette vor zu vielen falschen Replikationen.

Von Fledermäusen oder von Schuppentieren?

Wie andere Viren können Corona-Viren rekombinieren, wenn unterschiedliche Viren in einer Wirtszelle zusammentreffen. Aber eine Besonderheit der Corona-Viren, die sie besonders gefährlich macht ist, dass es nicht selten vorkommt, dass auch sehr unterschiedliche, genetisch weit voneinander entfernte Corona-Viren in einer Zelle zusammenkommen können und dass dann sehr gefährliche Rekombinanten entstehen. Besonders berüchtigt als Quelle solcher neuen Mischungen sind Fledermäuse, bei denen in einer Art bis zu zwölf verschiedene Coronaviren nachgewiesen werden konnten (Luis et.al 2013 nach Cyranoski 2020). Dabei haben die Fledermäuse offensichtlich einen Mechanismus entwickelt, der sie vor dem Ausbruch durch diese Viren hervorgerufener gefährlicher Krankheiten schützt.

Die zwei bisher aufgetretenen für den Menschen wirklich gefährlichen Coronaviren – SARS-CoV und MERS-CoV (middle east respiratory syndrom) – kommen beide von Fledermäusen. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass auch SARS-CoV2, der Erreger der derzeitigen Pandemie, von Fledermäusen abstammt, zumal es zwischen einem Fledermausvirus und SARS-CoV2 eine 96-%ige genetische Übereinstimmung gibt. Diese naheliegende Vermutung hat jedoch einen Haken: den Coronaviren in Fledermäusen fehlt allen an ihren Spikes eine besondere Proteineinheit (s.u.!), welche den Eintritt in menschliche Schleimhautzellen extrem erleichtert. Diese Proteinstruktur kommt aber bei Coronaviren von Schuppentiere (Fam. Manidae) vor. Die genetische Übereinstimmung des Schuppentier-Virus mit SARS-CoV2 beträgt jedoch nur 90 %. Neuere Arbeiten legen die Vermutung nahe, dass die virulenten Erreger schon vor 140 Jahren von Fledermäusen auf Schuppentiere wechselten. Während sie bei den Fledermäusen die gefährliche Proteinstruktur verloren haben, blieb diese beim Schuppentier erhalten (Cyranoski 2020).

Die unterschiedlichen Krankheitsbilder von  Covid 19

SARS-CoV Viren infizieren die Schleimhäute von Nasenraum und Rachen als auch die des tieferen Lungengewebes. Im ersten Fall kommt es zu leichten bis mittelschweren Erkältungserscheinungen, im zweiten Fall kann die Erkrankung tödlich verlaufen. Auch Patienten,  die zunächst an der leichten Form erkranken, können später noch eine gefährliche Lungeninfektion bekommen, und zwar dann, wenn ihr Immunsystem nicht bei der ersten Infektion Abwehrmechanismen entwickelt, die eine weitere Infektion verhindern. SARS-CoV und MERS-CoV können Rachen- und Nasenschleimhäute nicht infizieren. Mit der Infektion von Nasen- und Rachenschleimhäuten hängt auch zusammen, dass SARS-CoV2 Viren so leicht durch Tröpfcheninfektion übertragen werden können.

Die Speicheltröpfchen sind in Wirklichkeit – zum größten Teil – viel kleiner.

In den Speicheltröpfchen Infizierter befinden sich SARS CoV2-Viren

Ein besonderer Türöffner

Neben der leichten Übertragung durch Tröpfcheninfektion aus den oberen Atemwegen einer infizierten Person macht die Viren besonders gefährlich, dass sie die Membran der Schleimhautzellen sehr leicht überwinden und ihren Inhalt in diese Zellen befördern können. Dafür verantwortlich ist einmal die 8-10 mal höhere Affinität der Spikes zu der Andockstelle (Angiotensin converting enzym 2 ACE2, Wrapp et al. 2020), zum anderen eine besondere Proteinstruktur auf den Spikes, die nicht nur – wie bei den anderen Coronaviren – ein Andocken an bestimmte Proteine der Zellmembranen ermöglicht, sondern auch mit einem weiteren weitverbreiteten Enzym der Zelloberflächen von Epithelzellen, dem Furin, reagiert. Diese Protease spaltet den Kopf der Spikes von der restlichen Struktur ab und ermöglicht dadurch die Freisetzung von Fusionspeptiden, mit deren Hilfe die Proteinlipidmembranen von Virus und Epithelzelle verbunden werden. Ist das Virus erst einmal an eine Zelle angedockt, so ist es sehr wahrscheinlich, dass es auch seinem Inhalt in die Zelle transportieren kann. Wie diese Fusion auf molekularer Ebene genau funktioniert, ist allerdings noch nicht bekannt.

Nach Andocken des Virus an die Wirtszelle spalten Furine den Kopf der Spikes ab und setzen dadurch Fusionspolypeptide frei.
Die Fusionspeptide bewirken eine Verbindung von Virushülle und Wirtszellmembran.
Durch die Verbindung von Virus und Wirtszelle wird die Virus-RNA übertragen.

Mithilfe der Syntheseapparate der Wirtzelle werden die Bestandteile des Virus gebildet und zu neuen Viruspartikeln zusammengesetzt, welche die Wirtszelle verlassen und neue Zellen inizieren können.

Thrombosen und Organschädigungen

Studien aus den Niederlanden und Frankreich weisen darauf hin, dass 20-30 % der anCovid19 erkrankten Patienten Thrombosen entwickeln. Dabei handelt es sich zum Teil um sehr kleindimensionierte Thrombosen in Kapillaren. Eine mögliche Erklärung wäre, dass die Viren Zellen des Gefäßepithels befallen, die auf ihrer Zellmembran ebenfalls ACE2 und Furin tragen. Dadurch könnten die Gefäßinnenwände rauer werden und dies könnte die Bildung von Blutklümpchen begünstigen. Aber auch Effekte der Viren auf das Immunsystem könnten für die Thrombosen verantwortlich sein. Nachgewiesen ist, dass die Corvid19 Viren das Komplementsystem, also die unspezifische Immunantwort, in Gang setzen. Schädigungen von Organen wie Nieren, Leber, Herz und Nervensystem, die ebenfalls mit Corvid19 Infektionen in Verbindung gebracht werden, könnten auch eine Folge solcher Gefäßschädigungen sein.

Impfungen

Als der Erreger der Covid 19 Erkrankung zu Beginn des Jahres 2020 als SARS-CoV 2 identifiziert wurde, begann sofort an vielen verschiedenen Stellen die Entwicklung von und die Suche nach geeigneten Impfstoffen. Nach der Weltgesundheitsorganisation gibt es derzeit (2.Juni 2020) 148 solcher Impfstoffprojekte.

Aktive Schutzimpfung

  • Impfung mit inaktivierten (attenuierten) SARS-CoV-2 Viren
  • Impfung mit gentechnisch modifizierten Viren, die bereits für andere bewährte Impfstoffe verwendet wurden und bei denen man deswegen unerwünschte Nebenwirkungen ausschließen kann, zum Beispiel Vaccinia-Viren (bisher in Impfstoffen gegen Pocken),  humane Adeno-Viren oder Masernviren.
  • Impfung mit aus ausgewählten Genen des Virus in Form von mRNA oder DNA. Nach Injektion in Körperzellen sollen sie diese zur Bildung von ungefährlichen Virusproteinen anregen, die dann den Aufbau des körpereigenen Immunschutzes bewirken. So enthält mRNA-1273  die Erbinformation für einen Bestandteil des Spike-Proteins von SARS-CoV-2. Der Impfstoff bewirkt in Körperzellen die Biosynthese von diesem Protein, das als Antigen wirkt und das körpereigene Immunsystem zur Bildung von Antikörpern gegen das Virus anregt .

Passive Schutzimpfung

Impfung mit Immunglobulinkonzentraten von Personen, die eine Covid 19 Erkrankung überstanden haben. Werden die aus dem Serum isolierten und gereinigten Antikörper einem anderen Coronapatienten injiziert, so erhält er eine „passive Immunisierung“. Diese Impfung wird deshalb teilweise auch als Serum-Therapie bezeichnet. Die übertragenen Antikörper können dabei sofort gegen die Krankheitserreger wirksam werden.

Die Serum-Therapie hat bei der Bekämpfung der Ebola-Epidemie bereits gute Dienste geleistet. Durch ihren Einsatz konnte die Sterblichkeitsrate bei dem Ebolaausbruch im August 2018 in der Demokratischen Republik Kongo um 30 % reduziert werden.

Die passive Schutzimpfung mit Antikörpern aus genesenen Corona-Patienten kommt vor allem für Risikogruppen und für schwer erkrankte Patienten infrage. Sie ist kein Ersatz für eine langfristig wirkende aktive Schutzimpfung, denn sie wirkt in der Regel nur wenige Wochen bis Monate. Es entsteht keine bleibende Immunität gegen den Erreger, da die künstlich zugeführten Antikörper innerhalb von etwa 30 Tagen wieder abgebaut werden.

Spekulationen

Der besonderer Türöffner an den Spikes von SARS-CoV2 ist ein Grund dafür, dass immer wieder spekuliert wird, der besonders gefährliche Keim wäre in einem Labor gezielt hergestellt und absichtlich oder unabsichtlich freigesetzt worden. Dafür gibt es allerdings bisher keinerlei Anhaltspunkte. Aber alleine die Tatsache, dass in Wuhan, der chinesischen Millionenstadt, von der die Epidemie ihren Ausgang nahm, am Wuhan Institute of Virologie seit der SARS-Epedemie von 2003 intesiv an Coronaviren georscht wird, genügt Verschwörungstheoretikern, um hier einen Zusammenhang herzustellen.

Dabei wird auch dem Microsoft-Milliardär Bill Gates, der schon lange vor dem möglichen Ausbruch einer weltumspannenden Pandemie gewarnt hat, eine besonders finstere Rolle zugedacht. Schon vor zehn Jahre kommentierte Gates den überstandenen H1N1-Ausbruch von 2009 mit den Worten: „Wir hatten Glück, dass es nicht schlimmer kam. Denn wir waren fast komplett unvorbereitet.“ Im folgenden wies er in Reden und Artikeln immer wieder auf die Pandemie-Gefahr hin: „Wenn irgendetwas in den nächsten Jahrzehnten mehr als zehn Millionen Menschen tötet, ist das wahrscheinlich ein Virus und nicht ein Krieg“.(2015; nach NZZ 11.04.2020). Diese weise Voraussicht, die sich im Nachhinein als richtig erwies, dient nun Verschwörungstheoretiker dazu, Gates finstere Komplotte zur Errichtung einer Weltdiktatur zu unterstellen. Hat er gar mit chinesischen Virologen zusammengearbeitet mit dem Ziel, als Folge der Maßnahmen gegen die Pandemie eine totale Kontrolle über die Menschheit zu gewinnen? Auch seine Unterstützung der World Health Organisation – nach Ausscheiden der USA mittlerweile der größte Einzelunterstützer – wird in diese Richtung interpretiert.

Im Prinzip ist es tatsächlich problematisch, wenn internationale und nationale staatliche Aufgaben zunehmend von der Unterstützung einzelner Milliardäre abhängig werden. Deshalb ist es sehr schade, dass US-Präsident Trump die Vereinigten Staaten aus der WHO herausnehmen und diese Organisation nicht mehr unterstützen will. Bedenklich ist auch, dass er dies mit ähnlichen Argumenten begründet, wie die Verschwörungstheoretiker: Nachdem er die Maßnahmen Chinas gegen die Coronaepidemie zunächst gelobt hatte, bezichtigt er China nun einer bewussten Täuschung der Weltöffentlichkeit. Der WHO wirft er eine chinafreundliche Politik vor, wohl vor allem, um damit Fehler der eigenen Politik in Sachen Corona zu vertuschen.

Andere Spekulationen, die von allen möglichen „Weltverbesserern“ und Ideologen aufgestellt werden, sind noch wesentlich abstruser. In der TAZ schreibt Arno Frank dazu: „Gefährlich und grotesk wird es, wenn das blinde Huhn beim Stochern drei Körner findet und daraus ein Vollkornbrot backen will:“ (TAZ 23./24.5.2020, S.3).

Weltweite Kooperation

Auch wenn die unter den Begriff „Lock Down“ in vielen Ländern der Erde getroffenen Maßnahmen zur Minderung der Infektionsgefahr nicht immer sinnvoll und manchmal auch überzogen erscheinen mögen, so zeigen sie doch, dass die Menschheit angesichts drohender Gefahren zu gleichsinnigem Handeln in der Lage ist. Es besteht deshalb eine gewisse Hoffnung, dass diese Erfahrungen sich auch auf die Handlungsfähigkeit Hinblick auf den Klimawandel positiv auswirken könnten. Eine erste Chance ergibt sich hier schon bei den gezielten Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung. Im Hinblick auf Klimaziele geforderten Veränderungen der Wirtschaftssysteme könnten in der gegenwärtigen Situation durch gerichtete Förderung leichter in Angriff genommen werden.

Quellen

Cyranoski, D. (2020): Profile of a killer virus. Nature 581, pp. 22-26

Cyranoski, D. (2020): Mystery deepens over animal source of coronavirus. Nature 26.2.2020

Cyranoski, D. (2020): The biggest mystery: what it will take to trace the coronavirus source. Nature 5.6.2020

Probst, W., Schuchardt, P. (Hrsg., 2020): Basiswissen Schule Biologie – Abitur. 5. Auflage. Berlin: Duden

Willyard, C. (2020): Coronavirus blood-clot mystery intensifies. Research begins to pick apart the mechanisms behind a deadly COVID-19 complication. Nature 581, p. 250

Wrapp, D. et al. (2020): Cryo-EM structure of the 2019-nCoV spike in the prefusion conformation.Science 367 (6483), pp.1260-1263

3-D Modell des Coronavirus https://insidecorona.net/de/wie-sieht-das-coronavirus-aus/

https://www.merkur.de/welt/corona-symptome-ansteckungsgefahr-inkubationszeit-fakten-definition-lungenkrankheit-covid-19-erklaerung-13591846.html

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/coronavirus.html

https://www.lungenaerzte-im-netz.de/krankheiten/covid-19/was-ist-covid-19/

https://de.wikipedia.org/wiki/COVID-19

https://www.fr.de/politik/corona-krise-bill-gates-virus-verbindungen-who-verschwoerung-13759001.html

https://www.nzz.ch/wirtschaft/coronavirus-bill-gates-der-mann-der-die-pandemie-kommen-sah-ld.1551317

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/112990/SARS-CoV-2-Erster-Impfstoff-erzeugt-neutralisierende-Antikoerper-in-Phase-1-Studie

https://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/woran-wir-forschen/impfstoffe-zum-schutz-vor-jetzt zwei Auto ,coronavirus-2019-ncov

https://www.dw.com/de/mit-medikamenten-aus-antik%C3%B6rpern-gegen-corona/a-52804320

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https://lehrermarktplatz.de/material/164254/vom-gesprach-zur-pandemie-wie-es-zur-infektion-mit-coronaviren-kommen-kann

Hülsenfrüchtler als Nahrungslieferanten– Eine Ergänzung zu UB 444 „Erbsen, Bohnen und Co.“

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Art Verwendungsform Anbaugebiete Herkunft
Ackerbohne, Pferdebohne, Saubohne, Puffbohne (Vicia faba, früher Faba vulgaris)   Mehl, Schrot, ganze Bohnen als Gemüse früher in Europa sehr verbreitet, durch die Einführung der Neuwelt-Bohnen (Gattung Phaseolus) stark zurückgegangen; Indien, China, Japan Mittelmeerraum bis Vorderer Orient
Adzukibohne (Vigna angularis) reife Samen, grüne Hülsen und Bohnen als Gemüse und Salat Japan, subtropische bis warm- gemäßigt Zonen weltweit Japan, Korea, China
Bambara-Erdnuss, Erderbse (Vigna subterranea, syn.Voandzeia subterranea)   Mehl aus reifen Samen, unreife Bohnen geröstet oder gekocht Afrika Trockengebiete Westafrikas
Bockshornklee (Trigonella foenum-graecum)   Samen als Nahrungsmittel und Tierfutter, Gewürz (z. B. in türkischer Gewürzpaste Çemen), Sprossen (verursachten wg. bakterieller  Verunreinigung EHEC-Epidemie), medizinisch möglicherweise gegen Parkinsonsymptome (Verzögerung der Schädigung dopinerger Nerven) Süd- u. Mitteleuropa, Afrika, Naher Osten, Indien, China, Australien Westasien
Cassie, Röhren-, Purgier-Kassie, Indischer Goldregen (Cassia fistulosa) das harzige Fruchtfleisch der röhrenförmigen Hülsen wird ähnlich wie Lakritz genutzt und ist Bestandteil von Abführmitteln; dient auch zum automatisieren von Tabak Tropen und Subtropen Indien
Catjang-Bohne, Angola-Bohne  (Vigna unguiculata ssp. cylindrica)   Salate, Gemüse (grüne Blätter, junge Hülsen), reife Bohnen (gekocht, geröstet), Mehl, Schrot tropisch-subtropische Gebiete Afrikas u. Asiens Afrika
Erbse (Pisum sativum ) Gemüse (Zuckererbsen:ganze Hülsen), Schrot, Mehl, Kleie (mit Hülsen), weltweit, vor allem in gemäßigten Zonen Mittelasien
Erdbohne (Macrotyloma geocarpum) Samen grün und in reifen Zustand, Snack (mit Salz geröstete Bohnen); Viehfutter Senegal bis Nordnigeria, Nordghana Savannen Westafrikas
Erdnuss (Arachis hypogaea ) Mehl, Schrot, Öl, geröstete Nüsse, Erdnussbutter, in Süßwaren weltweit, tropisch-subtropisch Brasilien
Feuerbohne (Phaseolus coccineus) vor allem reife Samen als Gemüse (wegen der giftigen aber hitzeempindlichen Lektine nur gekocht) weltweit in gemäßigten bis subtropischen Zonen, besonders beliebt im Vorderen Orient und Balkan Südamerika (Anden)
Flügelbohne, Goabohne (Psophocarpus tetragonolobus) alle Pflanzenteile, auch die eiweißreichen Knollen sind essbar, Ölgewinnung Südostasien, Afrika (vor allem im Gartenbau) Afrika, Madagaskar
Gartenbohne (Phaseolus vulgaris) sehr viele Sorten mit unterschiedlich gefärbten und geformten Samen unreife Hülsen („grüne Bohnen“) und reife Samen als Gemüse weltweit mit Schwerpunkt in Asien Mittelamerika und andines Südamerika
Guarbohne (Cyamopsis tetragonobolus) Hülsen als Gemüse und Grünfutter; Guarkernmehl mit Hauptbestandteil des Mehrfachzuckers Guaran als Verdickungsmittel (E 412); technisch für Fracking verwendet Indien und Pakistan, Südwest-USA, Australien, Israel vermutlich Indien
Hamburger Bohne, Samtbohne (Mucuna sloanei) gekochte unreife Hülsen und reife Bohnen als Gemüse;abführend und harntreibend;aus allen Pflanzenteilen kann ein schwarzer Farbstoff gewonnen werden Tropen tropisches Afrika, Süd- und Mittelamerika
Helmbohne, Faselbohne, Lab-Lab-Bohne (Lablab purpureus, syn. Dolichos lablab) grüne Hülsen und unreife Bohnen als Gemüse, reife Bohnen als Gemüse oder Mehl, in Ägypten Gebäck „Tauniah“ (auch aus Vicia faba); Bodenverbesserung und Gründüngung; in Ostasien medizinisch genutzt Ostafrika, Indien Ost- bzw. Nordostafrika oder Indien
Horsegram,“Pferdebohne“ (Macrotyloma uniflorum) Samen als Nahrungsmittel und Tierfutter S.-O.-Asien, Afrika, Australien Südindien
Jackbohne (Canavalia ensiformis, syn. Dolichos ensiformis) junge Hülsen und unreife Bohnen als Gemüse, reife Samen nach entwässern und langem Erhitzen als Gemüse subtropische und tropische Gebiete weltweit Mittel und Südamerika
Johannisbrot (Ceratonia siliqua) Frucht wird frisch oder getrocknet verzehrt, zu Saft gepresst, zu Sirup verarbeitet oder zu alkoholischem Getränk vergoren, das getrocknete Fruchtfleisch wird auch zu Carobpulver vermahlen und wie Kakaopulver genutzt; die Samen liefern ein technisch genutztes Verdickungsmittel, Carubin oder Johannisbrotkernmehl (E 410) Mittelmeergebiet, insbesondere Spanien einschließlich der Balearen Mittelmeergebiet und Vorderasien
Juckbohne (Mucunia pruriens) in den Tropen weit verbreitete Futterpflanze (Heu, Silage), Bohnen geröstet als Kaffeeersatz, als Gemüse nur nach langem Einweichen und Kochen, da roh giftig (Alkaloide) Heilpflanze, z. B. gegen Parkinson; Haare für Juckpulver Tropen Ostindien,Sikkim, Kaschmir
Kichererbse, Echte Kicher, Römische Kicher, (Cicer arietinum) Trockenerbsen, geröstete Erbsen, Mehl, Schrot vorwiegend Trockengebiete vom Mittelmeergebiet bis Asien Kleinasien bis Nordindien
Knollenbohne, Yambohne (Pachyrhizus tuberosus) Wurzelrübe wird roh oder gekocht gegessen, übrige Pflanzenteile sind giftig Südamerika, S.-O.-Asien, Afrika nördliches Südamerika
Knollenbohne, Andine (Pachyr(r)hizus ahipa) wie vorige Art tropisch weltweit (wird aber nur noch wenig angebaut) Gebirgsregionen Mittel und Südamerikas
Kuhbohne, Augenbohne (Nabel augenartig) Vigna unguiculata ssp. unguiculata, syn. V. sinensis)   Gemüse (grüne Blätter, junge Hülsen), Sprossen; reife Bohnen (gekocht, geröstet), Mehl, Schrot, USA: Konserven „southern pea“; v. a. Afrika (Nigeria), N.Amerika, wenig in Asien, Europa Ostafrika
Limabohne, Mondbohne (Phaseolus lunatus) Samen als Gemüse Süd- u. Mittelamerika,N.-Amerika bis Rio Grande Mittelamerika und andines Südamerika
Linse (Lens culinaris) ganze Samen (Gemüse, Suppe), Mehl (medizinisch als „Heil- oder Kraftmehl“); Sprossen; zahlreiche unterschiedliche Sorten:   Tellerlinsen. …   Belugalinsen. …   Berglinsen. …   Rote Linsen. …   Pardinalinsen. …   Gelbe Linsen. …   Chateaulinsen. …   Grüne LInsen aus Le Puy Mittelmeergebiet, Orient Mittelmeerraum bis Mittelasien
Linsen-Wicke, Bitter-Wicke, Steinlinse, Ervilie (Vicia ervilia , syn= Ervum ervilia)   Grünmasse als Futter, der giftige Bitterstoff der Bohnen kann durch Dämpfen und Auswaschen entfernt werden, Mehl für medizinische Zwecke früher im Mittelmeerraum und bis Mitteleuropa, heute wenig angebaut östlicher Mittelmeerraum
Lupine, Anden- (Lupinus mutabilis) entbittertes Mehl als eiweißreicher Zusatz in Backwaren, Wurst und Nudeln; in Europa vor allem für Tierfutter; Snack Südamerika, subtropische bis warm- gemäßigt Zonen weltweit Südamerika (Anden- Hochland)
Lupine, Gelbe (Lupinus luteus) Bohnen vor allem als Snack im Mittelmeergebiet und in Lateinamerika Mittelmeergebiet, Lateinamerika Mittelmeerraum
Lupine, Schmalblättrige, Blaue Lupine (Lupinus angustifolius) erst nach Züchtung alkaloidarmer Sorten als Futter- und Nahrungsmittel nutzbar; Snack Australien, Neuseeland, Südafrika, in Europa unbedeutend Mittelmeerraum, Iberische Halbinsel, eventuell auch Palästina
Lupine, Weiße (Lupinus albus) Mehl, Schrot, Bohnen; ähnliche Nutzung wie Sojabohne (Eiweiß, Öl, Grünfutter); Snack (span.“Altramuces“,ital.“Lupini“) Mittelmeerländer, subtropische bis warm- gemäßigt Zonen weltweit Mittelmeergebiet
Mattenbohne, Mottenbohne (Vigna aconitifolia)   ganze oder halbierte Bohnen als Gemüse gekocht oder fritiert Indien, Sri Lanka, asiatische Trockengebiete Indien
Mungobohne , „Green Gram“ (Indien) (Vigna radiata)   ganze oder halbierte Bohnen als Gemüse gekocht oder frittiert, Mehl für verschiedene Gerichte, z. B. Glasnudeln; grüne Bohnen als Salat oder Gemüse, Sprossen Indien, China, Australien , USA Indien
Pferdebohne, Horsegram (Macrotyloma uniflorum syn. Dolichos uniflorum) reife Bohnen vor allem als Viehfutter aber auch für die menschliche Ernährung Indien Südindien
Platterbse, Saat-, Kicherling, (Lathyrus sativus) Mehl, Schrot, Gemüse Europa (v.a. Mittelmeergebiet), W-Asien Mittelasien (pontisch-kaspisch)
Reisbohne (Vigna umbellata) trockene Bohnen werden wir Reis zubereitet; grüne Hülsen und junge Bohnen als Gemüse und Salat, Sprossen Südostasien, Indien Zentralchina bis Malaysia
Schabziger-Klee; Brotklee (Trigonella caerulea) Gewürz, v.a. zur Herstellung des Schabziger-Käses (Kräuterkäse,Schotterkäse,Grüner Käse) Alpenraum, v. a. Schweiz, Südtirol, Ursprungsart T. .procumbens im östlichen Mittelmeergebiet und Kaukasus
Schwertbohne (Canavalia gladiata) reife Körner müssen wie bei der Jackbohne entgiftet werden subtropische und tropische Gebiete weltweit Südasien und Afrika
Senegal-Akazie (Senegalia senegal) Gummi arabicum (Harz), Verdickungsmittel,Bindemitte und Stabilisator in Nahrungsmitteln und Getränken, aber auch in Kosmetikartikel, Farben u.a. (E 414) nicht kultiviert Wüsten- und Halbwüstengebiete südlich der Sahara, v. a. Senegal
Sojabohne (Glycine max) Mehl, Schrot, Öl, Soßen, Gemüse (ganze Pflanze oder grüne Hülsen, jap. Edamame), Gewürz weltweit von Tropen bis in gemäßigte Zonen Ostasien
Spargelbohne, Langbohne, Augenbohne, Schlangenbohne (Vigna unguiculata  ssp. sesquipedalis) Salate, Gemüse (grüne Blätter, junge Hülsen), aus reifen Bohnen Mehl Indien, China, Ost- und Südostasien, Ostafrika, Karibik Afrika (?)
Straucherbse (Cajanus cajan) ganze oder halbierte Bohnen als Gemüse gekocht oder fritiert, Blätter für Salat und Gemüse; vielseitige Anwendung in traditioneller Heilkunde Tropen, Subtropen Indien, möglicherweise auch Ostafrika
Süßholz, Echtes (Glycirrhiza glabra) eingedickter Wurzelsaft zur Lakritzherstellung, Heilwirkung bei Magenentzündung und als Schleimlöser Vorderer Orient, früher auch in Mitteleuropa (heute noch von Bamberger Süßholz-gesellschaft) Mittelmeerregion und Westasien
Tamarinde, Indische Dattel, Sauerdattel (Tamarindus indica) im Nahen Osten wird aus dem Fruchtfleisch Limonade hergestellt; in Thailand und Mexiko werden kandidierte Früchte als Konfekt gegessen; die Samen werden gekocht und geröstet und zu Mus gestampft (Tamarindenmark); gemahlene Samen dienen auch als Geliermittel Tropen und Subtropen Afrika
Teparybohne (Phaseolus acutifolius) junge Hülsen als Gemüse, reife Samen in Suppen v.a. Mexiko nördliches Mexiko
Tragant (Astragalus gummifer u.a.Arten) Harz (Traganth) dient als Verdickungs- und Bindemittel (E 413) kaum kultiviert West- und Vorderasien, Iran bis Türkei
Turibaum, Kolibribaum (Sesbania grandiflora) Gemüse, Grünfutter, Harze und Gerbstoffe, v. a. für lokale Nutzung Tropen SO-Asien
Urdbohne, Linsenbohne, „Black Gram“ (Indien) (Vigna mungo)   reife Bohnen gekocht, Mehl für Suppen, Brei,in Brot und Backwaren,Papadam-Fladen; grüne Hülsen als Gemüse Indien, Südostasien, Australien Indien
Wicke, Einblütige, Wicklinse, Algaroba-Linse (Vicia articulata)   Gewinnung von Grünmasse (Futter, Düngung), Bohnen für Suppen und Gemüsebrei früher im Mittelmeerraum und bis Mitteleuropa, heute wenig angebaut Mittelmeerraum, Südwestasien
Wicke, Saat-, Futter-Wicke (Vicia sativa )   Gewinnung von Grünmasse (Futter, Düngung), Bohnen selten für menschliche Ernährung weltweit von Subtropen bis in gemäßigte Zonen Europa,Vorderasien
Wicke,Narbonner;  Maus-Wicke, Schwarze Ackerbohne (Vicia narbonensis) wie Ackerbohne, aber geringere Erträge Mittelmeerraum einschließlich Nordafrika, Vorderer Orient Mittelmeerraum
Yambohne, Afrikanische; Knollenbohne (Sphenostylis stenocarpa, syn. Dolichos stenocarpus) Samen und Knollen; die Bohnen werden gemahlen, geröstet oder eingeweicht und gekocht Afrika mit Schwerpunkt Westafrika Afrika südlich der Sahara
Yambohne, Yam bean (Pachyr(r)hizus erosus und P. tuberosus.) stärkereiche Knollen; Samen und Hülsen werden teilweise verwendet, enthalten aber Giftstoffe tropisch subtropische Gebiete weltweit Mittel- und Südamerika

Frühe Evolution und Symbiose

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Was ist Leben? Wie ist Leben entstanden? Wie hat sich Leben entwickelt? Diese Fragen sind alt, es werden immer wieder neue Antworten gefunden, aber wirklich beantwortet sind sie noch nicht. Hier soll ein Aspekt besonders betrachtet werden, dessen Bedeutung für die Entstehung und erste Entwicklung des Lebens und der Lebewesen auf der Erde erst in den letzten Jahrzehnten allgemein anerkannt wurde, die Symbiose.

Die Einteilung der Lebewesen

Die Vielfalt der Lebewesen wurde traditionell in „Pflanzen“ und „Tiere“ eingeteilt. Schon LINNÉ verteilte alle Lebewesen auf diese beiden „Reiche“. In der makros­kopischen Welt fällt es uns im allgemeinen auch nicht schwer, ein Lebewesen als Pflanze oder Tier zu erkennen. Auch nachdem man mit Hilfe von Mikroskopen die Welt der Mi­kroorganismen immer besser kennenlernte, behielt man lange Zeit diese Eintei­lung bei. So wurden Einzeller zu den Tieren gerechnet, wenn sie kein Chlorophyll ent­hielten und keinen Kohlenstoff assimilieren konnten. Zu den Pflanzen rechnete man die Einzeller mit Chloroplasten. Manche, wie etwa die „Augentierchen“ (Euglena), brachten sowohl Zoologen als auch Botaniker in ihren Systemen unter.

Aber in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde immer deutlicher, dass der grundlegendste Unterschied zwischen den Lebewesen nicht  „Tier“ oder „Pflanze“ sondern die Organisation der einzelnen Zellen ist. Bei den „Kernlosen“ sind die Zellen wesentlich einfacher gebaut. Sie enthalten keinen Zellkern und es fehlen ihnen viele typische Zellorganelle. Bei den „Kernhaltigen“  sind außer den Zellkernen auch noch andere typische Zellorganelle, insbesondere Mito­chondrien, Plastiden, Zentriolen, Geißeln usw., in den Zellen enthalten und sie sind durch ein komplexes inneres Membransystem kompartimentiert. Die für diese unterschiedlichen Organisationstypen eingeführten Begriffe „Prokaryoten“ und „Eukaryoten“ gehen auf den französischen Mikrobenforscher Edouard Chatton zurück, der die Namen in einer Veröffentlichung von 1937 verwendete (Katscher 2004). Doch erst 25 Jahre später gewannen diese Bezeichnungen auf Grund einer Arbeit von Stanier und van Niel (1962) allgemeine Akzeptanz und wurden auch in Lehrbüchern übernommen.

In den 1970 er Jahren untersuchte der amerikanische Mikrobiologe Carl Woese die Verwandtschaftsbeziehungen innerhalb der Bakterien durch Vergleich der ribosomalen RNA. Dabei fand er heraus, dass es zwei grundlegend unterschiedliche Typen von Prokaryoten gibt, die er zunächst als Bakterien und Archaebakterien bezeichnete. Aufgrund der großen Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen und der teilweisen Ähnlichkeit der Archaebakterien mit den Eukaryoten schlugen er und andere (Woese, Kandler, Wheelis 1990) später vor, eine Dreiteilung der Lebewesen in die drei Domänen Archaea, Bacteria und Eukarya vorzunehmen. Dieses Drei-Domänen-Konzept setzte sich allmählich durch, obwohl es auch starke Gegner gab, zum Beispiel den Evolutionsbiologen Ernst Mayr (1998) und die Wiederentdeckerin der Endosymbiontentheorie Lynn Margulis (1998).

Aus Tiefsee-Geothermalquellen wurden 2010 Sedimente entnommen, in denen man in den folgenden Jahren Archäen nachweisen konnte, die sich deutlich von den bisher bekannten Archäen unterscheiden. Vergleichende Untersuchungen der Genome von Lokiarchaeum und von Eukaryoten deuten auf einen gemeinsamen phylogenetischen Ursprung, eine Monophylie, hin. Das würde bedeuten, dass die Eukarya eine Schwestergruppe der Lokiarchaeota innerhalb der Archaea, sind, dass es also aus kladistischer Sicht nur zwei Domänen Bacteria und Archaea gibt (Spring et al. 2015; Zaremba-Niedwiedzka et al. 2017).

Einteilung der Lebewesen. A, nach Zellen ohne Kern und Zellen mit Kern; B die Kernlosen bestehen aus zwei sehr unterschiedlichen Gruppen; C drei Domänen; D die Kernhaltigen sind Teil der Archäen (Grafik W.Probst)

Urzelle oder Ursuppe?

Allen Lebewesen gemeinsam sind eine Zellstruktur, DNA, der genetische Code sowie mRNA, tRNA und eine durch Ribosomen vermittelte Übersetzung (Translation) des Nukleinsäurecodes in Proteine. Dies spricht dafür, dass alle Lebewesen von einem gemeinsamen Vorfahr abstammen (last universal common ancestor LUCA). Wenn sich alle heute lebenden Arten auf  eine Ursprungsart zurückführen lassen, könnte man Rückschlüsse auf die Eigenschaften dieses Urahnen ziehen, wenn man in den Genomen Nukleinsäurenabschnitte finden würde, die allen heutigen Lebewesen gemeinsam sind.  Eine Analyse von 6,1 Mill. Protein-codierender Gene von sequenzierten prokaryotischen Genomen hat zu der Schlussfolgerung geführt, dass LUCA ein anaerober, CO2– und N2-fixierender, H2-abhängiger thermophiler Prokaryot war und danach an einer an CO2, H2 und Eisen reichen Hydrothermalquelle lebte (Weiss et al. 2016). Diese Ergebnisse sind jedoch nicht ganz unumstritten, da nicht immer eindutig geklärt werden kann, welche Gene wirklich ursprünglich sind und welche durch horizontalen Gentransfer später erworben wurden.

Die Bedeutung des horizontalen Gentransfers bzw. des Austauschs und der Aufnahme von Nukleinsäuremolekülen durch frühe, zellulär organisierte Lebewesen  könnte  so stark gewesen sein, dass die Gene in einem Urzustand des Lebens noch nicht sehr eng an bestimmte zelluläre Lebewesen gekoppelt sondern eher Allgemeingut waren. In einer solchen „Ursuppe“ existierten zelluläre Elemente (Protocyten) neben freien RNA- und DNA-Molekülen (Ribozyme, Viroide) und Virus-ähnlichen Partikeln (Virionen, von Proteinhüllen umgebene Nukleinsäuremoleküle).  Zwar wurde lange Zeit angenommen, dass Viren erst entstehen konnten, nachdem es zelluläres Leben gab, da sie auf den Proteinsyntheseapparat von Zellen angewiesen sind. Aber die Entdeckung von Riesenviren (Mimivirus) hat diese Ansicht ins Wanken gebracht. Diese 2003 beschriebenen bakteriengroßen Viren aus Amöben haben zwar auch keine eigenen Ribosomen aber doch ein sehr komplexes Genom, das auch Gene enthält, die man vorher nur von zellulären Organismen kannte (La Scola et al. 2003).

„Ursuppe“ aus zellulären Elementen (Protocyten) neben freien RNA- und DNA-Molekülen (Ribozyme, Viroide) und Virus-ähnlichen Partikeln (Virionen, von Proteinhüllen umgebene Nukleinsäuremoleküle) und Proteinen, strukturiert durch anorganische Kompartimente (Grafik W.Probst)

Ein Austausch und eine Aufnahme von Nukleinsäureabschnitten durch Zellen und Virionen hätte zunächst die Ausbildung spezifischer Zelltypen, die in „darwinschen Wettbewerb“ miteinander treten konnten, verhindert. Der heute noch weitverbreitete horizontale Genaustausch bei Bakterien und Archäen wäre dann ein Relikt dieses Anfangszustandes.

Nach dieser Vorstellung wäre es auch möglich, dass Bakterien und Archäen sich nicht auf eine gemeinsame Protocyte zurückführen lassen, sondern dass ihre Wurzeln auf unterschiedliche Vorläuferzellen der Ur-Lebensgemeinschaft zurückgehen.

Entwicklung von Archäen und Bakterien ohne LUCA (Grafik W.Probst)

LECA und Mitochondrien

Die meisten neueren Untersuchungen deuten drauf hin, dass die erste eukaryotische Zelle (last eukaryotic common ancestor LECA) durch die Aufnahme eines α-Proteobakteriums durch ein Archaeum, vermutlich aus der Asgard-Gruppe (Eme et al. 2017, Zaremba-Niedzwiedzka et al. 2017), entstanden ist. Für diesen symbiotischen Weg zur ersten eukaryotischen Zelle gibt es zwei unterschiedliche Hypothesen.

Zwei Wege zur eukaryotischen Zelle (Grafik W.Probst)

Nach der traditionellen Vorstellung haben sich in der Archäenzelle als Voraussetzung für die Aufnahme des Proteobakteriums zunächst ein Großteil der für die Eukaryotenzellen typischen komplizierteren Innenstrukturen entwickelt, insbesondere das Cytoskelett, die Kernmembran und die Fähigkeit zur Phagocytose. Dann wurden α-Proteobakterien zunächst als Nahrung aufgenommen. Einige Bakterien widerstanden der Verdauung und wurden zu Endosymbionten, gut geschützt in der Wirtszelle, die vor allem von dem überschüssigen ATP ihrer Mieter profitierte. Die Endosymbionten gaben ihre Selbstständigkeit immer mehr auf, indem Gene aus ihrem Genom in das Wirtszellengenom verlagert wurden (Endosymbiontischer Gentranfer EGT). So entwickelten sich aus den endosymbiontischen Bakterien allmählich Organelle. Nach dieser Vorstellung betrieben die aufgenommenen α-Proteobakterien bereits eine aerobe Atmungskette, bei der als Endprodukte außer ATP CO2 und H2O gebildet wurden.

Eine Alternative Vorstellung geht davon aus, dass die symbiontische Zusammenarbeit von α-Proteobakterien und Archäen unter anaeroben Verhältnissen begann und dass die Archäen noch keine Eukaryoten-Innenstrukturen hatten. In einer sauerstofffreien Umgebung nutzten methanogene Archäen von zumindest fakultativ anaeroben α-Proteobakterien produziertes CO2 und H2 für die Energiebereitstellung durch Reaktion dieser Ausgangsstoffe zu Methan. Je größer die Berührungsflächen der beiden verschiedenen Prokaryoten-Zellen, desto effektiver konnte der Stoffaustausch sein. Dies führte schließlich dazu, dass das α-Proteobakterium ganz von dem Archaeum umschlossen wurde. Die weitere Entwicklung des Archaeums zur Eucyte und des Endosymbionten zum Mitochondrium verlief parallel.

Es spricht vieles dafür, dass sich das intrazelluläre Membransystem einschließlich der Kernmembran dabei vom Endosymbionten ausgehend ausgebildet hat, und zwar durch Abschnürung von Vesikeln von der äußeren Zellmembran des gramnegativen Bakteriums (Gould, Garg, Martin 2016). So entstanden allmählich die verschiedenen membranumschlossenen Kompartimente der Eucyte: die doppelte Kernmembran, das Endoplasmatische Retikulum, der Golgi-Apparat und verschiedene Membranbläschen wie Lysosomen und Peroxisomen. Ein Argument für diesen Weg ist, dass die umhüllende Zellmembran der Eukaryoten, obwohl ursprünglich aus einer Archäenzelle hervorgegangen, in ihrem Aufbau mehr einer Bakterienzellmembran entspricht. Bei Archäen sind die Fettsäuren nicht – wie bei Bakterien oder Eukaryoten – verestert. Sie bilden Glyceroldiether oder sogar Bis-Glycerol-Tetraether (einschichtige Membran, Monolayer) und statt einfacher, unverzweigter Fettsäuren kommen oft verzweigte Ketten vor. Der Austausch dieser Glycerolether gegen Glycerolester könnte dadurch zustande gekommen sein, dass die äußere Zellmembran allmählich durch den Einbau von Membranvesikeln des Endosymbionten umgebaut wurde.

Eine weitere Stütze dieser Entstehungshypothese der Eukaryoten bilden die sogenannten Hydrogenosomen, ATP-bildende Organellen, die in anaerob lebenden Protisten und anderen niederen, in sauerstofffreiem Milieu existierenden Lebewesen vorkommen. Ihre Homologie mit Mitochondrien hat man erst durch Genomanalysen festgestellt. Die meisten Hydrogenosomen enthalten zwar keine DNA, aber in den Kernen der zugehörigen Organismen konnte man Mitochondriengene nachweisen. Anders als bei Mitochondrien dienen bei Hydrogenosomen zur ATP-Bildung nicht Sauerstoffmoleküle sondern Wasserstoffionen (Protonen) als Elektronenakzeptoren. Dabei wird CO2, H2 und Acetat freigesetzt.

ATP-Bildung in Hydrogenosomen (aus Wikipedia)

Nach der ersten Entstehungshypothese müsste man annehmen, dass sich die Hydrogenosomen durch Reduktion aus aeroben Mitochondrien entwickelt haben. Geht man davon aus, dass es sich um den ursprünglichen Zustand handelt und dass sich die Mitochondrien aus Hydrogenosomen entwickelt haben, wäre dies eine Stütze der zweiten Entstehungshypothese.

Für beide Vorstellungen gilt, dass im Laufe der Endosymbiose immer mehr Gene aus dem α-Protobakterium in das Wirtszellengenom übertragen wurden (EGT). So entstand schließlich das Mitochondrium, ein Zellorganell, das nur noch wenige eigene Gene  – bei menschlichen Mitochondrien 37 (Archibald 2014) – und einen stark reduzierten Proteinsynthese-Apparat besitzt. Die meisten Mitochondrien-Proteine werden im Cytosol produziert und über spezielle Membranproteine in die Mitochondrien transportiert.

Plastiden

Auch für die Chloroplasten und alle verwandten, insgesamt als Plastiden bezeichneten  Zellorganelle ist heute unbestritten, dass sie durch Endocytosymbiose entstanden sind. Dabei kann man zwischen primärer und sekundärer Endocytosymbiose unterscheiden. Bei der primären Endocytosymbiose wurden Cyanobakterien von eukaryotischen Zellen aufgenommen, bei der sekundären Endocytosymbiose bereits Plastiden enthaltende eukaryotische Zellen. Man kann drei Organismengruppen unterscheiden, deren Plastiden auf primäre Endocytosymbiose zurückzuführen sind:

  • die Chlorophyta mit Chloroplasten (Grünalgen einschließlich der grünen Pflanzen)
  • die Rhodophyta mit Rhodoplasten (Rotalgen)
  • die Glaucophyta mit blaugrünen Plastiden (übersetzt „Blaugraue Algen“, nicht zu verwechseln mit dem alten Begriff „Blaualgen“ für Cyanobakterien; kleine Gruppe einzelliger Algen)

Die Plastiden der Glaucophyta sind den Cyanobakterien noch sehr ähnlich. Sie werden deshalb auch als Cyanellen bezeichnet. Wie die Zellen der Cyanobakterien enthalten sie Phycobilisomen als Photosynthese-Antennen. Zwischen den beiden Zellmembranen existiert noch eine dünne Peptidoglycanschicht, die typische Zellwandsubstanz der Bakterien. Das Genom ist allerdings durch EGT schon sehr stark verkleinert auf etwa ein Zehntel der Größe eines frei lebenden Cyanobakteriums.

Phycobilisom – Lichtsammelkomplex in den Photosynthesemembranen von Cyanobakterien, Glaucophyta und Rhodophyta (W.Probst nach G.Richter aus Kadereit 2014)

Die Plastiden der Rhodophyta enthalten ebenfalls Phycobilisomen als Fotosynthese-Antennen aber keine Peptidoglycanschicht. Charakteristisch sind  als zusätzliche Pigmente Phycobiline (offenkettigen Tetrapyrrole) wie Phycocyan und Phycoerythrin, die für die häufig rötliche Färbung der Rotalgen verantwortlich sind.

Rhodoplast der Rotalgen mit Phycobilisomen auf den Thylakoiden; rechts einzellige (oben) und vielzellige (unten) Beispiele für Rhodophyta (W. Probst nach versch. Vorlagen)

Die Chlorophyta enthalten Plastiden ohne Phycobilisomen und Peptidoglycanschicht. Charakteristisch für ihre Chloroplasten sind geldrollenartig gestapelte Doppelmembran-Pakete (sogenannte Grana).

Wichtigstes Fotosynthese-Pigment in den Plastiden aller drei Gruppen ist Chlorophyll a. Bei den Chlorophyta kommt außerdem Chlorophyll b vor.

Aufgrund von Fossilfunden und molekulargenetischen Daten vermutet man, dass die endosymbiotische Aufnahme von Cyanobakterien durch eukaryotische, mitochondrienhaltige Einzeller vor etwa 1,5 Milliarden Jahren stattfand (Parfrey, L. W. et al. 2011). Man nimmt an, dass die Cyanobakterien durch Phagocytose als Nahrungspartikel aufgenommen wurden. Dabei werden die aufzunehmenden Nahrungspartikel von einer Phagocytose-Membran umhüllt, in welche Verdauungsenzyme abgegeben werden (Endosomen). Die heutigen Plastiden haben nur die zwei auf die Cyanobakterien zurückgehenden Außenmembranen. Von der „Verdauungsmembran“ der eukaryotischen Zelle ist nichts übrig geblieben.

1 eukaryotische Zelle und Cyanobakterium; 2 beginnende Phagocytose; 3 Cyanobakterium in Endosom; 4 auf dem Weg zum Organell: Endosomenmembran verschwunden, Cyanobakterien-DNA durch EGT reduziert (Grafik W. Probst)

Auch bei den Plastiden ist vom ursprünglichen Genom des Cyanobakteriums nur ein Bruchteil im Organell zurückgeblieben. Von 2000-12.000 Genen bei Cyanobakterien sind in Plastiden noch 60-200 nachzuweisen (Archibald 2014 nach Dragan et al. 2013). Umgekehrt findet sich aber eine beachtliche Anzahl von Cyanobakterien-Genen in den Zellkernen der Plastiden-haltigen Eukaryoten. Bei einer Untersuchung der Modell-Landpflanze Acker-Schmalwand konnten Martin et al. (2002) etwa 4500 der 25.000 Gene der Pflanze auf einen cyanobakteriellen Ursprung zurückführen. Dabei muss natürlich berücksichtigt werden, dass bei den Genomen der Pflanzen Verdopplungen von Teilen oder ganzen Genomen eine wichtige Rolle gespielt haben. Dabei wurden auch die von Cyanobakterien stammenden Gene verdoppelt. Überraschend war, dass nur etwa 50 % dieser Gene für Proteine zu codieren scheinen, die mit Funktionen im Chloroplasten zu tun haben. Ähnliche Verhältnisse konnten später auch für andere Plastiden-haltige Eukaryoten festgestellt werden. Daraus lässt sich erkennen dass der Vorgang der Endocytosymbiose und der damit verbundene endosymbiontische Gentransfer (EGT) weit über die Photosynthesefunktion hinausgehende Folgen hatte. Das Ergebnis waren völlig neue Organismen!

Aufgrund der deutlichen Unterschiede der Plastiden von Glaucophyta, Rhodophyta und Chlorophyta liegt die Vermutung nahe, dass ihrer Entstehung drei getrennte Endosymbiosen zugrunde liegen. Durch molekulargenetische Untersuchungen konnte diese ursprüngliche Annahme jedoch nicht bestätigt werden. Die Restgenome aller drei Plastiden-Typen zeigen große Übereinstimmung. Außerdem treten bestimmte für die Chloroplastenmembran-Durchlässigkeit wichtige Proteine, die von den Kernen der Algenzellen gebildet werden, bei allen drei Gruppen auf. Man nimmt deshalb an, dass es einen gemeinsamen Vorfahr gab und dass die Endosymbiose zur Bildung der Chloroplasten nur einmal stattgefunden hat (Archibald 2014 nach Martin et al. 1998, Turner et al. 1999, McFadden,van Dooren 2004). Glaucophyta, Rhodophyta und Chlorophyta werden deshalb in der phylogenetischen Systematik als Monophylum angesehen und als Archaeplastida bezeichnet.

Sekundäre Plastiden

Schönaugengeißler (Euglena viridis) und einer seiner Chloroplasten (W. Probst nach versch. Vorlagen)

„Augentierchen“ (besser Augengeißler, Euglena viridis), einzellige, schnell schwimmende grüne Algen, die man in Tümpeln und Pfützen finden kann, faszinierten schon die ersten Mikroskopiker. Da ihre Chloroplasten Chlorophyll a und b enthalten, wurde lange Zeit angenommen, dass sie zu den Grünalgen (Chlorophyta) gehören. Erst eine gründliche Untersuchung durch die Algenforscherin Sarah Gibbs führte zu der erstaunlichen Erkenntnis, dass die Chloroplasten von Euglena aus einer endosymbiontischen Grünalge hervorgegangen sind (Gibbs 1978), die Augentierchen selbst aber in eine völlig andere Verwandtschaftsgruppe gehören. Anlass für die genaue Untersuchung war, dass die Chloroplasten – wie schon länger bekannt – nicht von zwei sondern von drei Membranen umgeben waren.

Bei verschiedenen anderen Algen kommen sogar Plastiden mit 4 Membranhüllen vor. In solchen von vier Membranen umgebenen Plastiden von Schlundgeißlern (Cryptophyta) wurden zwischen den zwei äußeren und den zwei inneren Membranen Nukleinsäure- haltige Körper entdeckt, die man als Reste von ehemaligen Zellkernen der endosymbiontischen Eukaryoten identifizieren konnte und die man deshalb als „Nucleomorphe“ bezeichnet. Bei der zweiten Endosymbiose kam es – genauso wie bei der ersten – zu einem endosymbiontischen Gentransfer. Bei vielen Algen wie Euglena, Kieselalgen und großen Braunalgen (Tangen) ist der Kernrest der aufgenommenen eukaryotischen Alge vollständig verschwunden, d. h. die Gene wurden vollständig in den Wirtskern integriert, aber an den drei oder vier Hüllmembranen der Plastiden kann man erkennen, dass diese das Ergebnis von zwei Endosymbiosen sind.

Schlundgeißler (Cryptophyceae) mit 4 Hüllmembranen um seine Plastiden und einem Kernrest (Nucleomorph) zwischen den beiden äußeren und den beiden inneren Membranen (W. Probst nach versch. Vorlagen)

Die Chomatophoren der Schlundgeißler haben sich aus endosymbiontischen Rotalgen entwickelt. Dies gilt auch für andere Algen mit bräunlichen oder gelblichen Chromatophoren aus der Verwandtschaftsgrupp der Heterokontophyta, zum Beispiel für die Kieselalgen, die Goldalgen und die Braunalgen.

Eine  weitere Algengruppe mit sekundären Chloroplasten, die auf Grünalgen zurückgehen, sind die Chlorarachniophyta, amöboide Eukaryoten aus der Gruppe der Rhizaria. Ihre Chloroplasten sind ebnfalls von vier Hüllen umgeben und sie enthalten Nukleomorphe. Auch sie wurden früher zu den Grünalgen gerechnet. Sie sind zwar zur Photosynthese fähig, aber wie chlorophyllfreie Amöben ernähren sie sich auch durch Phagocytose von Bakterien und kleinen Einzellern.

Bei Dinoflagellaten kennt man auch tertiäre Endocytobiosen, bei denen eine einzellige Alge aus der Gruppe der Cryptophyta als Endosymbiont aufgenommen wurde.

Auf dem Weg zur Chloroplastenbildung

Die Schalenamöbe Paulinella chromatophora  hat eine ellipsoide oder birnenförmige aus spiralig angeordneten Silikatplatten zusammengesetzte Schale. Sie lebt zwischen Wasserpflanzen oder im oberflächlichen Sediment von Süßgewässern. In ihrem Inneren enthält sie zwei wurstförmige blaugrüne Körper, die man zunächst als Chromatophoren bezeichnete. Durch molekulargenetische Analysen konnten sie als Abkömmlinge Blaugrüner Bakterien der Gattungen Synechococcus  bzw. Prochlorococcus identifiziert werden. Die Aufnahme dieser Endosymbionten, die mit den Vorfahren der Plastiden nicht näher verwandt sind, liegt bei weitem nicht so lange zurück wie bei den Plastiden. Die Endosymbiose ist zwar schon weit fortgeschritten, sodass weder Paulinella noch ihre Chromatophoren für sich alleine lebensfähig sind. Sie enthalten noch 867 Proteine codierende Gene, was etwa einem Viertel des Genoms von frei lebenden Synechococcus-Arten entspricht. Die Genanalyse des Wirtsgenoms zeigte, dass hier schon  Endosymbionten-Gene enthalten sind. Es konnte auch eindeutig nachgewiesen werden, dass vom Kern codierte Proteine in die Chromatophoren transportiert wurden. Man kann sagen, dass diese Endosymbionten bereits auf dem Weg zum Organell sind. Sie werden deshalb von manchen Forschern auch schon als Chloroplasten oder Plastiden bezeichnet. Aufgrund der genetischen Untersuchungen vermutet man, dass die Endosymbiose von Paulinella etwa 100 Millionen Jahre alt ist (Archibald 2014).

Der zu den Glomeromyceten zählende Pilz Geosiphon pyriforme ist anders als die übrigen Vertreter dieser Pilzklasse kein Mykorrhizapilz, aber er enthält endocytosymbiontische Blaugrüne Bakterien der Gattung Nostoc. Bisher kennt man keine andere Pilzart mit endosymbiontischen Cyanobakterien. Der photosynthetisch aktive Symbiosepartner wächst in blasenförmigen Erweiterungen der Pilzhyphen, die etwa 1 x 1,5 mm groß sind. Geosiphon ist ohne seine Endosymbionten nicht lebensfähig, der Endocytosymbiont Nostoc punctiforme kann dagegen auch frei lebend gedeihen. Frei lebende Nostoc-Fäden aus wenigen Zellen werden von den Pilzhyphen in einem bestimmten Entwicklungsstadium des Pilzes über Endocytose aufgenommen. Nach der Aufnahme wachsen die Pilzhyphen zu den makroskopisch erkennbaren Blasen aus, in denen sich die aufgenommenen Nostoczellen vermehren. Außer normalen Zellen bildet Nostoc auch Heterocysten aus, die zur N2-Fixierung in der Lage sind – also eine „Stickstoffsymbiose“ wie bei Hüllsenfrüchtlern und anderen Pflanzen. Der Pilz erhält von den Blaugrünen Bakterien einen Teil des gebildeten Zuckers und des gebundenen Stickstoffs, dafür liefert der Pilz seinem Endosymbionten Wasser, Phosphat und Kohlenstoffdioxid und alle weiteren benötigten anorganischen Stoffe. Außerdem  schützt er Nostoc vor Stress durch giftige Schwermetalle. Geosiphon bildet – wie viele Glomeromyceten – auch noch eine Symbiose mit einem Bakterium, über die aber bisher nur wenig bekannt ist. Zum anderen bildet der Pilz enge Gemeinschaften mit Hornmoosen und mit dem Lebermoos Blasia pusilla, die beide ihrerseits mit Nostoc in einer extrazellulären Symbiose leben. Glomeromyceten waren vermutlich als Symbiosepartne für die Besiedelung terrestrischer Lebensräume durch die ersten Pflanzen sehr wichtig, möglichrweise sogar Voraussetzung (Wang et al. 2010). Schüßler (2011) vermutet, dass es sich bei der Endosymbiose von Geosiphon und der Arbusculären Mykorrhiza von den meisten heute bekannten Glomeromyceten um eine parallele Entwicklung mit ähnlichen Austauschvorgäng handelt. Bei Gloeosiphon ist der Photosynthese betreibende Partner (Cyanobakterium) innen, im anderen Fall (Pflanze) außen.

Die Kieselalge Rhopalodia gibba besitzt – wie alle Kieselalgen – sekundäre Plastiden, die auf Rotalgen-Endosymbionten zurückgehen. Außerdem enthalten die Zellen dieses Einzeller aber einen weiteren Endosymbionten, der zunächst als „Sphaeroid“ beschrieben wurde. Man konnte nachweisen, dass es sich dabei um ein endosymbiontisches Cyanobakterium aus der Gattung Cyanothece handelt. Dieser Endosymbiont führt allerdings keine Photosynthese mehr durch, aber er kann molekularen Stickstoff assimilieren. Sein Genom enthält mit 2,6 Millionen Basenpaaren noch etwa die Hälfte einer frei lebenden Cyanobakterienart der Gattung Cyanothece (Archibald 2014). Die genetischen Verhältnisse dieser Kieselalge sind dementsprechend recht kompliziert. Im Zellkern findet man

  • Gene der Rotalge, von der der Chloroplast abstammt,
  • von dem Cyanobaktium, das zum primaren Chloroplasten der Rotalge wurde und
  • von dem Genom des weiteren stickstoffbindenden Cyanobakteriums.

Außerdem enthalten Chloroplast und Cyanobakterienendosymbiont noch eigene Genomreste. Diese verschiedenen Gene und ihre Produkte  wirken bei dem effektiven Ablauf des Zellstoffwechsels zusammen.

Pflanzentiere und Kleptoplasten

Alle Photosynthese betreibende Algen und alle grünen Pflanzen verdanken ihre Fähigkeit zur Kohlenstoffassimilation ursprünglich endosymbiontischen Cyanobakterien. Aber darüber hinaus ist es im Laufe der Evolution immer wieder zu einer Kooperation zwischen Kohlenstoff-heterophen und Kohlenstoff-autotrophen Lebewesen gekommen. Die Autotrophie durch Endosymbiose ist eine Fortsetzungsgeschichte.

Schon im 19. Jahrhundert wurden ver­schiedene Symbiosen von Algen mit Nie­deren Tieren und Pilzen entdeckt. Karl Brandt (1881 nach Sapp 1994) be­schrieb die endosymbiontischen Mikroalgen in Einzellern, Hohltieren, Mollusken und Würmern. Er nannte die grünen Vertreter „Zoochlorellen“ und die gelbbräunlich ge­färbten „Zooxanthellen“. Keeble untersuchte und beschrieb 1910 als erster die grünen, darmlosen wurmähnlichen Tiere (Gattung Symsagittifera früher Convoluta) der bretonischen Atlantikküste und nannte sie „plant animals“. Sie werden heute der an der Basis des Tierreiches stehenden Gruppe der Acoelomorpha zugeordnet.

Titel von Frederik Keebles Monografie über die „Pflanzentiere“

Keebles Zeicchnung der beiden Acoelomorpha Symsagittifera roscoffensis und Convoluta convoluta,  früher zuden Strudewürmern gerechnet

Während es sich bei den „Zoochlorellen“ tatsächlich um Grünalgen handelt, allerdings wohl um eine polyphyletische Gruppe, stammen die  „Zooxanthellen“ aus ganz unterschied­lichen Verwandtschaftsgruppen der „Protisten“. Sie ähneln sich, weil sie ihre Gestalt als Endosymbionten erheblich vereinfacht haben. Eine be­sonders verbreitete endosymbiontische Alge gehört zu den Dinoflagellaten (Gattung Symbiodinium), andere werden den Kieselalgen, den Goldalgen und den Haftfaden­geißlern zugeordnet. Bei tropischen Foraminiferen und bei Schwämmen konnte man sogar Rotalgen als Endocytobionten nachweisen (Reisser 1992).

Nehmen die Partner nur über die äußere Oberfläche Kontakt auf, so spricht man von Exosymbiose. Ein gutes Beispiel dafür ist die Flechtensymbiose. Kolonisiert der klei­nere Part­ner den größeren, indem er in sein Körperin­neres ein­dringt, so spricht man von Endosymbiose (Acoelomorpher Symsagittifera roscoffensis und Zoochlorelle Tetraselmis convolutae), wenn er so­gar in die Zel­len des Partners eindringt, von Endocytosymbiose (Paramecium bursaria und Chlorella). Gerade dieser letzte Fall ist bei einzelligen Algen be­sonders häufig. Verbreitet sind solche Endocytosymbiosen nicht nur bei Einzellern wie Wimpertierchen, Foraminiferen und Wurzelfüßern, sondern auch bei Nesseltieren (einschließlich der Korallen), Niederen Würmern und marinen Schnecken.

Schlundsackschnecken Elysia viridis in der Flensburger Förde, 5.7.2011 (Foto J. Langmark)

Eine besondere Art der „sekundären Kohlenstoffautotrophie“ kennt man von der Schneckenordnung der Schlundsackschnecken (Ordnung Sacoglossa). Diese Gruppe mariner Hinterkiemer ernährt sich vorwiegend von  siphonalen Algen, also Fadenalgen, deren Zellfäden nicht durch Querwände unterteilt sind. Die Schnecken stechen die Algen mit einem stilettartig spe­zialisierten Zahn an. Nach dieser Punktation saugen sie den Zellsaft durch ihren muskulösen Pharynx ein. Auf diese Weise können große Zellsaftmengen durch einen Einstich aufgesaugt werden. Die grüngefärbte Meeresschnecke Elysia chlorotica saugt an der Schlauchalge Vaucheria litorea. Sie verdaut einen Großteil des Zellsaftes und integriert die Plastiden durch Phagocytose in die Epithelzellen ihres Verdauungstraktes. Durch Versuche in Aquarien konnte man feststellen, dass die Schnecken ohne Nahrung nur durch Belichtung 8-9 Monate überleben können. In diesem Zusammenhang hat man von „Chloroplastensymbiose“ gesprochen, besser wäre wohl die Bezeich­nung Kleptoplastie (altgriech. kleptein = stehlen), da diese Organelle tatsächlich von den Algen gestohlen oder ausgeborgt worden sind. Zu einem Gentransfer von den Plastiden in die Zellkerne von Schneckenzellen kommt es in diesem Falle allerdings nicht.

Stammbaum der Photobionten und ihren direkten bzw. indirekten Symbiosen mit Blaugrünen Bakterien. Die breiten farbigen Verbindungsbahnen deuten die Verwandtschaftsbeziehungen der Wirtzellen bzw. -organismen an, die Pfeile zeigen die Herkunft der Plastiden. Nur der unterste braune Pfeil markiert die Endocytosymbiose, die zu den Mitochondrien führte. Die verschiedenen Farben markieren die großen Verwandtschaftsgruppen Sar, Archaeplastida, Excavata und Opisthokonta (Grafik W. Probst).

„Verdauungsendosymbiosen“

Viele von Pflanzensäften lebende Insekten (Wanzen, Zikaden, Blattläuse) kooperieren zur besseren Nahrungsnutzung mit endosymbiontischen Bakterien. Eine besonders enge Symbiose besteht zwischen Blattläusen und den endocyto­biontischen Bakterien der Gattung Buchnera, die in speziellen, großen Darmzellen leben, die als Bakteriocyten bezeichnet werden. Die Endosymbionten werden von Generation zu Generation über die Eier weitergegeben. Buchnera ist verwandt mit Escherichia coli, aber im Gegensatz zu diesem weit verbreiteten Darmbakterium ist ihr Genom wesentlich kleiner. Dafür sind in einer Zelle über 100 Kopien enthalten. Eine vollständige Genomanalyse von Buchnera ergab, dass keine Gene für Zellober­flächen-Lipopolysaccharide und Phospholipide vorhanden sind. Ebenso fehlen die meisten Regulatorgene und Gene, die der Verteidigung der Zellen nach außen die­nen. Das enge Zusammenleben mit den Wirten wird auch dadurch deutlich, dass von Buchnera alle für seinen Wirt essentiellen Aminosäuren gebildet werden. Dafür sind mindestens 55 Gene verantwortlich. Umgekehrt werden von dem Bakterium keine für den Wirt nicht essentiellen Aminosäuren produziert. Die Blatt­läuse bilden statt des insektenüblichen stickstoffhaltigen Exkrets Ammoniak Glutamin, das von den Bakterien diekt als Ausgangsstoff für die Produktion der essentiellen Ami­nosäuren verwendet wird. Diese Komplementari­tät zeigt, dass die Symbiose schon sehr lange erfolgreich arbeitet.  Da Buchnera sogar seine Außenmembran vom Wirt erhält, kann man sagen, dass bei dieser Symbiose ein Stadium erreicht ist, das Buchnera schon fast als ein Zellorganell erscheinen lässt.

Noch komplizierter ist die Doppelendocytobiose in Darmzellen von Motten-Schildläu­sen (Aleyrodoidea). Durch Genanalysen entdeckte man, dass in den  Darmzellen-Bakterien ein weiteres endosymbiontisches Bakterium lebt (McCutcheon, von Dohlen 2011).

Viele ähnliche Beziehungen kommen bei Holz bzw Zellulose fressenden Insekten wie Tabakskäfer, Borkenkäfer und Termiten vor. Auch blutsaugende Egel, Zecken und Läuse bessern die Inhaltsstoffe ihrer relativ einseitigen Nahrung durch symbiontische Darmbakterien auf. Sie können in besonderen Darmzellen, in Darmaussackungen oder auch frei im Darmlumen vorkommen. Aber auch für Säugetiere einschließlich des Menschen ist das Darm-Mikrobiom von großer Bedeutung und erfüllt in vielen Fällen die Definition der mutualistischen Symbiose. Die für die menschliche Ernähung so wichtig Milchproduktion de Rinder ist abhänig von den endosymbiontischen Darmmikroben dieser Herbivoren.

Gibt es Monophylie?

Es wird immer deutlicher, dass Endosymbiosen und auch Endocytosymbiosen im Laufe der Stammesgeschichte der Lebewesen eine große Rolle gespielt haben. Wie erste Untersuchungsergebnisse zeigen, sind dabei viele Gene von den Endosymbionten auf ihre Wirte übertragen worden. Die von der synthetischen Theorie der Evolution verwendete Bezeichnung „Gendrift“ für einen Evolutionsfaktor gewinnt dadurch eine ganz neue Bedeutung. Allerdings handelt es sich bei der hier betrachteten „Gendrift“ nicht um ein zufälliges Ereignis, sondern um die Folge einer auf kooperativen Stoffwechselvorgängen beruhenden engen Kooperation zwischen verschiedenen Organismen. Die moderne phylogenetische Systematik (Kladistik) versucht, das System der Lebewesen aufgrund einer auf genetischen Grundlagen beruhenden Stammbaum-Rekonstruktion aufzustellen. Taxonomische Einheiten sollen eine Monophylum darstellen, d. h., sie sollen sich auf eine Ursprungsart zurückführen lassen, die außer den Vertretern des Taxons keine anderen Nachkommen hat. Diese Methode – so schwierig sie auch im Detail sein mag – ist in sich logisch, solange Gene nur vertikal weitergegeben werden. Sobald es aber häufiger zu einer horizontalen Genweitergabe kommt, entstehen Probleme. Denn nun geht es nicht nur um gemeinsame Nachfahren sondern auch um gemeinsame Vorfahren. Ich komme zurück auf unsere einleitende Betrachtung der Großeinteilung der Lebewesen. Nach neuesten Erkenntnissen sind die Eukaryoten ein Teil der Archäen, allerdings nur, soweit es um die Wirtszelle geht. Die für die Entstehung und Weiterentwicklung sehr wichtigen Mitochondrien und Plastiden kommen aus der Domäne Bakterien. Die Eukaryoten haben also mindestens einen weiteren gemeinsamen Vorfahr im Vergleich zu den übrigen Archäen, soweit es sich um Plastiden-haltige Eukaryoten handelt sogar mindestens zwei weitere. Durch die Kombination ist wirklich etwas Neues entstanden, dem man mit gewissem Recht eine eigene Domäne zuerkennen könnte. Nach kladistischen Taxonomieregeln müsste das aber bedeuten, dass man die im übrigen ziemlich gut definierten Archäen nicht mehr als eine systematische Einheit ansehen könnte, da es sich um kein Monophylum handelt. Die sogenannte Asgardgruppe müsste als eigene, den übrigen Archäen und den Bakterien gleichrangige Einheit angesehen werden. Da die Eukaryoten wahrscheinlich sogar aus der Mitte der Asgardgruppe entstanden sind, wäre unter Umständen eine weitere Aufspaltung notwendig. Ich denke, phylogenetische Taxonomen müssten hier zu Kompromissen finden. Das gilt nicht nur für dieses basale Beispiel, sondern für viele ähnliche Fälle.

Stammbau ohne und mit horizontalem Gentransfer (Grafik W. Probst)

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https://microbewiki.kenyon.edu/index.php/Aphids_and_Buchnera

Pilze (zu UB 405)

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Die Fadengeflechte der Pilze bilden dichte Netzwerke in Böden und durchwachsen die unterschiedlichsten organischen Abfallstoffe. Die große Effektivität, mit der die Pilze diese Netzwerke aufbauen und zum Stofftransport nutzen, werden seit einiger Zeit mit dem Ziel erforscht, auch von Menschen konstruierte Netzwerke – zum Beispiel Stromnetze, Verkehrsnetze und Kommunikationsnetze – zu verbessern (Heaton 2012). Die zweite herausragende Fähigkeiten dieser Fadengeflechte ist die Verdauung unterschiedlichster energiereicher Stoffe. Dazu werden von den verschiedenen Pilzarten sehr viele verschiedene Enzyme gebildet. Mittlerweile wird diese Vielfalt von spezialisierten Chemiefirmen genutzt, um neue Enzyme und Enzymkombinationen für die Anwendungen in Haushalt, Technik und Medizin zu entwickeln. Das Rohmaterial, die Pilze, werden aus allen Ecken der Erde zusammengetragen, in Kultur genommen und in tiefgekühlten Containern aufbewahrt.
Durch ihre Fruchtkörper sind viele Pilze – ganz anders als andere Mikroorganismen – auch ohne optische oder andere Hilfsmittel wahrnehmbar und erfahrbar. Diese „Pilzfrüchte“, die landläufig als „Pilze“ bezeichnet werden, faszinieren nicht nur Wissenschaftler sondern viele Schwammerlsucher und Hobbymykologen. Neben Vögeln, Schmetterlingen und Orchideen gehören Pilze deshalb zu den Organismengruppen mit der größten Fangemeinde. Auf der Homepage der pilzkundlichen Zeitschrift „Der Tintling“ werden allein für Deutschland 91 pilzkundliche AGs und Ausbildungsstätten angeführt.
Doch obwohl Pilze in unserer Umwelt und unserem Leben allgegenwärtig sind, werden sie doch oft übersehen und unterschätzt, manchmal auch falsch beurteilt. Lange Zeit als Pflanzen eingestuft gelten sie seit einiger Zeit als eigenes Reich der Lebewesen und dies wird nicht nur ihrer verwandtschaftlichen Stellung sondern auch ihrer großen Bedeutung für unseren Bioplaneten gerecht.

https://lehrermarktplatz.de/material/18898/vorlagen-fuer-die-gestaltung-einer-pilzausstellung

https://lehrermarktplatz.de/material/16562/grafiken-und-abbildungen-zu-schlauchpilzen-und-staenderpilzen

(vgl. die UB-Hefte 405 „Pilze“ und 406 (UB Schülerkompakt) „Ab in die Pilze“)

Die Funktion der Pilze in Ökosystemen

Funktionen der Pilze im Ökosystem Wald

Funktionen der Pilze im Ökosystem Wald

Die drei großen Reiche vielzelliger Lebewesen, Pflanzen, Tiere und Pilze stehen gleichzeitig in einem (terrestrischen) Ökosystem für die drei Haupternährungsformen:
• Primärproduzenten (Plantae),
• Konsumenten (Animalia) und
• Destruenten bzw. Reduzenten (Fungi).
Dabei kommt Pilzen außerdem als Symbiose- und Kooperationspartner von Pflanzen und Tieren eine besondere Bedeutung zu.

Als Destruenten zersetzen die Pilze alle Arten von organischen Abfällen, besonders auffällig in Wäldern (Laubstreu und Holz) aber auch in Grasländern (Streu, Dung). Seit es üblich geworden ist, in großer Menge Rindenmulch in Garten- und Parkflächen auszubringen, kann man dort besonders viele Pilze beobachten. Das aus einzellreihigen Zellfäden bestehende Mycel der Pilze ist besonders gut dafür geeignet, feste organischen Abfallstoffe zu durchwuchern und die darin enthaltenen Nährstoffe enzymatisch aufzuschließen und aufzunehmen. Ohne Pilze würde den Ökosystemen der Erde so etwas Ähnliches passieren wie einer Großstadt, bei der die Müllarbeiter streiken. Dabei scheiden die Pilzfäden (Hyphen) Enzyme aus, welche die organischen Makromoleküle in ihrer Umgebung in kleinere Bestandteile zerlegen („verdauen“), die dann von den Hyphen aufgenommen werden. Die Speicherung von Kohlenstoff durch Boden- und Streu- bewohnende Pilze und insbesondere durch Mykorrhizapilze wurde bisher vermutlich unterschätzt (Perkins 2013). Pilze sind entscheidend wichtig für die Bildung und Erhaltung der Böden (Moore/Robsen/Trinci 2011).
In flüssigen Substraten kommen Pilze als Zersetzer zwar auch vor, aber hier sind Bakterien noch wichtiger. Unter bestimmten Bedingungen, vor allem bei vorliegen von Zuckermolekülen, kommt hier eine spezielle, meist nicht fädig wachsende Form pilzlicher Destruenten zum Einsatz, die Hefepilze. Sie kommen in unterschiedlichen Verwandtschaftsgruppen vor.

Doch auch als Konsumenten spielen Pilze eine wichtige Rolle. Von besonderer Bedeutung sind parasitische Pilze an Pflanzen. Neben den Baumpilzen, die sich häufig auch parasitisch von lebenden Bäumen ernähren, sind dies vor allem phytopathogene Pilze wie Mehltaupilze, Brandpilze und Rostpilze, letztere z. T. mit komplizierten Wirts- und Generationswechseln (Abb. XX). Für manche Baumarten stellen phytopathogene Pilze eine echte Bedrohung dar, zum Beispiel die Schlauchpilze Ophiostoma ulmi bzw. O. novi-ulmi für Ulmen und Hymenoscyphus pseudoalbidus für Eschen. Manche phytoparasitischen Pilze stimulieren ihre Wirtspflanzen zur Bildung von Pflanzengallen und „Hexenbesen“ (Probst 2012).
Bei Tieren und Menschen kommen pathogene Pilze (Mykosen) vor allem auf der Haut und auf und in Hautbildungen wie Haaren und Nägeln vor, auch innere Oberflächen und Organe können – insbesondere beim schwachem Immunsystem – von Pilzen befallen werden. Nicht selten werden Insekten von parasitischen Pilzen infiziert. Besonders spektakulär sind Pilze, die von in der Erde eingegrabenen Puppen von Nachtschmetterlingen leben (Kernkeulenpilze). Eine ganze Wirbeltierklasse, die Amphibien, werden durch den parasitischen Geißelpilz Batrachochytrium dendrobatidis (s. S. XX) bedroht. Pilzliche Zooparasiten werden zu Nützlingen, wenn sie gefährlichen Krankheitserregern, wie zum Beispiel Malariamücken, schaden (Khamsi 2005).

Die Rolle der Pilze als Predatoren wurde lange unterschätzt. Bisher sind über 120 Pilzarten bekannt, die Nematoden, Rotatorien, Amöben und andere Protozoen mit Hilfe spezieller Einrichtungen ihres Mycels (Schlingfallen, Klebefallen) fangen und verdauen. Die meisten nematophagen Pilze gehören zu den Schlauchpilzen, aber auch bei den Ständerpilzen und bei den Jochpilzen kommen solche Tierfänger vor. Der Schopftintling, ein Ständerpilz, betäubt die Fadenwürmer mit einem Toxin aus Mycelauswüchsen und verdaut sie dann (Lyssek/Rubner in UB 183, 1993).
Es ist nicht verwunderlich, dass Pilze im Laufe der Evolution „gelernt“ haben, Fadenwürmer zu fressen, denn diese Tierchen finden sich in großen Mengen in allen Lebensräumen der Erde. Neben frei lebenden Arten gibt es viele Pflanzenparasiten und auch zahlreiche Tierparasiten. Überall wo Pilze vorkommen, lebt auch eine individuenreiche Nematodenfauna und so ist es nahe liegend, dass Pilze einen Weg gefunden haben, diesen Nährstoffvorrat zu nutzen.

Typisch für „Echte Pilze“ oder „Chitinpilze“, wie das Reich der Fungi auch genannt wird, sind chitinhaltige Zellwände. Als Destruenten und Konsumenten ist Stickstoff für Pilze – anders als für Pflanzen – meist kein begrenzender Faktor. Deshalb können sie es sich leisten, ein stickstoffhaltiges Polysaccharid als Hauptzellwandsubstanz zu nutzen. Dieser besonders robuste Baustoff schützt Pilzhyphen wie Insektenkörper. Möglicherweise dient diese Wandsubstanz ursprünglich auch dazu, überschüssigen Stickstoff loszuwerden.

Symbionten und Kooperationspartner

Zahlreiche Pilzarten leben in mehr oder weniger enger Symbiose mit Tier- oder Pflanzenarten. Als Spezialisten des Stoffabbaus helfen sie ihren Symbiosepartnern dabei vor allem, sonst unzugängliche Stoffquellen aufzuschließen.
Besonders wichtige und weit verbreitete Symbiosen zwischen Pflanzen und Pilzen sind die „Pilzwurzeln“ (Mykorrhiza). Die meisten Pflanzen gehen solche Mykorrhizasymbiosen ein und man vermutet, dass der Übergang der Pflanzen zum Landleben – also die Entstehung von Pflanzen im engeren Sinne (Embryophyta: Moose, Farne, Samenpflanzen) – ohne diese Pilzsymbionten nicht möglich gewesen wäre.
Pflanzen können mithilfe der Fotosynthese ihre Nähr- und Baustoffe selbst produzieren. Aber die dazu notwendigen Elemente Stickstoff, Phosphor, Kalium, Eisen und andere nehmen sie aus dem Boden auf. Den meisten Pflanzen helfen dabei bestimmte Pilze. Bei der Ektotrophen Mykorrhiza bildet das Mycel der Pilze einen dichten Mantel um die Wurzelspitzen und einige Pilzfäden dringen zwischen die Zellen der Wurzelrinde ein. Dabei ist die große Oberfläche des Pilzmycels von Vorteil. Die Pflanzen versorgen die Pilze dafür mit Kohlenhydraten, die sie über die Fotosynthese meist im Überfluss herstellen können. Die Ektomykorrhiza ist typisch für Waldbäume wie Eichen, Buchen oder Fichten.
Bei den verschiedenen Formen der Endomykorrhiza bildet sich kein dichtes Pilzgeflecht um die Wurzelspitzen. Dafür dringen die Pilzhyphen in die Zellen der Wurzelrinde der Pflanzen ein. Diese Mykorrhizatypen kommen vor allem bei krautigen Pflanzen aber auch bei verschiedenen Gehölzen vor.
Orchideen können ohne eine solche Endomykorrhiza nicht leben.
Insbesondere auf „mageren“ Böden, das heißt Böden mit wenig stickstoff- und phosphorhaltigen Mineralstoffen, sind die Mykorrhizapilze für Pflanzen oft lebensnotwendig.

Es gibt einige Pflanzen, die kein Blattgrün ausbilden und alle Nähr- und Mineralstoffe sowie das Wasser von ihrem Mykorrhizapilz beziehen. Nach Merckx (2013) ist eine solche vollständige Mykoheterotrophie für mindestens 514 Pflanzenarten nachgewiesen. Teilweise Mykoheterotrophie kommt jedoch bei sehr vielen Mykorrhiza bildenden Pflanzen vor, zum Beispiel bei allen Orchideen, bei denen zumindest die Keimlinge ihre Nährstoffe von einem Pilz beziehen. Ein Beispiel für eine vollständig mykoheterotrophe Pflanze ist die Vogel-Nestwurz, die man relativ häufig in Buchenwäldern finden kann. Der Fichtenspargel, eine chlorophylllose Pflanze aus der Verwandtschaft der Heidekrautgewächse, bildet mit Ritterlingsarten eine Mykorrhiza. Diese Pilze haben außerdem Fichten, Buchen und noch einige andere Waldbäume als Mykorrhizapartner. Von diesen erhalten sie organische Kohlenstoffverbindungen, von denen auch der Fichtenspargel profitiert. Diesen indirekten Parasitismus, auch Epiparasitismus genannt, konnte man dadurch nachweisen, dass man Zuckerverbindungen in den Bäumen radioaktiv markierte.
Vermutlich kommt ein solcher Stofffluss von grünen Pflanzen über Mykorrhizapilze zu bleichen, mykoheterotrophen Pflanzen häufig vor. Auch für einen Pilzpartner der Nestwurz, die Erd-Wachskruste (Sebacina incrustans), ist ein solcher Transfer nachgewiesen. Dieser Pilz bildet eine Ektotrophe Mykorrhiza mit dem Haselstrauch und bezieht von ihm Kohlenhydrate, die er teilweise an die Nestwurz weitergibt .

Die Vernetzung verschiedener Pflanzenindividuen und -arten eines Ökosystems durch Mykorrhizapilze spielt vermutlich eine größere Rolle, als lange Zeit vermutet.
Für den globalen Kohlenstoffkreislauf ist von Bedeutung, ob Ektotrophe-Mykorrhiza (EM)- oder Arbuskuläre-Mykorrhiza (AM)-Symbiosen – die häufigste Form der Endomykorrhiza – vorherrschen. Im ersten Fall konkurrieren die Mykorrhizapilze mit anderen Mikroben um organische Abfallstoffe, dadurch wird der C-Gehalt des Bodens erhöht, im zweiten Fall nehmen die Pilze vorwiegend anorganischen Stickstoff auf und sind deshalb keine Konkurrenz für andere Destruenten. Organische Abfallstoffe werden deshalb schneller abgebaut und der Kohlenstoffspeicher im Boden ist kleiner (s. S. XX, Averill, Turner, Finzi 2014).

Flechten sind Doppelorganismen aus Pilzen, Algen oder/und Cyanobakterien. Mit Ausnahme der Gallertflechten gibt der Pilz der Flechte ihre Form. Die meist nur aus einer oder wenigen Zellen aufgebauten grünen Organismen sorgen durch ihre Fotosyntheseleistung für die Energieversorgung des Doppelorganismus..
Es ist kein Wunder, dass Flechten lange für eine eigenständige Organismengruppe angesehen wurden. Nicht nur die besondere Flechtenform sondern auch bestimmte Flechtenstoffe – wie zum Beispiel der gelbe Farbstoff der überall häufigen Gelbflechte (Xanthoria) – können nur in Symbiose produziert werden. Solche speziellen Stoffwechselleistungen sind auch dafür verantwortlich, dass Flechten noch gedeihen können, wo „echte Pflanzen“ keine Chance mehr haben: Auf eisigen Berggipfeln, auf trockenen Felsen und Wüstenböden und an Baumrinde, wo es auch Moosen zu trocken wird. Dank besonderer Proteine und Polysaccharide können sie vollständig austrocknen ohne abzusterben. Bei erneuter Befeuchtung kommen die Lebensvorgänge sofort wieder in Gang.

Bei vielen endophytischen (in Pflanzen lebenden) Pilzen ist nicht ganz klar, ob es sich um Parasiten oder Symbionten handelt. In jedem Fall sind sie eine besonders vielversprechende Gruppe, wenn es um die Entdeckung neuer biotechnisch bzw. medizinisch nutzbarer Stoffwechselleistungen geht. Sie sind deshalb in den Fokus moderner Screenings nach verwertbaren Enzymen gerückt. 2011 wurde im ecuadorianischen Amazonasgebiet ein endophytischer Pilz, Pestalotiopsis microspora, entdeckt, der ein Enzym produziert, mit dem er Polyurethane abbauen kann (Russell et al. 2011).
Gleichzeitig haben endophytische Pilze vermutlich eine große ökologische Bedeutung, indem sie z. B. Giftstoffe produzieren, die Pflanzen wie dem Taumel-Lolch (Lolium temulentum) und der Prunkwinde (Ipomea) als Fraßschutz dienen. Möglicherweise schützen Abwehrstoffe endophytischer Pilze die Wirtspflanzen auch vor Infektionen durch andere Mikroorganismen. Auch eine Verbesserung der Trocken- und Kälteresistenz der Wirtspflanzen wird diskutiert (Proksch et al. 2010).

Als Symbiosepartner von Tieren helfen Pilze z. B., den schwer zugänglichen Holzstoff für die Verdauung aufzuschließen.
Die sogenannten Ambrosia-Käfer, die bei zwei verschiedenen Gruppen der Rüsselkäfer vorkommen, leben in Bohrgängen im Holz toter oder absterbender Bäume. Diese Gänge beimpfen sie mit dem Myzel von Ambrosia-Pilzen. Die Pilze ernähren sich vom Holz und kleiden die Bohrgänge mit einem speziellen Myzel dicht aneinander schließender Hyphen aus. Die Käfer und ihre Larven fressen ausschließlich dieses Myzel. Indem sie das Pilzmyzel und teilweise auch Konidien des Pilzes auf andere Bäume übertragen, helfen sie der Ausbreitung. Während jedoch die Käfer nur mithilfe des Pilzes leben können, ist der Pilz nicht unbedingt auf die Käfer als Partner angewiesen.
Eine ganz ähnliche Partnerschaft gehen Holzwespen mit Pilzen ein. Hier legen die Weibchen mit ihrem Legestachel zusammen mit den Eiern Pilzmyzel der Weißfäule erregenden Schichtpilze Stereum und Amylostereum in das Holz toter oder absterbender Nadelbäume. Von diesen Pilzen ernähren sich dann ihre Larven.

Besonders ausgefeilt ist die symbiotische Beziehung zwischen Pilzen und zwei Gruppen von sozialen Insekten, den Blattschneiderameisen und den Termiten (Angersbach/Groß 2005 in UB 306).
Blattschneiderameisen leben in tropisch-subtropischen Amerika zwischen 40° Nord und 44° Süd. Sie können in kurzer Zeit große Waldstücke entlauben. Die Blattstücke tragen sie in ihren Bau, dort werden sie zu Blattbrei zerkleinert und mit Pilzen der Gattungen Leucocoprinus und Leucoagaricus beimpft, von deren Mycel sich die Ameisen ernähren. Die Hyphenenden schwellen zu „Nährkörperchen“ an, die reich an Nährstoffen sind und von den Ameisen leicht geerntet werden können. Die Ameisen pflegen ihre Pilzkulturen, insbesondere sorgen sie dafür, dass sie nicht von anderen Pilzen überwuchert werden. Vor Befall durch den Schadpilz Escovopsis schützen die Ameisen ihren Kulturpilz mit speziell wirkenden Bakterien (Streptomyces, Pseudonocardia u.a.), die sie an ihrem Panzer mit sich führen. Diese Bakterien produzieren Candicidine (Stoffe, die auch gegen die humanpathogene Candida albicans wirken). Man kennt über 200 verschiedene Arten von Blattschneiderameisen vor allem aus den Gattungen Atta und Acromyrmex. Auf Grund von molekulargenetischen Untersuchungen nimmt man an, dass die Atta-Leucocoprinus-Symbiose schon mindestens 50 Mio. Jahre alt ist (Stephenson 2010).
Die zweite Gruppe von Pilzgärtnern, bei der es ebenfalls um den Aufschluss ligninreichen Pflanzenmaterials geht, findet sich bei den Termiten. Die „Höheren Termiten“ (Fam. Termitidae,) – sie sind auch für die hohen Termitenbauten verantwortlich – vermischen Holzschnitzel und andere Pflanzenteile mit Speichel und Kot zu einem Nährsubstrat für die Pilze. Solange die Bauten von Termiten bewohnt sind, bilden die kultivierten Pilze – vor allem der Gattung Termitomyces – keine Fruchtkörper. Doch aus verlassenen Termitenbauten wachsen die großen schirmförmigen Fruchtkörper, die auf afrikanischen Märkten als Speisepilze verkauft werden (Barnekow/Probst in UB 306).
Auch pflanzenfressende Säugetiere, insbesondere Wiederkäuer, sind bei der Verdauung der Cellulose auf pilzliche Endosymbionten angewiesen: Die erst in den 1970 er Jahren entdeckten Neocallimastigomyceten, seit 2007 als eigene Abteilung gewertet, sind anaerobe Darmbewohner, der große Bedeutung sich hier in den letzten Jahrzehnten herausgestellt hat.

Die Ameisenart Allomerus decemarticulatus bildet einer Dreiersymbiose mit dem tropischen Strauch Hirtella physophora und einem Pilz. Die den Baum besiedelnden Ameisen nutzen die abgeschnittenen Haare der Pflanze, um aus diesen mithilfe von Pilzhyphen effektive Insektenfallen zu bauen (Dejean et al. 2005)

In Pflanzengallen können manche Gallinsekten Pilzpartner nutzen, indem sie sich von deren die Galle auskleidendem Mycel ernähren (Kehr/Kost 1999)

Auch eine ernährungsphysiologische Symbiose zwischen Pilzen und Nicht-Insekten konnte nachgewiesen werden. Strandschnecken an der nordostamerikanischen Küste infizieren Schlickgras mithilfe ihrer Kotbällchen mit einem Pilz, den sie dann verzehren. Das Schlickgras alleine können die Schnecken nicht verdauen (Whitfield 2003).

Fortpflanzung, Vermehrung, Ausbreitung

Pilze können sich geschlechtlich und ungeschlechtlich fortpflanzen. Die ungeschlechtlich sich fortpflanzende Form bezeichnet man als Nebenfruchtform oder Anamorphe, die geschlechtlich sich fortpflanzende als Hauptfruchtform oder Telomorphe, die Gesamtheit der Entwicklungsstadien als Holomorphe (Dörfelt 2001, 2014). Da man dabei oft nicht erkannte, dass es sich um dieselbe Art handelt, wurden beide Formen zuweilen unterschiedlich benannt. So wurde der Verursacher des Eschentriebsterbens zunächst als Chalara fraxinea identifiziert, später erkannte man, dass es die Anamorphe zur Telomorphen Hymenoscyphus pseudoalbidus ist. Hat man die Zusammengehörigkeit nachgewiesen, gilt der Name der Telomorphen als der korrekte wissenschaftliche Artname.

Während bei den Töpfchenpilzen (Chytridiomycota) noch begeißelte Gameten und Zoosporen vorkommen – sie werden deshalb auch Geißel- oder Flagellenpilze genannt –, gibt es bei den übrigen Pilzen keine begeißelten Fortpflanzungsstadien.
Die heute in mehrere Abteilungen aufgeteilten Jochpilze (Zygomycota) pflanzen sich vorwiegend ungeschlechtlich fort, wie der überall häufige Brotschimmel Rhizopus stolonifer: Aus stark verzweigten Hyphen im Substrat wachsen lange Lufthyphen, die wie die Ranken einer Erdbeerpflanze der Ausbreitung dienen. Schließlich bilden sich Sporenträger mit einer endständigen Sporocyste, die viele asexuell entstandene Sporen enthält und in den Luftraum entlässt. Ihren Namen haben sie jedoch aufgrund der besonderen Form der geschlechtlichen Fortpflanzung bekommen: Zwei Hyphenenden, die vom selben oder von unterschiedlichen Mycelien stammen können, bilden so genannte Gametocysten, die sich vereinigen und dabei eine jochartige Struktur bilden. Aus dieser derbwandigen Zygospore bildet sich nach Kernverschmelzung und Meiose eine gestielte Sporocyste mit vielen Sporen, die äußerlich den asexuell entstandenen Sporocysten gleicht (Nomenklatur vgl. Dörfelt 2001).
Auf Grund molekulargenetischer Untersuchungen hat man die Arbuskulären Mykorrhizapilze oder kurz AM-Pilze als eigene Abteilung Gomerulomycota von den Jochpilzen abgetrennt. Es sind die phylogenetisch ältesten und bis heute verbreitetsten Mykorrhizapilze. Bisher ist nur eine asexuelle Fortpflanzung bekannt. An den Hyphenenden bilden sich Verdickungen, die sich schließlich mit einer festen Wand umgeben. Bei manchen Arten – wie bei Gigaspora margarita – können diese Sporen nahezu 1 mm Durchmesser erreichen.

Für die Abteilungen Schlauchpilze (Ascomycota) und Ständerpilze (Basidiomycota) ist charakteristisch, dass sie Hyphen mit Querwänden bilden,die allerdings einen Porus besitzen, durch den eine Verbindung des Cytoplasmas besteht. Dieser Durchlass ist bei den verschiedenen Verwandtschaftsgruppen recht unterschiedlich – teilweise sehr kompliziert – aufgebaut.
Bei den Ascomycota wird die geschlechtliche Fortpflanzung durch Gametocystenbildung eingeleitet. Die männliche Gametocyste entlässt ihre Kerne in die weibliche Gametocyste (Ascogon). Dort paaren sich je ein weiblicher und ein männlicher Kern ohne zu verschmelzen. Anschließend wachsen aus dem Ascogon so genannte ascogene Hyphen, die in jeder Zelle zwei Kerne enthalten. Schließlich kommt es in der Endzelle zur Kernverschmelzung und zur anschließenden Meiose und meist zu einer weiteren mitotischen Teilung. Um diese acht Kerne bilden sich Zellwände(„freie“ Zellbildung). So entsteht eine Zelle mit acht Ascosporen, ein Ascus oder Schlauch.
Bei den Basidiomycota verschmelzen zwei normale Hyphen mit haploiden Kernen zu einem Paarkernmyzel. Bei der Zellteilung teilen sich beide Kerne, einer wird über eine Schnalle an die nächste Zelle weitergegeben. Durch Verschmelzung dieser zwei Kerne – normalerweise erst nach vielen mitotischen Teilungen und der Bildung eines ausgedehnten dikaryotischen Myzels – kann es in bestimmten Zellen zur Bildung eines diploiden Kerns kommen, der sich anschließend durch Meiose wieder in vier haploide Kerne teilt, die in vier Auswüchse der Zelle einwandern. Das ganze Gebilde wird Basidie oder Ständer genannt. Funktionell wird durch die Zweikernigkeit ein Zustand erreicht, welcher der Ausbildung eines diploiden Chromosensatzes entspricht.

Die großen „Fruchtkörper“, besser eigentlich Sporenkörper, vieler Schlauchpilze und Ständerpilze sorgen für eine effektive Verbreitung der winzigen Sporen durch die Luft oder durch Tiere. In diesem Fruchtkörpern bilden sich meist eine große Zahl – oft Millionen – Asci bzw. Basidien. Bei den Schlauchpilzen werden die Fruchtkörper auch Ascoma genannt. Sie bilden sich jeweils nach der Verschmelzung von Gametocysten. Die Fruchtkörper der Ständerpilze – auch Basidioma genannt – können sich immer wieder in großer Anzahl aus einem Paarkernmyzel bilden, das aus der Verschmelzung von zwei Einkernmyzelien hervorgegangen ist (Dörfelt 2012).
Diese „Pilzfrüchte“, die landläufig als „Pilze“ bezeichnet werden, faszinieren Menschen seit alters her aus verschiedenen Gründen:
• sie erscheinen unverhofft und ziemlich plötzlich und sind auch schnell wieder verschwunden,
• sie haben oft auffällige Formen, Farben und Gerüche,
• man kann sie sammeln und essen,
• eine ganze Reihe sind giftig, manche sogar lebensgefährlich,
• manche enthalten halluzinogene Stoffe und eigen sich als Rauschdrogen.
Viele Jahrhunderttausende mussten die Menschen ihre Nahrung sammeln. Das Pilze Sammeln und das Zubereiten dieser selbst gesammelten Pilze ist möglicherweise deshalb so befriedigend, weil es an diese archaische Tradition anknüpft. Pilzexkursionen mit anschließender Besprechung und Bearbeitung der Funde – gegebenenfalls mit einem Pilzkenner zusammen – können ein Erlebnis sein, das Interesse an Naturbegegnungen weckt und fördert und als Einstieg in verschiedene ökologische Themen dienen kann.
Außer der klassischen Pilzform kommen noch viele verschiedene andere Fruchtkörperformen vor. Für die Windverbreitung von Sporen hat ein Fruchtkörper aus Stiel und Hut jedoch durchaus Vorteile: Durch den Stiel wird die sporentragende Schicht in etwas bewegtere Luftschichten emporgehoben, durch den Hut wird sie vor Regen geschützt, Lamellen oder Röhren sorgen für eine große Oberfläche. Dadurch, dass der Hut zunächst wie ein zusammengefalteter Schirm dem Stiel anliegt, wird die sporentragende Schicht vor Austrocknung geschützt. Bei vielen Fruchtkörpern – wie beim Grünen Knollenblätterpilz oder beim Fliegenpilz – werden die jungen Fruchtkörper durch zusätzliche Hüllen vor Verdunstung geschützt. Wenn der Hut aufschirmt, bleiben die Reste der Hüllen als Scheide, Ring und weiße Punkte auf der Hutfläche zurück.

Pilzfruchtkörper fallen nicht nur durch auffällige Farben und Formen sondern manchmal auch durch ihre besondere Größe auf: Macrocybe titans aus Mittelamerika und der afrikanische Termitomyces titanicus bilden die größten bisher bekannt gewordenen Fruchtkörper bei Blätterpilzen (Agaricomycetes). Gewaltige Fruchtkörper bis über 50 cm Durchmesser bildet auch der Riesen-Bovist , auch die konsolenförmigen, mehrjährigen Fruchtkörper von Baumpilzen können sehr groß werden, beim Abgeflachten Lackporling bis zu 1 m im Durchmesser.

Pilze als Umweltindikatoren

Pilze können bestimmte Stoffe aus dem Boden aufnehmen und in ihrem Mycel anreichern. Besonders deutlich wurde dies nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl. Einige Zeit wurde die radioaktive Kontamination von Böden über die Messung der Radioaktivität von Pilzfruchtkörpern dokumentiert und noch bis heute gibt es Regionen, in denen die Pilze – z. B. Maronenröhrlinge – relativ hoch belastet sind. Hauptursache ist von den Pilzen aufgenommenes Cäsium 137 mit einer Halbwertszeit von 30 Jahren.
Auch Schwermetalle wie Cadmium und Blei können von Pilzen angereichert werden. Diese Fähigkeiten kann auch positiv genutzt werden, indem man Pilze zur Dekontamination schwermetallverseuchter Böden einsetzt. 2012 konnten britische Wissenschaftler nachweisen, dass aus Bleiminen isolierte Pilze elementares Blei in das besonders schwer lösliche Chloropyromorphit Pb5(PO4)3Cl umwandeln und damit verseuchte Böden entgiften können (Rhee/Hiller/Gadd 2012).

Ähnlich wie Fauna und Flora beeinflussen Umweltveränderungen auch die Funga – also die Gesamtheit der vorkommenden Pilzarten – eines Ökosystems. In Waldökosystemen können Pilzarten als Indikatoren für „Naturnähe“ verwendet werden. So gelten zum Beispiel Bergporling, Tannen-Stachelbart und Tannen-Stielporling als Zeigerarten für naturnahe Bergmischwälder (vgl. z. B. Blaschke et al. 2009). Die meist auffällig gefärbten Saftlings-Arten (Hygrocybe) sind Zeigerarten für magere Wiesen- und Rasengesellschaften, die als besonders schützenswert gelten. Flechten sind klassische Indikatoren für Luftverschmutzung, vor allem durch Schwefelverbindungen.

Seit einiger Zeit versucht man, Arten zu ermitteln, deren Erhalt in bestimmten Regionen eine besondere Bedeutung für die weltweite Erhaltung der Biodiversität hat. Eine Liste solcher „Verantwortungsarten“ wurden vom Bundesamt für Naturschutz für Deutschland bereits aufgestellt. Mittlerweile gibt es auch 19 Pilzarten, die als Verantwortungsarten für Deutschland ausgewählt wurden, weil ein hoher Anteil der Weltpopulation in Deutschland zu finden ist und weil die Biotope, in denen sie vorkommen, zu den gefährdeten zählen. Beispiele sind der Hauhechel-Samtfußrübling, die Strandlings-Erdzunge oder der Lilastielige Rötelritterling. Warum gerade diese 19 Arten ausgewählt wurden, hängt allerdings auch noch mit weiteren Kriterien zusammen, zum Beispiel, ob die Arten nicht schon durch eine andere Schutzverordnung ausreichend geschützt sind (Lüderitz/Gminder 2014).

Pilze und Menschen

Nahrungsmittel

Pilze werden vermutlich schon seit Urzeiten von Menschen als Nahrung genutzt. Sicher wurden Pilze auch schon von steinzeitlichen Menschen als Heilmittel und Rauschdrogen verwendet. Bei der 5300 Jahre alten Gletschermumie aus dem Ötztal („Ötzi“) hat man Reste vom Zunderschwamm gefunden, die auf seine Verwendung beim Feuermachen hindeuten. Ebenso trug Ötzi zwei Birkenporlinge mit sich, deren antibakterielle und entzündungshemmende Wirkung er möglicherweise zur Wundbehandlung nutzte.
Der gezielte Anbau von Pilzen ist nicht so alt. Die älteste Überlieferung von Pilzkulturen stammt aus China. Dort wurden Shiitake-Pilze (Lentinula edodes) schon vor mehr als 1000 Jahren kultiviert, indem man tote Baumstämme mit dem Pilzmycel beimpfte (Stephenson 2011). Bis heute zählen Shiitake-Pilze in Asien zu den wichtigsten Kulturpilzen , sie werden mittlerweile aber weltweit auf unterschiedlichsten Substraten kultiviert. Die in Europa am häufigsten angebauten Pilze sind Champignons.

Immer häufiger spielt beim Pilzanbau eine Rolle, dass man damit Abfallstoffe „upcyclen“, also sinnvoll weiter nutzen kann. Das gilt für Dung, Stroh, Sägemehl oder andere Holzabfälle, aber auch für Abfälle aus der Bierbrauerei (Biertreber) und aus der Kaffeeproduktion, sogar aus Kaffeesatz lassen sich Austernseitlinge gewinnen. Der Wiener Pilzzüchter Haidvogl http://www.pilz-kultur.at/Die%20Seite/ startete 1996 eine Aktion, bei der er alte Wiener Telefonbücher erfolgreich als Kultursubstrat für Austernseitlinge nutzte (Kasten Kaffeepilze).
Mittlerweile spielen Speisepilze und Heilpilze auch in der Hobbygärtnerei eine wichtige Rolle. Im Internet gibt es viele Angebote für Startkulturen, Kultursubstrate und fertige Ansätze, die nur ausgepackt und bewässert werden müssen.

Nahrungsmittelbearbeitung

Neben der direkten Verwertung von Pilzen als Nahrungsmittel spielen Pilze eine wichtige Rolle bei der Nahrungsmittelbearbeitung bzw. –fermentation.
Die Bedeutung der Hefepilze für die Geschichte der Menschheit kann kaum überschätzt werden. Die Art Saccharomyces cerevisiae, wörtlich übersetzt “Zuckerpilz des Bieres“, und bekannt als die Gewöhnliche Bierhefe kann Zucker zu Ethanol („Alkohol“) und Kohlenstoffdioxid abbauen. Beide Abbauprodukte werden von Menschen seit Jahrtausenden genutzt, das Ethanol zur Herstellung alkoholischer Getränke, das Kohlenstoffdioxid zum Brotbacken (Hefeteig). Einige Historiker glauben, dass das Bierbrauen aus gekeimten Getreidekörnern der erste Anlass für den Beginn des Ackerbaus war. Wenn dies stimmt, wäre die unbewusste Kultivierung von Hefepilzen die erste Voraussetzung für die Entwicklung von Hochkulturen gewesen (Reichholf 2008).
Neben der Bierhefe spielen auch noch zahlreiche andere Mikropilze eine wichtige Rolle in der biotechnischen Produktion und in der Mikrobiologie. Eine lange Tradition haben die verschiedenen Pilze, die in der Käseherstellung eingesetzt werden, wie Penicillium camembertii oder P. roquefortii, oder die verschiedenen Pilzarten, die man in Ostasien zur Fermentierung von Soja, Reis oder anderen Getreidearten nutzt. Der Schlauchpilz Fusarium venenatum wird seit den 1980iger Jahren in Großbritannien zur Herstellung eines als „Quorn“ bezeichneten Fleischersatzes verwendet. Der gefürchtete Pflanzenparasit Botrytis cinerea (s. S. XX) bewirkt auf reifen Weintrauben eine sogenannte „“Edelfäule“, die für die Produktion von besonderen Weinen (Beerenauslese, Trockenbeerenauslese) genutzt werden.

Antibiotika und Statine

Pilze sind seit der Entdeckung von Alexander Fleming die klassischen Lieferanten von Antibiotika. Ohne pilzliche Cyclosporine könnte man die Immunreaktion bei Organtransplantationen kaum unterdrücken. Auch die als Cholesterrolsynthesehemmer eingesetzten Statine stammen aus Schimmelpilzen.

Im mikrobiologischen Labor werden Pilze meist unter sterilen Bedingungen in Petrischalen auf festem Substrat (Agar mit Zusätzen) oder in flüssigen Medien kultiviert. Aus solchen Kulturen werden – heute oft unter Anwendung gentechnischer Methoden – immer wieder Stämme mit neuen Stoffwechselleistungen gewonnen. In der Biotechnik verwendet man große Bioreaktoren zur Produktion zum Beispiel von Zitronensäure (Aspergillus niger), weiteren organische Säuren, Antibiotika, Enzymen und Steroiden.

Pilzgifte

Viele Pilzgifte sind Stoffwechselbestandteile von Großpilzen. Obwohl schon seit dem Altertum bekannt, werden immer wieder neue Giftpilze und neue Gifte entdeckt, z. B. der Glutamatantagonist Acromelsäure aus dem Parfümierten Trichterling (Clitocybe amoenolens, 1987 nach DGfM) oder 2001 die in dem lange Zeit als guter Speisepilz geltenden Grünen Ritterling (Tricholoma equestre) enthaltene Cycloprop-2-en-carboxylsäure, die zumindest bei manchen Menschen Skelettmuskelzerfall (Rhabdomyolyse) verursacht. Die verschiedenen giftig wirkenden Substanzen aus Pilzen und die Funktionszusammenhänge im Organismus sind in vielen Fällen noch nicht genau erforscht. Üblicherweise werden die Vergiftungserscheinungen unter verschiedenen Syndromen zusammengefasst (Tabelle XX Pilzvergiftungen).
Von den rund 8000 in Mitteleuropa vorkommenden Großpilzen sind nur 150-200 Arten giftig. Als tödlich giftig werden von der französischen Gesellschaft für Mykologie 28 Arten genannt. Von 2003 – 2012 starben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes durch Verzehr von giftigen Pilzen allerdings nur 31 Personen, insbesondere am häufigen Grünen Knollenblätterpilz (Amanita phalloides). Trotzdem sind Giftpilze eine nicht zu unterschätzende Gefahr, die nur vermieden werden kann, wenn man nur solche Pilze zu Speisezwecken verwendet, die man ganz sicher kennt. Diese Erkenntnis muss das wichtigste Unterrichtsziel bei der Behandlung von Giftpilzen sein. Im übrigen kann man auf die Möglichkeit der Pilzberatung und die verschiedenen Giftnotrufzentralen aufmerksam machen (s. S. XX).
In Abgrenzung zu den Giften in Fruchtkörpern der Großpilze werden giftige Inhaltsstoffe in Schimmelpilzen und anderen Mikropilzen (Aflatoxine, Ochratoxine u. a.) als Mykotoxine bezeichnet. Besonders Getreideprodukte und Nüsse können durch Schimmelbefall vergiftet werden. Über das Futter können die Gifte auch von Nutztieren aufgenommen werden und in Nahrungsmittel gelangen („carry-on“). Auch der giftige Mutterkornpilz (Claviceps purpurea) ist dieser Kategorie zuzuordnen (s. S. XX).

Halluzinogene Pilze

Psychoaktive Pilzinhaltsstoffe haben vor allem bei Azteken und Mayas schon seit Jahrtausenden eine wichtige Rolle gespielt. Die bekannten Pilzsteine der Mayas aus Guatemala wurden im 1. Jahrtausend unserer Zeitrechnung hergestellt. Von der Hippiekultur der 1960iger und 70iger Jahre wurden Pilze – insbesondere Psilocybe-Arten – als Rauschdrogen wiederentdeckt. Der Fliegenpilz (Amanita muscaria) spielte als wichtiger psychoaktiver Pilz vor allem in Nordasien und Nordamerika, wahrscheinlich auch in Europa, eine bedeutende Rolle. Dass er bis heute als Glückssymbol gilt, dürfte auf diese Verwendung zurückzuführen sein. Der Ethnologe Wasson vertrat die nicht endgültig gesicherte Ansicht, dass die in Sanskrittexten beschriebene göttliche Droge Soma der Fliegenpilz sei (Wasson 1968, Bauer/Klapp 2012).

Heilpilze

Heilpilze haben vor allem in der traditionellen chinesischen Heilkunde einen große Bedeutung, werden aber auch zunehmend in westlichen Ländern genutzt und oft über das Internet vertrieben. Kernkeulen (Cordiceps) sollen das Immunsystem stärken, der Stachelbart (Hericium) wird gegen Sodbrennen und empfindliche Magenschleimhäute empfohlen, der Eichhase (Polyporus umbellatus) soll herzstärkend wirken und Wassereinlagerungen verhindern, der Glänzende Lackporling (Ganoderma lucidum) wird nahezu als Allheilmittel gepriesen, besonders aber als Mittel gegen neurotische Erkrankungen. Der Brasilianische Mandelchampignon (Agaricus subrufescens, syn. A. blazei) gilt nicht nur wegen seines Gehalts an β-D-Glucanen als Immunsystem unterstützend, auch seinem hohen Selengehalt wird gesundheitliche Bedeutung zugemessen.

Vorratsschädlinge, Holzzersetzer

Als Saprobionten vernichten Pilze natürlich auch alle Arten von organischen Materialien, die vom Menschen genutzt werden: Nahrungsmittel (Vorratsschädlinge), Textilien und Lederwaren und Baumaterialien, vor allem Holz. Der Hausschwamm (Serpula lacrymans) ist für Holz- und Fachwerkäuser eine besondere Gefahr, da er ein höchst effektives Wasserleitungssystem besitzt und damit auch für völlig trockene Holzkonstruktionen gefährlich werden kann (Bavendamm 1974). Über die Bedeutung von Schimmelpilzen in feuchten Räumen ist viel geschrieben und gestritten worden. Gefährlicher als die Vernichtung von Bausubstanz sind hier vor allem allergische Reaktionen der Bewohner auf Pilzsporen.

Pathogene

Auf die Wirkung pflanzen- und tierpathogener Pilze wurde schon im Zusammenhang mit ihrer Rolle als Konsumenten in Ökosystem hingewiesen. „Although viruses and bacteria grab more attention, fungi are the planet’s biggest killers“ schrieb Nicola Jones 2013 in einem Artikel über mögliche zukünftige globale Bedrohungen. Dabei könnte der Klimawandel die Ausbreitung von Pilzparasiten begünstigen. So hat sich der ursprünglich tropische humanpathogene Pilz Cryptococcus gattii an Amerikas Pazifikküste nach Nordwesten ausgebreitet und 2010 bereits 280 Personen infiziert, von denen zahlreiche starben. Angegriffen werden die Atemwege. Der Pilz ist auch Pflanzenparasit, eine Infektion ist auch über befallene Bäume, vor allem Eukalyptusarten, möglich.

Kompostierbare Baustoffe

Schließlich eignen sich Pilze auch zur Herstellung von kompostierbaren Baustoffen und Verpackungsmaterialien. Als Beispiel sei die New Yorker Firma, Ecovativedesign genannt, die dafür mit mehreren Umweltpreisen ausgezeichnet wurde.

Verwandtschaft und Phylogenie

Pilze werden als „Fadenwesen“ bezeichnet (Holzer 2011). Dieser Name charakterisiert das Reich der Pilze recht gut, denn auch bei den nicht fädigen Hefepilzen gibt es zahlreiche Übergänge zu einer fädigen Lebensform. Andererseits gehören nicht alle fädigen chlorophyllfreien Lebewesen zur engeren Verwandtschaft der Pilze. Schon bei Prokaryoten kommen chlorophylllose „Fadenwesen“ vor, die folgerichtig zunächst auch als „Strahlenpilze“ oder „Actinomyceten“ bezeichnet wurden, heute aber korrekt Actinobacteria genannt werden. Die „Eipilze“ oder „Oomycota“ entwickeln Echten Pilzen ähnliche Fadengeflechte, ihre Zellwände enthalten jedoch kein Chitin sondern Cellulose, weshalb sie auch „Cellulosepilze“ genannt werden. Zu ihnen gehören gefährliche Pflanzenparasiten wie die Kartoffelfäule (Phytophthora infestans) und die „Falschen Mehltaupilze“ (Peronosporaceae). Verwandtschaftlich lassen sie sich zusammen mit Braunalgen, Goldalgen und Kieselalgen der Protistengruppe Chromista (Stramenopila) zuordnen.
Auch die Schleimpilze (Myxomycota) sind keine Pilze im engeren Sinne. Große Teile ihres Lebenszyklus leben sie als Einzeller, nur zur Fortpflanzung bilden sie größere Aggregate und morphologisch sehr unterschiedliche und auffällige Sporenkörper. Bei einer Untergruppe bilden sich vielkernige, nicht in einzelne Zellen unterteilte Syncytien (s. S. XX).

Die ersten Versuche einer systematischen Gliederung der Pilze im 18. und 19. Jahrhundert basierten auf der Makromorphologie der Fruchtkörper. Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts rückten mikromorphologische Merkmale immer mehr in den Vordergrund. Seit Ende des 20. Jahrhunderts wurden zunehmend molekulargenetische Methoden zur Aufklärung der Verwandtschaftsbeziehungen der Pilze eingesetzt. 67 Mykologen erarbeiteten im Rahmen des Projekts „Assembling the Fungal Tree of Life“ ein vorläufiges Gesamtergebnis, das 2007 veröffentlicht wurde (Hibbett et al. 2007). Dieses System bedeutet in vieler Hinsicht eine völlige Neuordnung. So wurde die lange sehr gut etablierte Gruppe der Bauchpilze mit Bovisten, Erdsternen und Teuerlingen vollständig aufgelöst. Die einzelnen Taxa wurden unterschiedlichen systematischen Gruppen zugeordnet, der Kartoffelbovist zum Beispiel den Röhrlingsartigen, die Stäublinge und Teuerlinge in eine Familie mit den Champignons. 2001 wurde in Guyana ein Pilz entdeckt, der aussah wie ein Stielbovist (Gattung Tulostoma), sich aber bei genetischer Untersuchung als Verwandter der Hirschtrüffeln (Elaphomycetaceae, Ascomycota) herausstellte (Miller et al. 2001).
Die Schlauchpilze und Ständerpilze insgesamt blieben als einheitliche Verwandtschaftsgruppen (Abteilungen) erhalten, die früher als „Algenpilze“ oder „Niedere Pilze“ zusammengefassten Gruppen mit Jochpilzen und Geißelpilzen wurden – nach Ausschluss der Oomycota – neu aufgeteilt, ihre systematische Gliederung in neue Abteilungen ist jedoch noch im Fluss. Als gesichert gilt die Monophylie der Verursacher der vesikuär-arbuskulären Mykorrhizen, der Abteilung Glomeromycota.

Die stammesgeschichtliche Entstehung der Pilze reicht vermutlich weit ins Präkambrium zurück, sicherlich weiter als 1 Mrd. Jahre. 2017 entdeckten schwedische Forscher Pilzmyzel-ähniche Strukturen in 2,4 Mrd. J. alten südafrikanischen Basalten (Bengtson et. al 2017). Die Zuordnung der gefundenen Fadenstrukturen zu Pilzen ist jedoch nicht unumstritten. In 410 Mill. Jahre alten Sedimenten des Unterdevons kommen zusammen mit den ersten Landpflanzen auch schon alle Pilzgruppen außer den Basidiomyceten vor. Basidiomycota dürften wesentlich später entstanden sein, sichere Fossilfunde sind 90 Mill. Jahre alt (Stephenson 2010; Moore et al. 2011). Von einem bemerkenswerten Riesenfossil aus dem Devon, Prototaxites mit bis über 8m langen Stammstrukturen, wird heute angenommen, das es pilzlicher Natur war – ein wahrer Pilzbaum in der damals noch ziemlich niedrigen Vegetation (Boyce et al 2007, Abb. XX). Dieses größte Landlebewesen seiner Zeit hat sich aber nicht von den Abfällen der ersten Landpflanzen ernährt, das Isotopenverhältnis seiner Kohlenstoffverbindungen deutet darauf hin, dass es sich von den biogenen Abfallstoffen ernährt hat, die in den vorausgegangenen 2 Mrd. Jahren von Protisten angehäuft worden waren. Das große Artensterben vor 251 (Perm – Trias) und vor 65 (Kreide – Tertiär) Millionen Jahren hatte vermutlich jeweils zur Folge, dass saprobiotische Pilze besonders gute Entwicklungsbedingungen vorfanden. Entsprechend viele Pilzfossilien kennt man aus diesen Zeitabschnitten (Moore/Robsen/Trinci 2011).

Im Stammbaum der Lebewesen stehen Pilze zusammen mit den Tieren und den einzelligen Kragengeißlern (Choanoflagellatae) in einer großen Verwandtschaftsgruppe (Schubgeißler, Opisthokonta). Deren Schwestergruppe sind die Amoebozoa mit Amöben und Schleimpilzen. Zusammen werden sie auch als Amorphea bezeichnet und als monophyletische Gruppe von allen übrigen Eukaryoten abgegrenzt (Adl et al. 2012).

Resumé

In den folgenden Unterrichtsvorschlägen kann nur eine kleine Auswahl aus den möglichen pilzkundlichen Themen gegeben werden. Wir mussten auswählen, genau so, wie jede Lehrperson immer auswählen muss, wenn sie ein komplexes Thema bearbeiten will. Wir hoffen aber, dass deutlich wurde, dass Pilze in fast allen Teilgebieten der Life Sciences eine Rolle spielen, insbesondere auch in Bereichen der angewandten Biologie, und dass es sich lohnt, im Biologieunterricht nicht nur beim „Ökosystem Wald“ auf die Bedeutung dieser fantastischen Fadenwesen zu sprechen zu kommen.

Literarur und Quellen unter

https://www.wilfried-probst.de//wp-admin/post.php?post=709&action=edit

Drei Partner -Flechten sind Trippelorganismen

Ein Organismus höheren Ranges

„Da mengen sich alle Farben wie auf der Palette des Malers, mit der ein solcher mit Krustenflechten besiedelter Felsblock von weitem entschieden Ähnlichkeit hat. Bald gelb gleißend wie mit Gold überzogen, daneben wieder schimmerndes Silber, oder düsterer Schmuck wie Tulametall, hier sanftes Grau, dort zartes Grün und das leuchtendste Braunrot, alles besetzt mit allerliebsten Näpfchen und Schüsselchen, dazu eine Formenfülle, die im bloßen Nachbilden und Beschreiben zum Künstler macht. Das ist die Flechtenwelt. Und diese ganze Flechtenwelt entsteht aus einzelligen oder Fadenalgen, die es wagten, sich vom Wasser in die Luft zu begeben, weil sie durch treue Genossen, durch ein zartes Gespinst von Pilzfäden vor der tödlichen Austrocknung bewahrt werden. Ein neues und vielleicht noch vollkommeneres Wunder als die Transsubstantiation durch die Verdauung! Zwei einfache, für sich alleine unsichtbare oder kaum nur als grüner Staub und weißer Schimmel sichtbare lebende Wesen gründen eine Ernährungsgenossenschaft; der Pilz baut ein Häuschen, die Alge schlüpft hinein, und dies erzeugt einen Organismus höheren Ranges als alle beide für sich alleine waren.“

So begeistert beschrieb Raoul Heinrich Francé (1874-1943) vor mehr als 100 Jahren die Flechtensymbiose, die er als „Lichenismus“ bezeichnete. Er schrieb dies 1906, im ersten Band des von ihm begründeten achtbändigen Werk „Das Leben der Pflanzen“, das seinerzeit auch als der „Brehm der Pflanzenkunde“ bezeichnet wurde. Francé, vielseitiger Naturwisseenschaftler, Pionier der Bodenkunde, von dem der Begriff „Edaphon“ für die Gesamtheit der Bodenorganismen eingeführt wurde, lange zu Unrecht in Vergessenheit geraten, wurde in letzter Zeit als ein Vater der Biotechnologie wiederentdeckt. Er hat schon vor 100 Jahren darauf hingewiesen, dass viele Prinzipien menschlicher Erfindungen im Tier – und Pflanzenreich schon vorhanden sind und dass daher technische Probleme durch Erforschung und Anwendung biologischer Vorbilder lösbar wären.

Als er seine blumige Schilderung der Flechtensymbiose verfasste, lag die entscheidende Entdeckung Anton De Bary‘s (1831-1888) schon 40 Jahre zurück. 1866, vor 150 Jahren, konnte dieser Botaniker und Mykologe nachweisen, dass Gallertflechten eine Symbiose aus Blaugrünen Bakterien und Pilzen darstellen. Der Schweizer Botaniker Simon Schwendener (1829-1919) sprach dann 1869 die Vermutung aus, dass auch die übrigen Flechten aus Algen und Pilzen bestünden. Ernst Stahl (1848-1919) gelang es 1877 zum ersten Mal, aus Sporen ei­nes Flechtenpilzes nach dem Zusammentreffen mit dem Algenpartner wieder eine neue Flechte zu „synthetisieren“. Doch solche Flechtensynthesen im Labor sind bis heute problematisch. Selten gelingt und gelang es auf diese Weise, die typischen Flechtenthalli zu produzieren.

Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass die „Flechtensymbiose“ in vielen Fällen komplizierter ist, als es zunächst den Anschein hatte. So kommen oft mehr als zwei Partner vor, in vielen Fällen zum Beispiel als zweiter fotosynthetisierender Partner ein  Cyanobakterium. Außerdem sind alle Übergänge von einer mehr mutualistischen, also zum gegenseitigen Vorteil gereichenden Beziehung, bis zu einer einseitigen parasitischen Beziehung möglich.

Die neue Entdeckung: ein weiterer Pilzpartner

Im Jahre 2016 konnte ein Forscherteam unter Federführung von Toby Spribille nachweisen, dass die Wissenschaft 150 Jahre lang übersehen hatte, dass es bei Flechten häufig (fast immer? meistens?, manchmal?) einen zweiten Pilz als Symbiosepartner gibt. Für eine gelungene Flechtensynthese muss vermutlich auch dieser dritte Partner zugegen sein.

Und das ist zusammengefasst die Geschichte dieser bemerkenswerten Entdeckung: In den Bergwäldern Montanas kommen zwei Arten der Bartflechtengattung Bryoria, nämlich Bryoria tortuosa und Bryoria fremontii, vor, die genau aus denselben Pilz- und Algenpartnern bestehen. Aber während B. fremontii bräunlich gefärbt ist, hat B. tortuosa eine auffällig grünlich gelbe Färbung, die auf die reichliche Produktion von giftiger Vulpinsäure zurück zu führen ist. Da sich auch genetisch (im Transkriptom) bei den Schlauchpilzen und den Algen der beiden Arten keine Unterschiede feststellen ließen, war diese sehr unterschiedliche Produktion der Vulpinsäure nicht zu erklären.

Die Wolfsflechte (Letharia vulpina), eine relativ häufige Flechte der Alpenregion, bildet viel giftige Vulpinsäure und hat einen zweiten Basidiomyceten als Symbionten (Foto Probst)

Die Wolfsflechte (Letharia vulpina), eine relativ häufige Flechte der Alpenregion, bildet viel giftige Vulpinsäure und hat einen zweiten Basidiomyceten als Symbionten (Foto Probst)

Erst als die Forscher ihre molekulargenetischen Untersuchungen auf alle Pilze ausdehnten, konnten sie in Transkriptomen von Bryoria tortuosa vermehrt bestimmte der Ständerpilzgattung Cyphobasidium zuordenbare Sequenzen finden. Daraus folgerten sie, dass die Produktion von Vulpinsäure mit der Vergesellschaftung eines weiteren Pilzpartners mit der Flechte in Verbindung steht. Bei molekulargenetischen Untersuchungen an zahlreichen weiteren Flechtengattungen konnten die Forscher für 52 weitere Gattungen die Gegenwart solcher Basidiomyceten nachweisen, 42 davon gehören zur Familie der Parmeliaceae. Gleichzeitig stellte sich dabei heraus, dass es sich bei den beteiligten Pilzen aus der Verwandtschaft Cyphobasidium jeweils um unterschiedliche gattungsspezifische Arten handeln dürfte. Die Forscher zogen aus den genetischen Daten die Schlussfolgerung, dass die Aufspaltung dieses Artenschwarmes vor etwa 200 Millionen Jahren begann, etwa gleichzeitig mit der Differenzierung der Hauptgruppen der Flechtenpilze aus dem Phylum Lecanoromycetes. Daraus kann man ableiten, dass diese Dreierbeziehung erdgeschichtlich schon sehr lange besteht.

Cyphobasidium ist eine erst 2015 beschriebene Gattung aus der großen Gruppe der Rostpilzverwandten (Pucciniomycetes), die meistens in einer hefeartig knospenden einzelligen Form auftritt und nur selten Basidien bildet. Solche Basidien wurden in gallenähnlichen Auswüchsen von Flechten der Gattungen Parmelia und Usnea gefunden.

Die Dreifachsymbiose der Wolfsflechte (Letharia vulpina)

Die Dreifachsymbiose der Wolfsflechte (Letharia vulpina)

Die Schwierigkeiten, aus Pilz – und Algenpartner im Labor eine Flechte zu synthetisieren könnten sich damit erklären, dass für die richtige Ausbildung der Flechtenform auch der zweite Pilzpartner notwendig ist. Dass man diesen dritten Partner bisher nicht entdeckt hatte, liegt vermutlich auch daran, dass er mikroskopisch ausgesprochen schwer zu erkennen ist. Erst durch farbliche Markierung entsprechender RNA-Abschnitte konnten Spribille und sein Team auch mikroskopische Bilder gewinnen, aus denen die Lage dieses zweiten Pilzes im Flechtenthallus zu erkennen ist. Er ist in der äußeren Rindenschicht zu finden, die häufig aus einer Auflage extrazellulärer Zuckermoleküle zusammengesetzt ist. Die Abbildung zeigt, wie man sich die Lage der Basidiomycetenpilze in den Thalli der verschiedenen Flechtenformen vorstellen kann.

Lebensformen der Flechten, gelbe Flecken markieren die hefeartigen Basidiomyceten

Lebensformen der Flechten, gelbe Flecken markieren die hefeartigen Basidiomyceten

Das Ganze ist mehr als seine Teile

„Lichens were one of the earliest described symbioses and remain one of the most poorly understood. In essence, they are self-assembling and self-replicating microbe communities: none of the components of the lichen symbiosis, on their own, form anything that resembles the lichen“ schreibt der Flechtenforscher Toby Spribille auf seiner lesenswerten Homepage (http://tobyspribille.weebly.com/ )

Dieser Selbstzusammenbau der Mikrobengemeinschaft „Flechte“ ist etwas besonderes. Denn äußerlich ähneln die vielen verschiedenen Flechten, anders als bei anderen Symbiosen, keinem der beiden sie aufbauenden Partner. Auch über die gestaltliche Eigenständigkeit hinaus sind  Flechten durch zahlreiche charakteristische Leistungen ausgezeichnet. Man kann deshalb von einer neuen morphologischen, physiologischen und ökologi­schen Ein­heit sprechen. Die rätselhaften Leistungen der „Doppelorganismen“ bekommen durch ihre Entlarvung als „Trippelorganismen“ zwar eine neue Dimension und neue mögliche Erklärungen, sie sind aber keineswegs geklärt. Vielleicht sind die zweiten Pilzpartner in vielen Fällen für die Bildung der besonderen Flechtenstoffe wie Vulpinsäure, Lackmusfarbstoff, Lecanorsäure oder Parietin verantwortlich, aber was steckt hinter den flechtentypischen Verbreitungseinheiten? Soredien

Sordien und Isidien, gemeinsame Fortpflanzungseinheiten von Pilz und Alge - sind die Hefen auch mit dabei?

Sordien und Isidien, gemeinsame Fortpflanzungseinheiten von Pilz und Alge – sind die Hefen auch mit dabei?

sind winzige Konglomerate aus einigen Algenzellen und Pilzhyphen, die in speziellen Organen, den Soralen, gebildet werden und die an Sporenbildu8ng erinnern. Isidien sind stiftartige Auswüchse des Flechtenthallus, die Pilz- und Algenpartner enthalten und leicht abbrechen und der Verbreitung dienen – ähnlich wie Brutkörper oder Bruchblätter bei Moosen. Ist der Basidiomyctenen-Hefepilz auch schon in den Soredien enthalten? Bei den Isidien scheint das sehr wahrscheinlich.

Flechten sind hochentwickelte Biofilme

Dass Mikroben  komplexe Aggregate bilden können, beweisen die weit verbreiteten aber lange Zeit wenig erforschten Biofilme. Sie bestehen aus einer mehr oder weniger dicken, Oberflächen überziehenden Schleimschicht, in der Mikroorganismen wie Bakterien, Algen, Pilze und Protisten eingebettet sind. Sie siedeln sich in der Regel an Grenzflächen an, zwischen Gas- und Flüssigphase (Kahmhaut), zwischen Flüssig – und Festphase (Schleimbelag auf Steinen am Gewässergrund) oder auch zwischen verschiedenen flüssigen Phasen. In diesen Biofilmen findet ein Stoff- und Signalaustausch zwischen den verschiedenen Organismen statt, der dem Erhalt und der Vermehrung des Gesamtsystems dient. Solche Biofilme kommen überall vor, in Böden, auf Gesteinen, an Pflanzen und auf Schleimhäuten von Tieren, im Eis von Gletschern, in heißen Quellen. an Felswänden und in Wüstenböden. Sie besitzen sie eine große ökologische Bedeutung, denn sie stabilisieren Oberflächen, mobilisieren Stoffe aus Mineralien, binden Kohlenstoffdioxid und Luftstickstoff. Man kann annehmen, dass sie entscheidende Vorläufer bei der Besiedelung des Festlandes waren (vgl. Nostoc – der ältest Landbewohner?) Flechten sind eine spezielle und besonders erfolgreiche Form solcher Mikrobenmatten.

Literatur

Francé, R. H. (1906): Das Pflanzenleben Deutschlands und seiner Nachbarländer. Kosmos,Franckh’sche Verlagshandlung, Stuttgart  (S.352 ff)

Spribille, T. et al. (2016): Basidiomycete yeasts in the cortex of ascomycete macrolichens. Science Vol.353,Issue 6298, pp.488-492

Ausführliche Literatur- und Quellenliste zum UB-Heft 405 „Pilze“

Bei den Recherchen zum UB Heft über Pilze, das voraussichtlich im Juni 2015 erscheinen wird, habe ich wesentlich mehr Literatur konsultiert als in der Literaturliste zum Basisartikel angegeben. Deshalb folgt hier eine ausführlichere Liste. Für wichtige oder besonders interessante Ergänzungen wäre ich dankbar.

Wilfried Probst, im November 2014

Zeitschriften, Beiträge zu Sammelbänden

Adl, S. et al. (2012): The Revised Classification of Eukaryotes. Journal of Eukaryotic Microbiology 59(5).
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Agerer; R. (1993): Mykorrhiza. UB 183 (Jg. 29), S.46-48

Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL, 2013): Pilze und Naturschutz. Laufen
http://www.anl.bayern.de/veranstaltungen/tagungsergebnisse/2013pilze/index.htm

Angersbach, U./Groß, J. (2005): Blattschneiderameisen – schneiden, kauen und essen? UB 306 (29. Jg.), S. 34-40

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Bardgett, R.D./van der Putten, W. H. (2014): Belowground biodiversity and ecosystem functioning. Nature 515, pp. 505-511

Barnekow, D./Probst, W. (2005): Termiten fressen Holz. Beihefter in UB 306 (29.Jg.), S. 28-31

Bavendamm; W. (1974): Die Holzschäden und ihre Verhütung. Stuttgart: Wiss. Verlagsges.

Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) (2013): Bericht von der Tagung „Pilze und Naturschutz“ 2.2.2013 http://www.anl.bayern.de/veranstaltungen/tagungsergebnisse/2013pilze/index.htm

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Lehrbücher/Sachbücher

Bauer, W./Klapp, E. (2012): Wasson und der Soma. Heiliger Pilz. Berauschender Trank, Visionen. Solothurn: Nachtschatten-Verlag

Butin, H. (2011): Krankheiten der Wald-und Parkbäume. Diagnose, Biologie, Bekämpfung. Stuttgart: Ulmer

Cheeke, T. E./Coleman, D. C./ Wall, D. H. (Hrsg): Microbial Ecology in Sustainable Agroecosystems. Boca Raton/USA: CRC-Press

Dörfelt, H./Ruske, E. (2014): Morphologie der Großpilze. Heidelberg: Springer-Spektrum

Dörfelt, H./Ruske, E. (2008, 2. A.): Die Welt der Pilze. Jena: Weissdorn

Dörfelt, H./Jetschke, G. (2001, 2.A.): Wörterbuch der Mykologie, Heidelberg: Spektrum

Dörfelt, H./ Heklau, H. (1998): Die Geschichte der Mykologie. Hamburg: Einhorn

Erb, B./Matheis, W. (1983): Pilzmikroskopie. Präparation und Untersuchung von Pilzen . Stuttgart: Franckh-Kosmos

Flammer, R. (2014): Giftpilze. Aarau (Schweiz): AT-Verlag

Flammer, R./Horak, E. (2003): Giftpilze – Pilzgifte. Basel: Schwabe & Co.

Holzer, H. (2011): Fadenwesen: Fabelhafte Pilzwelt. Freyung: Edition Lichtland

Guthmann, J./Hahn, C./Reichel, R. (2011):Taschenlexikon der Pilze Deutschlands. Wiebelsheim: Quelle und Meyer

Kadereit, J. W./Körner, Ch./Kost; B./Sonnewald, U (2014, 37. A.): Strasburger Lehrbuch der Pflanzenwissenschaften . Berlin/Heidelberg: Springer-Spektrum

Kreisel, H. (2014): Ethnobiologie. Verzeichnis der ethnobiologisch, biotechnologisch und toxikilogisch relevanten Pilze. Jena: Weissdorn-Verlag

Kück, U./Nowrusian, M./Hoff, B./Engh, I. (2009): Schimmelpilze. Lebensweise, Nutzen, Schaden, Bekämpfung. Heidelberg/Berlin: Springer

Merckx, V. S. F. T. (2013): Mycoheterotrophy: The Biology of Plants Living on Fungi. New York …: Springer

Mishra, S. R. (2010): Textbook of Mycology. New Dehli: Discovery Publishing House

Lüder, R./ Lüder, F. (2013): Pilze zum Genießen. Das Familien-Pilzbuch für Küche, Kreativität und Kinder. Neustadt: Kreativpinsel-Verlag

Montag, K. (2015): Cook mal Pilze! Mit Fotos von über 1200 Pilzarten und über 300 bebilderten Rezepten. Schmelz: Verlag Der Tintling :

Moore; D./Robsen, G. D./Trinci, A. (2011): 21st Century Guidebook to Fungi. Cambridge u. a.: Cambridge Univ. Press

Müller, E./Loeffler, W. (1992, 5. A.): Mykologie – Grundriß für Naturwissenschaftler und Mediziner. Stuttgart u. a.: Thieme

Neubert, H./Nowotny, W./Baumann, K. (1993-2000): Die Myxomyceten Deutschlands und des angrenzenden Alpenraumes. 3 Bande. Gomaringen

Rätsch; C. (2010): Pilze und Menschen: Gebrauch, Wirkung und Bedeutung der Pilze in der Kultur. Aarau(Schweiz): AT-Verlag

Reichholf, J. H. (2008): Warum die Menschen sesshaft wurden: Das größte Rätsel unserer Geschichte. Frankfurt: S. Fischer

Roth, L./Fank, H./;Korman, K. (2001, 2. A.): Giftpilze – Pilzgifte. Hamburg: Nikol

Schön, G. (2005): Pilze – Lebewesen zwischen Pflanze und Tier. München: C. H. Beck

Schwantes, H. O. (1996): Biologie der Pilze. Stuttgart: Ulmer

Stephenson, S. L. (2010): The Kingdom Fungi. The Biology of Mushrooms, Molds and Lichens. Portland/Cambridge: Timber Press

Ulloa, M.,/Hanlin, R. T. (2012, 2. A.): Illustrated dictionary of mycology. St. Paul/USA: Phytopathological Society Press

Wasson, R. G. (1968): Soma: the divine mushroom of immortality. Ethnomycological Studies No. 1. New York: Harcourt Brace Janovich

Wearing, J. (2010): Fungi: Mushrooms, toadstools, molds, yeasts and other fungi. A class of their own. St.Catherine,Ontario,Canada: Crabtree Publ.Comp.

Weber, H. (1993): Allgemeine Mykologie. Jena: G. Fischer

Webster, J./Weber, R. W. S. (2007, 3. A.): Introduction to Fungi. Cambridge: University Press Cambridge

 

Bestimmungsliteratur (kleine Auswahl)

Bestimmung vorwiegend nach Abbildungen

Bon, M. (2012): Pareys Buch der Pilze. 1500 Pilze, über 2400 Zeichnungen. , Stuttgart: Franckh-Kosmos

Dähnke, R. (2001): 1200 Pilze in Farbfoto. Augsburg: Bechtermünz

Flück, M. (2013): Welcher Pilz ist das?: Extra. Pilze und ihre Baumpartner

Gehardt, E.(2013): Der große BLV Pilzführer für unterwegs: München: BLV

Laux, H. E./Gminder, A. (2010): Der große Kosmos-Pilzführer : alle Speisepilze mit ihren giftigen Doppelgängern: Stuttgart: Franckh-Kosmos

Bestimmungsschlüssel

Gröger, F. ( Teil I 2007 und Teil II 2014): Bestimmungsschlüssel für Blätterpilze und Röhrlinge in Europa.Regensburger Mykologische Schriften Bd. 13 und Bd. 17

Horak, E. (2005, 6. A): Röhrlinge und Blätterpilze in Europa.  Heidelberg:  Spektrum (Elsevier)2005, 6. A.

Jahn, H.: Pilze rundum, vergriffen aber als pdf kostenlos verfügbar
http://www.pilzbriefe.de/pilze_rundum/

Jülich, W. (1984): Die Nichtblätterpilze, Gallertpilze und Bauchpilze. In: Kleine Kryptogamenflora. IIb/1. Basidiomyceten, 1. Teil.; Stuttgart/New York: G. Fischer

Lüder, R. (2012, 3. A.): Grundkurs Pilzbestimmung. Wiebelsheim: Quelle u. Meyer.

Moser, M. (1983, 5. A.): Die Röhrlinge und Blätterpilze. (Polyporales, Boletales, Agaricales, Russulales). In: Kleine Kryptogamenflora. IIb/2. Basidiomyceten, 2. Teil., Jena/Stuttgart: G. Fischer

Pilze bestimmen mit dem PC
http://www.pilze.ch/pilzbestimmung/cd-2000pilze.htm

Tröger, R./Hübsch, P. (1990): Einheimische Großpilze. Bestimmungtafeln für Pilzfreunde. Stuttgart: G. Fischer

Winkler, R. (1996): 2000 Pilze einfach bestimmen. AT-Verlag, Aarau/Schweiz

Mehrbändige Werke

Agerer; R. (1985-2002): Colour Atlas of Ectomycorrhizae, 12 Teillieferungen. Schwäbisch Gmünd: Einhorn

Breitenbach, J./Kränzlin, F. (1981-2005): Pilze der Schweiz, 6 Bände, Luzern: Mycologia

Krieglsteiner, G./Gminder, A./Winterhoff, W. (2000-2010): Die Großpilze Baden-Württembergs. 5 Bände (nur Ständerpilze). Stuttgart: Ulmer

Michael, E. /Hennig, B./Kreisel, H. (1975-1987): Handbuch für Pilzfreunde, 6 Bände, Jena: G. Fischer

Moser, M./Jülich, W. (1985-2005): Farbatlas der Basidiomyceten. Lfg. 1-22. Heidelberg/Berlin: Springer-Spektrum

 

Zeitschriften (nur Deutschland)

Boletus – Pilzkundliche Zeitschrift des Bundesfachausschusses Mykologie. Hrsg.:NABU, 2 Hefte pro Jahr mit insgesamt ca.120 S. Wiessdorn-Verlag, Jena

Mycologia Bavarica – Bayerische mykologische Zeitschrift, Hrsg. Bayerische Mykologische Gesellschaft und Verein für Pilzkunde München

Südwestdeutsche Pilzrundschau, Hrsg. Verein der Pilzfreunde Stuttgart

Der Tintling, Hrsg. Karin Montag, Schmelz

Zeitschrift für Mykologie, Hrsg. Deutsche Gesellschaft für Mykologie,

Hier findet man Weblinks zu deutschen, österreichischen und schweizer Pilzzeitschriften:
http://www.entoloma.de/weblinks/zeitschriften-und-periodika.html

 

Weitere URLs

Pilze und Naturschutz
http://www.anl.bayern.de/veranstaltungen/tagungsergebnisse/2013pilze/index.htm

Pilze im Unterricht
http://www.dgfm-ev.de/node/17

http://www.dgfm-ev.de/node/1241

http://www.dgfm-ev.de/category/hauptmen%C3%BC/projekte/kinder-und-jugend/kopiervorlagen

http://crcooper01.people.ysu.edu/4848Home.html

http://mycology.cornell.edu/fteach.html

http://www.mycolog.com/

http://www.bcp.fu-berlin.de/en/biologie/arbeitsgruppen/mikrobiologie/ag_mutzel/res/pilzvorlesungst.pdf

http://www.schulportal-thueringen.de/web/guest/media/detail?tspi=2200

Teaching the fungal tree of life
http://www.clarku.edu/faculty/dhibbett/TFTOL/content/1introprogress.html
http://www.clarku.edu/faculty/dhibbett/TFTOL/content/4folder/homobasidiomycetes.html

Große Pilzausstellung, München 2006
http://www.botmuc.de/v-2006/06-09-15-pilze.html

Kingdom of fungi
http://www.mycolog.com/CHAP1.htm

Cladogramm Pilzsystem
Parniske, M.: Arbuscular mycorrhiza: the mother of plant root endosymbioses. Nature Reviews Microbiology 6, pp. 763-775 (October 2008) | doi:10.1038/nrmicro1987
http://www.google.de/imgres?biw=1393&bih=891&tbm=isch&tbnid=r6TiymNk9cfazM%3A&imgrefurl=http%3A%2F%2Fwww.nature.com%2Fnrmicro%2Fjournal%2Fv6%2Fn10%2Ffig_tab%2Fnrmicro1987_F1.html&docid=HoCYcQKHWnvfDM&imgurl=http%3A%2F%2Fwww.nature.com%2Fnrmicro%2Fjournal%2Fv6%2Fn10%2Fimages%2Fnrmicro1987-f1.jpg&w=655&h=1074&ei=UJffUoPtAsaThQfIloGIDg&zoom=1&iact=rc&dur=767&page=1&start=0&ndsp=36&ved=0CFoQrQMwAA

Pilzgerüche
http://www.vapko.ch/index.php/de/fragen-rund-um-pilze/die-seite-fur-den-anfanger/152-26-die-pilzgerueche

Endophytische Pilze
http://www.storckverlag.de/wp-content/uploads/2012/05/Fortbildung-2010-03-Endophyten-Quelle-pflanzlicher-Arzneistoffe.pdf

Pilzproduktion
http://german.china.org.cn/archive2006/txt/2002-06/12/content_2033432.htm
http://www.pilz-kultur.at/Die%20Seite/
http://pilzzuchtshop.de/anleitung2.php?mode=ext#anker2
http://pilzzuchtshop.de/Pilzzuchtkultur%20Substrate.php

Selenhaltiger Brasilianischer Mandelpilz
http://en.wikipedia.org/wiki/Agaricus_subrufescens
http://www.gesunde-pilze.de/nachhaltigkeit.html

Giftpilzliste nach Syndromen
http://www.dgfm-ev.de/s/default/files/21-04-2014Giftpilz-Liste-AG_HA-w97.pdf

Pilztote
http://www.welt.de/gesundheit/article131879273/Schwere-Pilzvergiftungen-nehmen-in-Deutschland-zu.html
http://www.pilzschule.de/html/pilztote.html

Heilpilze
http://www.heilenmitpilzen.de/heilpilze.html

Predatoren
http://www.nematophage-pilze.de/

Fliegenpilz und Kinderlied „Ein Männlein steht im Walde …“
http://realasmodis.blog.de/2012/11/08/maennlein-steht-walde-15181429/

Riesenfruchtkörper
Macrocybe titans
http://www.mushroomexpert.com/macrocybe_titans.html
Fomitoporia ellipsoidea
http://www.bbc.co.uk/nature/14294283

Pilze – Pioniere der Biotechnologie
https://www.youtube.com/watch?v=Vke_BraoyTw

Radioaktive Belastung
http://www.umweltinstitut.org/themen/radioaktivitaet/messungen/waldproduktmessungen.html

Der symbiotische Planet – Lynn Margulis (5.3.1938 – 22.11.2011) eröffnete eine neue Sicht auf das Leben und die Erde

Im Botanischen Großpraktikum an der Universität Tübingen hörte ich 1965 zum ersten Mal von einer alten aber recht abstrusen Theorie, die 1883 von A. F. W. Schimper in die Welt gesetzt worden war. Danach sollten Chloroplasten und andere Plastiden aus endosymbiotischen Blaualgen hervorgegangen sein. Es wurde uns damals von unserem Dozenten gesagt, dass diese Hypothese sehr weit hergeholt wäre und wenig Widerhall gefunden hätte. Nach modernen Erkenntnissen müsste man sie als sehr unwahrscheinlich ansehen. Fasziniert hat mich der Gedanke damals trotzdem.

1967 erschien der Aufsatz von Lynn Sagan (so hieß Margulis damals noch nach ihrem ersten Ehemann, dem Astrophysiker Carl Sagan) „On the origin of mitosing cells“. Die Arbeit war von zahlreichen Publikationsorganen zurückgewiesen worden, ehe sie schließlich vom Journal of Theoretical Biology angenommen wurde. Ihm folgte dann 1970 die Buchpublikation „Origin of Eukaryotic Cells„, die den Durchbruch brachte. Von beiden Publikationen erfuhr ich erst deutlich später. Und dann habe ich allmählich auch viele andere Werke von Lynn Margulis gelesen. Ich war immer wieder fasziniert von ihrem unkonventionellen Stil und ihren überraschenden Gedankengängen und Schlussfolgerungen. So hat mich die Lektüre ihres gemeinsam mit Karlene V. Schwartz herausgegebenen Buches „Five Kingdoms: An Illustrated Guide to the Phyla of Life on Earth“ (1987) dazu veranlasst, meine Lehrveranstaltung „Die Abteilungen des Pflanzenreiches“ in „4 aus 5“ umzubenennen.

Heute hat die Endosymbiontentheorie Eingang in alle Lehrbücher und viele Schulbücher gefunden. Sie gilt als gesichert und fundiert und dies ist vor allem Lynn Margulis zu verdanken. Margulis erhielt für ihre Forschungen die National Medal of Science des US Präsidenten, die Darwin-Wallace Medal der Linnean Society, London, und den William Procter Prize for Scientific Achievement. Sie wurde nicht nur Mitglied der US-amerikanischen sondern auch der Russischen Akademie der Wissenschaften, in die außer ihr bisher nur drei andere US-Amerikaner aufgenommen wurden. Dies lag sicherlich auch daran, dass sie in ihren Arbeiten an die russischen Symbioseforscher des frühen 20. Jahrhunderts erinnerte und diese in der westlichen Welt überhaupt erst bekannt machte. Sie bezeichnete die von Forschern wie Konstantin S. Mereshkowsky, Boris M. Kozo-Polyansky oder Ivan E. Wallin vertretenen Ansichten mit dem von dem im englischen Exil lebenden Russen Peter Kropotkin als Ergänzung zu Darwin gedachten Werk „Mutual Aid“ als „Mutual-Aid-Biology“. Trotz ihres großen Erfolges kann man die Powerfrau bis heute nicht eigentlich zum Establishment der Biologen und Naturwissenschaftler zählen. Immer wieder schockte sie ihre Kollegen mit ungewöhnlichen Ideen, mit denen sie außerhalb des etablierten Wissenschaftsgebäudes lag. Ihr oberstes Ziel war es, die Kooperation unter den Organismen als wichtigsten Motor der Evolution zu etablieren und an die Stelle der von Neodarwinismus und der synthetischen Theorie ganz in den Vordergrund gestellten Konkurrenz zu setzen. Der Symbiogenese als Artbildungs- und Evolutionsprozess vor allem auf der Stufe der Mikroorganismen und Prokaryoten widmete sie einen Großteil ihrer Forschungen und ihrer Publikationen, die sich auch an eine breitere Öffentlichkeit wandten, dann häufig in Coautorenschaft mit ihrem Sohn aus erster Ehe Dorion Sagan. So ist es auch gut verständlich, dass sie schon früh als Protagonistin der von Lovelock aufgestellten Gaia Hypothese auftrat.
Auch ist es deshalb nicht verwunderlich, dass Lynn Margulis dem horizontalen Gentransfer eine große Bedeutung für die Evolution zugemessen hat, was sich bis heute in mancher Hinsicht zu bestätigen scheint. In jedem Falle haben ihre Gedanken und Ideen den Vorstellungen vom Leben auf der Erde und seiner Evolution viele ganz neue Impulse gegeben. Nicht ganz verständlich für mich ist, dass Margulis sich sehr kritisch zur „natürliche Selektion“ als Evolutionsfaktor geäußert hat, weil sie dies als „Abwertung“ der Symbiogenese ansah. Es geht doch aber darum, herauszufinden ob Konkurrenz oder Kooperation bei der Wirksamkeit der natürlichen Selektion wichtiger sind. Trotzdem ist nicht ganz zu verstehen, wie heftig Lynn Margulis deswegen von etablierten Evolutionsbiologen angegriffen wurde und wird.

Schließlich muss auch erwähnt werden, dass Margulis in den letzten Jahren einige ziemlich einhellig als eher abwegig anzusehende Hypothesen im Zusammenhang mit dem Immunsystem aufgestellt hat, unter anderem hat sie auch Zweifel daran geäußert, dass Aids vorwiegend auf eine Virusinfektion zurückzuführen sei. Sehr angegriffen wurde sie auch dafür, dass sie sich 2009 für die Veröffentlichung einer Arbeit von Donald I. Williamson in den renommierten Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) einsetzte, die in der Fachwelt großen Widerspruch erregte. Der Autor versucht in dieser Arbeit nachzuweisen, dass die Metamorphose der Insekten auf die Hybridisierung zweier verschiedener Arten zurückzuführen ist. Er nimmt an, dass auch andere Entwicklungen, die über ein Larvenstadium laufen, aus solchen Hybridisierungen entstanden sind.

Seit 1988 lehrte und forschte Lynn Margulis an der University of Massachusetts Amherst. Es gelang ihr, gleichzeitig und gleichermaßen intensiv und engagiert zu forschen, zu lehren und vier Kinder aufzuziehen.
So sehr sie nun vermisst werden wird, so beruhigend ist doch, dass sie in ihren zahlreichen Publikationen weiter präsent bleibt.

•  Literatur von und über Lynn Margulis im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek

https://portal.dnb.de/opac.htm?query=Woe%3D115464654&method=simpleSearch

 

 

Die fremddienliche Zweckmäßigkeit des Gallapfels

Gallen der Blattlaus Tetraneura ulmi auf Blättern der Berg-ULME

Gallen der Blattlaus Tetraneura ulmi auf Blättern der Berg-Ulme

Fremddienliche Zweckmäßigkeit und Weltseele

Vor fast 100 Jahren dienten dem Philosophen Erich Becher Pflanzengallen als Argument für eine Weltseele, heute könnten Vetreter des „Intelligent Design“diese Argumentationslinie nutzen. Doch obwohl ihre Leistungen durchaus verblüffend und bis heute in manchen Hinsicht rätselhaft sind, stehen Pflanzengallen bisher nicht gerade im Blickpunkt aktueller Forschungen und auch von Naturfreunden und Freilandbiologen werden sie meist nicht besonders beachtet. Dies mag daran einmal daran liegen, dass es für diese eigenartigen Naturphänomene – im Gegensatz zu vielen anderen Organismengruppen und Naturerscheinungen – nur verhältnismäßig wenige lnformationsmöglichkeiten gibt (vgl. aber Bellmann 2012). Allerdings kann man sich im Internet mittlerweile ganz gut informieren. Zum anderen könnte der Grund aber auch sein, dass Ursachen ihrer Bildung bisher weder auf funktionaler (proximater) noch auf evolutionstheoretischer (ultimater) Ebene befriedigend erklärt sind. Weiterlesen