Von Mai bis Dezember
Der Feinstrahl, auch Feinstrahl-Berufkraut oder Einjähriges Berufkraut (Erigeron annuus (L.)Pers.) ist ein gern gesehener Bewohner unseres Gartens. Im Mai streckt sich aus der ziemlich breitblättrigen Rosette ein Spross mit immer schmaler werdenden Blättern, der sich schließlich feingliedrig verzweigt und viele Köpfchen mit schmalen weißen oder ganz leicht lila angehauchten Strahlenblüten und einer gelben Mitte aus Röhrenblüten bildet. Er blüht den ganzen Sommer über bis in den Herbst und bei mildem Wetter können sich die letzten Blütenköpfchen auch noch im Dezember öffnen. Das liegt daran, dass auch noch später im Jahr Pflanzen keimen und heranwachsen. Auch Pflanzen, deren Blütenstände abgeschnitten wurden oder vom Wind geknickt wurden, treiben später neue Blütenstände.
Unwanted Newcomer? – Bei mir nicht!
Der Feinstrahl wurde schon im 17. Jahrhundert als Zierpflanze aus Nordamerika in Europa eingeführt (Kowarik 2003, S.59) und er hat sich hier allmählich eingebürgert. Als Zierpflanze ist er – zu Unrecht – kaum noch in Gebrauch. In Deutschland trifft man die asternähnliche Pflanze im Süden und in der Mitte deutlich häufiger als im Norden. Nördlich der Eider – in meiner alten Heimat – ist er nach der aktuellen Verbreitungskarte von Floraweb (Datenstand 2013) bis heute noch nicht beobachtet worden.
Die winzigen, in großer Anzahl produzierten Flugfrüchte müssten eigentlich eine schnelle und weite Ausbreitung garantieren. Immerhin wurde die Pflanze in 1965 von 3000 Messtischblättern (TK 25) registriert. Auf der von Kowarik nach der TK25-Häufigkeit zusammengestellten Liste der 50 häufigsten Neophyten steht sie auf Platz 32.
Seit einiger Zeit ist es üblich geworden, Verkehrsinseln und Randstreifen aber auch Vorgärten grob einzuschottern, vermutlich, um dem „Unkraut“ keine Chance zu geben. Beim Feinstrahl, der heute im Allgemeinen zu den Unkräutern gerechnet wird, wirkt dies nicht besonders. Er mag solche geschotterten Flächen ganz gerne. Ich kenne einen Schotterbereich an einer Straßeneinmündung in die B 31bei Immenstaad, der nun schon im zweiten Jahr einen fast reinen Feinstrahl-Bestand ausgebildet hat. Das sieht sehr schön aus.
In den letzten Jahren scheint sich der Feinstrahl stärker auszubreiten und deshalb wird er von manchen Naturschützern auch schon als möglicherweise „invasiv“, also gefährlich für heimische Arten und Ökosysteme, angesehen. In der Schweiz wurde die Art schon auf die Beobachtungsliste für invasive Neophyten (Schwarze Liste) gesetzt. Eine besondere Gefährdung soll sie für die Stromtalwiesen darstellen. Diese pflanzensoziologisch auch als Brenndolden-Feuchtwiesen bezeichneten und nach der FFH-Reichtlinie durch die EU geschützten Lebensräume werden aber sicherlich mehr durch veränderte Nutzung und Eutrophierung als durch den Feinstrahl bedroht.
Berufkräuter
Neben dem Einjährigen Berufkraut kommt in Deutschland vor allem noch das Scharfe Berufkraut (Erigeron acris), eine einheimische und meist mehrjährige Art, vor. Sie hat in der Volksmedizin eine bedeutende Rolle gespielt. Daher kommt auch der Name, der oft falsch als „Berufskraut“ zu lesen bzw. zu hören ist. Es geht aber nicht um den Beruf, sondern um das „Berufen“. Das Scharfe oder Echte Berufkraut sollte nämlich vor dem bösen Zauber, dem Berufen durch Geister, Hexen oder Teufel, schützen. Deshalb wurde die Pflanze im Mittelalter Säuglingen in die Wiege gelegt. Der wissenschaftliche Name „Erigeron“ lässt sich auf griechisch „eri“ = früh und „geron“ = Greis zurückführen und bedeutet etwa „früh alternd“ (Genaust 1983) Das bezieht sich – ganz ähnlich wie bei den Greiskräutern (Gattung Senecio von lateinisch „senex“ = Greis) auf den mehr oder weniger grauen Haarkranz der Früchte, den Pappus. Gleich nach der Blüte erscheinen graue Haare.
Bis heute gelten Berufkräuter als Heilpflanzen, insbesondere wegen ihres Gehaltes an Gerbstoffen, etherischen Ölen und Flavonoiden . In der offiziellen Heilkunde spielen sie aber keine Rolle. Die Pflanze eignet sich aber als Lieferant für Gemüse und Salate, vor allem die jungen Blätter der grundständigen Rosette.
Früchte ohne Befruchtung
Sippen von Erigeron annuus haben normalerweise einen doppelten Chromosomensatz von 27, seltener 54, sie sind also triploid bzw. hexaploid. Dabei triploiden Pflanzen keine normale Meiose möglich ist, wäre eine normale sexuelle Fortpflanzung nicht möglich. Der Feinstahl zeigt aber trotzdem einen guten Fruchtansatz, der auf apomiktischen Wege, also ohne Befruchtung, zustande kommt. Obwohl der Feinstrahl also gar keine Insekten zur Bestäubung benötigt, ist er bei Blütenbesuchern nicht unbeliebt. Schwebfliegen, Bienen, Hummeln und Schmetterlinge sind häufige Gäste der Blütenstände.
Quellen
Genaust, H. (1983: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. Basel …: Birkhäuser
Kowarik, I. (2003): Biolgische Invasionen:Neophyten und Neozoen in Mitteleuropa. Stuttgart: Ulmer
Oberdorfer, E. (8.A. 2001): Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von A. Schwabe und T.Müller. Stuttgart: Ulmer
http://www.exkotours.de/Archiv/Berufkraut.html
https://brandenburg.nabu.de/natur-und-landschaft/nabu-aktivitaeten/auwiesenschutz/odertal/11578.html
http://heilkraeuter.de/lexikon/einjaehriges-berufkraut.htm
http://www.kraeuter-vielfalt-franken.de/aktuelleinfos/860.Unsere_Pflanze_des_Monats_-_Juli_.html
https://www.pflanzen-vielfalt.net/wildpflanzen-a-z/%C3%BCbersicht-a-h/berufkraut-einj%C3%A4hriges/