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Bioplanetenschutz

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Dieser Beitrag beruht auf Recherchen, die ich im Zusammenhang mit dem Unterricht Biologie Heft „Naturschutz auf neuen Wegen“ (UB 465) durchgeführt habe. Das Heft ist im Sommer 2021 erschienen.

Seit Beginn der Industrialisierung haben sich die Verhältnisse auf unserem Bioplaneten Erde (Kattmann 1991,2004) durch exponentielles Wachstum von Wirtschaft und Bevölkerung drastisch verändert, besonders deutlich in den letzten Jahrzehnten. Dank der elektronischen Datenverarbeitung und immer genaueren Registrierungsmöglichkeiten durch Satelliten lassen sich diese Veränderungen recht genau beschreiben. Schon lange vorher gesagt aber erst in den letzten Jahren in den Mittelpunkt des kollektiven Bewusstseins gerückt ist die durch menschliche Aktivitäten verursachte Klimaerwärmung, um die Dimension dieser drastischen Entwicklung besonders zu betonen, wird neuerdings von „Klimaerhitzung“ gesprochen. Obwohl diese negativen Veränderungen besorgniserregend rasch voranschreiten, besteht nach wie vor Hoffnung auf eine Stabilisierung. Es gibt viele Ideen und auch schon realisierte Beispiele, wie man die Zukunft des Bioplaneten nachhaltiger gestalten könnte.

Bioplanetenschutz heißt Schutz der Funktionsabläufe

Nach konservativen Verständnis geht es im Naturschutz um den Erhalt oder gegebenenfalls auch die Wiederherstellung eines jetzigen oder früheren Zustandes, der den Menschen und seine Aktivitäten weitgehend ausklammert. In einem erweiterten Verständnis bedeutet der Schutz der Natur Schutz des Bioplaneten, d. h. insbesondere Schutz und Erhalt der Funktionsabläufe. In diesem Sinne können auch weitgehende Eingriffe und Manipulationen durch den Menschen (Geoengineering, synthetische Biologie), ökonomisch Maßnahmen wie Steuererhebungen oder juristische Maßnahmen wie Verbote von Verbrennungsmotoren oder Kohlekraftwerken als Naturschutzmaßnahmen verstanden werden.

Für die Rechtfertigung solcher Eingriffe sind einmal auf breiter wissenschaftlicher Basis erstellte Analysen und Prognosen erforderlich. Zum anderen müssen diese Erkenntnisse Grundlage von Bildung und Ausbildung werden. Neben neuen technischen Lösungen muss  Naturschutz deshalb verstärkt um die menschliche Akteure einschließen. Sozio-ökonomische Aspekte müssen mit gedacht und interdisziplinär behandelt werden. Dazu gehören besondere Anreize für umweltfreundliches oder naturschutzkonformes Verhalten, deren Vorteile unmittelbar wirksam werden. Nur dann wird es möglich sein, den demokratischen Konsens herzustellen, der für eine politische Durchsetzung sinnvoller Maßnahmen notwendig ist.

Landschaftsgestaltung, Renaturierung, Regeneration

Landschaftsgestalterische Maßnahmen können zur Renaturierung oder sogar Regenerierung von Ökosystemen führen oder neue artenreiche Ökosysteme entstehen lassen.

  • Die Wiedervernässung von Mooren kann deren Fähigkeit wieder herstellen, Kohlenstoff in unvollständig abgebautem Pflanzenmaterial zu speichern. Außerdem wirken die Torfkörper der Moore regulierend auf den Wasserhaushalt.
  • Die Restauration und Neugewinnung ausgedehnter Schilfgürtel um Gewässer, kann die Qualität belasteter Gewässer verbessern, insbesondere den Nitrat- und Phosphatgehalt mindern, aber auch viele andere Schadstoffe binden.
  • Die naturnahe Gestaltung von stillgelegten Kiesgruben, Steinbrüchen  und Tagebauflächen  (z. B. Braunkohle)  kann ökologisch wertvolle Biotope und Landschaften entstehen lassen und damit die Biodiversität fördern.
  • Entrohrung, Renaturierung und Remäandrierung von Bachläufen kann die Wasserqualität verbessern, Überschwemmungsgefahren mindern und im Sinne eines natürlichen Wasserkreislauf wirken. Außerdem entstehen dadurch vielseitige Lebensräume, welche die Biodiversität fördern.
  • Die Anlage von marinen Hartsubstratböden, z. B. um Offshore-Windparks kann die Biodiversität fördern, insbesondere durch die Schaffung neuer Siedlungsflächen für Aufwuchsorganismen und Brutgebiete  für Fische.
  • Durch geeignete Maßnahmen können bisher eher als Plantagen genutzte Waldgebiete in naturnahe Wälder umgebaut werden.
  • In potenziellen Waldgebieten kann der Anteil der Bewaldung durch Aufforstungsmaßnahmen erhöht werden.
  • Extensiv genutzte Weideflächen („Wilde Weiden“) lassen vielseitig strukturierte Landschaften mit hoher Biodiversität entstehen.
  • Vor allem in Trockengebieten können überweidete Landschaften durch Regulierung des Weidegangs aufgewertet werden.
Durch Überweidung desertifizierte Landschaft in Nordafghanistan bei Kunduz,25.7.1974 (Foto W.Probst)

Für diese Renaturierungs- und Regenerationsmaßnahmen werden viele Arbeitskräfte benötigt. Durch entsprechende Förderprogramme können Landwirtschaft und Forstwirtschaft in Renaturierungsprogramme eingebunden werden.

Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, für solche Aufgaben verstärkt das Militär einzusetzen und dafür entsprechende Kenntnisse und Fertigkeiten in die militärische Ausbildung einzubauen (J. Ellington in Randers 2012).

Besonders spektakuläre Großprojekte sind Chinas „Grüne Mauer“ und die 2005 diesem Vorbild folgende von der Afrikanischen Union initiierte grüne Mauer durch die Sahelzone . Sie sollen Wüstenbildung aufhalten und teilweise rückgängig machen. 

Die chinesische „Grüne Mauer“ verdankt ihren Namen der chinesischen „Großen Mauer“: Während die Große Mauer Schutz gegen die Völker aus dem Norden bieten sollte, soll die Grüne Mauer vor Wüstenstürmen schützen. Das Projekt wurde schon 1978 begonnen und soll bis 2050 fortgesetzt werden. Bis dahin sollen 350.000 km² – dies entspricht etwa der Fläche der Bundesrepublik – mit Bäumen bepflanzt sein. Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass durch die Bewässerung der neu angelegten Schutzwälder alte, flussbegleitende Wälder geschädigt werden (Missall u.a. 2018).

Afrikas „Grüne Mauer“ (GGWSSI; Great Green Wall of the Sahara and the Sahel Initiative) ist als 7775 km langer, mindestens 15 km breiter Baumstreifen geplant, der die Trockenregion am südlichen Rand der Sahara von Dakar bis Dschibuti durchziehen soll. Die Idee geht auf den 1987 ermordeten Präsidenten von Burkina Faso Thomas Sankara und auf die kenianische Professorin und Nobelpreisträgerin Wangari Maathai und ihr „green belt movement“ zurück. Unter der Präsidentschaft des damaligen Präsidenten von Nigeria Olusegun Obasanjo übernahm die Afrikanische Union das Projekt. Bisher wird es von 22 afrikanischen Staaten unterstützt. Mittlerweile sprechen viele Verantwortlichen nicht mehr von einer Mauer sondern eher von einem Mosaik, da verstärkt in Dorfgemeinschaften verwurzelte Projekte unterstützt werden sollen. Außerdem soll auch der Erhalt und  Schutz bereits existierender Baumbestände stärker gefördert werden.  Auf dem „One Planet Summit“ im Januar 2021 in Paris hat die internationale Gemeinschaft 11,8 Mrd. Euro für das Projekt zugesagt.

Über diese und zahlreiche weitere Aufforstungsprojekte berichtet Daniel Schilk in seinem 2019 erschienenen Buch „Die Wiederbegrünung der Welt“.

Ökosystemerhalt durch assistierte Evolution

Die Idee, gefährdete Arten dadurch zu erhalten, dass man sie in Gefangenschaft oder im Labor züchtet und dann in natürlichen Ökosystemen freilässt, ist schon mehr als 100 Jahre alt.1895 hat der Geschäftsmann und Ornithologe Edward McIlhenny auf diese Weise in Louisiana die vom Aussterben bedrohten Schmuckreiher erhalten. Zwischen 1885 und 1807 konnte Richard Henry den neuseeländischen Kakapo (flugunfähiger Papagei) und den Kiwi durch Translokation von Tieren auf die vor der Westküste Neuseelands liegenden Insel Resolution Island vor dem Aussterben retten (Seddon 2017). Mittlerweile gibt es viele mehr oder weniger erfolgreiche Beispiele solcher Versuche, durch Translokation oder Zucht und Aussetzen gefährdete Arten zu erhalten, in Mitteleuropa zum Beispiel Luchse, Biber und Waldtrappe. Dabei geht es nicht nur um den Erhalt der betreffenden Arten sondern auch um die Funktion der Ökosysteme. Durch die Wiederetablierung von Schlüsselarten hofft man, Ökosysteme zu regenerieren oder auch neue wertvolle Ökosysteme zu schaffen.

Doch auch über weitergehende Schritte wird nachgedacht. Dabei könnte die synthetischen Biologie eine wichtige Rolle spielen, indem ausgestorbene Arten wie das Wollhaar-Mammut oder der Auerochse gentechnisch rekonstruiert werden (De-Extinction, Redford 2017). Als Quelle könnte genetisches Material aus alten Sammlungen oder aus Fossilien und verwandte noch lebende Arten genutzt werden.

Die Überlegungen gehen noch einen Schritt weiter: Es können nicht nur natürliche Arten künstlich vermehrt oder wiederhergestellt, sondern auch „verbessert“, also durch Zucht oder Gentechnik gezielt verändert werden. Bei Riffkorallen soll zum Beispiel versucht werden die endosymbiontisch Zooxanthellen gentechnisch so zu verändern, dass sie auch bei höheren Meerestemperaturen funktionsfähig bleiben und dadurch Korallenbleiche vermieden werden können. Allgemein soll es durch das Einbringen solcher „verbesserter“ Lebewesen, die veränderte Umweltbedingungen besser aushalten,gelingen Ökosysteme als Ganzes zu erhalten.

Bisher wird Assistierte Evolution vor allem an Korallenriffen erprobt.

Erhalt, Regeneration und Neuschaffung von Ökosystemen mit Hilfe Assistierter Evolution (Grafik W.Probst)

Verhinderung der Klimaerwärmung durch Geoengineering

Durch technische Eingriffe in das Klimasystem (Geoengineering) soll die Klimaerwärmung vermindert werden. Dabei sind vor allem zwei Möglichkeiten denkbar:

  • Der Atmosphäre werden direkt Treibhausgase, insbesondere Kohlenstoffdioxid, entzogen (Carbon Dioxid Removal CDR, Carbon Capture and Storage, CCS).
  • Die auf die Erde eintreffende Sonnenstrahlung wird verringert (Solar Radiation Management SRM).
Methoden des Geoengeneering (W. Probst verändert nach Angaben in Gynsky u.a. 2011)

Die Bindung von Kohlenstoffdioxid kann entweder terrestrisch oder marin erfolgen. Klassische Vorschläge beruhen auf Methoden, durch die der Aufbau von Biomasse – zum Beispiel durch großflächige Aufforstung – gefördert wird oder Kohlenstoff haltiges Material in den Boden eingearbeitet wird (Beispiel Terra Preta). Auch Möglichkeiten, CO2 direkt aus der Luft zu filtern und unterirdisch dauerhaft zu speichern – zum Beispiel durch Einpressen in tiefliegende geologische Formationen (Carbon Capture and Storage, CCS). Die meisten derzeit laufenden Pilotprojekte testen die Integration dieser Art der CO2 Abscheidung direkt in der Kombination mit Kohlekraftwerken, weil dort in den Abgasen der CO2 Gehalt hoch ist. Die Möglichkeit der direkten Filterung aus der Luft, in der CO2 derzeit höchstens zu 0,5 Volumenpromille enthalten ist, wäre bisher zwar möglich aber sehr kostenaufwendig.

Um CO2 verstärkt in den Ozeanen zu binden, wird die Ozeandüngung diskutiert. Dabei bedient man sich der sogenannten biologischen Pumpe. Kohlenstoffdioxid wird von Mikroalgen assimilert und ein Teil davon wird als dauerhaftes Kohlenstoff-haltiges Sediment am Meeresboden abgelagert. Durch Düngung könnte die Phytoplanktonproduktion angeregt werden. Da man von den Makronährmineralien Nitrat und Phosphat sehr große Mengen benötigen würde, hat man bei bisherigen Versuchen mit dem Mikronährmineral Eisen gearbeitet Entsprechende verhältnismäßig kleinräumige, zeitlich begrenzte Versuche, die zu Beginn des Jahrhundert durchgeführt wurden, hatten allerdings wenig überzeugende Ergebnisse. Zwar konnte man zunächst Algenblüten bewirken, aber das Absinken des Phytoplanktons trat nur in sehr geringem Maße ein. Ein großer Teil wurde vom Zooplankton aufgenommen und dadurch veränderten sich die Nahrungsnetze. Auch die Blüte von toxischen Kieselalgen konnte beobachtet werden. Zudem ist die kontinuierliche Düngung sehr energieaufwendig und die Bilanz des tatsächlich gebundenen CO2 ist dadurch viel geringer als zunächst theoretisch berechnet wurde.

Eine weitere Möglichkeit, die Phytoplanktonproduktion zu erhöhen, läge in der Manipulation der marinen Schichtung. Wenn man verstärkt nährmineralreiches Tiefenwasser in obere Wasserschichten verlagern könnte – wie dies unter derzeit natürlichen Bedingungen zum Beispiel an der Westküste des amerikanischen Kontinents geschieht – könnte man die Phytoplanktonproduktion anregen. Entsprechende aus langen Rohren bestehende Pumpen, die vom Wellenschlag angetrieben werden, wurden zwar erfolgreich konstruiert. Um einen messbaren Effekt bei der marinen CO2– Speicherung zu erreichen, wären allerdings eine sehr große Zahl solcher Pumpen notwendig und die Folgewirkungen sind schwer abzuschätzen.

Außer durch die biologische Pumpe wird auch durch eine physikalische Pumpe CO2 von der Oberfläche in die Tiefen der Weltmeere befördert. Kalte Wassermassen mit hohem Salzgehalt im Nordatlantik und in dem antarktischen Zirkularstrom sinken ab und setzen globale Meeresströmungen in Gang, bei denen es an anderer Stelle zum aufsteigen von Tiefenwasser kommt. Da CO2 in kaltem Wasser eine höhere Löslichkeit hat als in wärmeren Wasser, wird durch diesen Prozess langfristig CO2 aus der Atmosphäre in die tieferen Wasserschichten transportiert. Aber alle Methoden, die bisher versucht wurden, um diesen Absinkeprozess zu verstärken, waren nicht erfolgreich, insbesondere, weil das Absinken des Wassers an anderen Stellen den Auftrieb verstärken und damit kohlenstoffdioxidreiches Wasser an die Oberfläche befördern würde. Ob die Bilanz dann tatsächlich zu einer verstärkten marinen CO2– bzw. C-Speicherung führen würde, ist fraglich.

Die zweite Möglichkeit ist die Verringerung der auf der Erde auftretenden Sonnenstrahlung, also die Beeinflussung des Strahlungshaushaltes (Solar Radiation Management SRM). Sie beruht einmal auf Methoden, welche die Reflexion der Strahlung verstärken, also die Erhöhung des Albedos der Erdoberfläche. Diskutiert wird zum Beispiel das Weißeln von Dachflächen oder die Installation von großen Reflektorflächen in Wüsten oder auf Meeren. Zur zum anderen könnte das Einbringen von Aerosolen in die Stratosphäre oder von großflächigen Spiegeln in den Weltraum das Durchdringen der Sonnenstrahlen bis zur Erdoberfläche verringern. Alle diese Methoden sind höchst umstritten, da man nur schwer Aussagen über die dabei auftretenden Nebeneffekte und Folgen machen kann. Außerdem ist der finanzielle Aufwand sehr hoch.

Insgesamt birgt Geoengineering große Risiken. Wenn sich aber zeigt, dass die vom Weltklimarat 2018 festgelegten Klimaziele  anders nicht erreicht werden können, wird man die Risiken einiger solcher Methoden wahrscheinlich in Kauf nehmen (Ginsky u.a. 2011).

Kreislaufwirtschaft zur Abfallvermeidung

Vermeidung von Abfall und Umweltverschmutzung  muss nicht (nur) auf Sparsamkeit und Verzicht aufgebaut sein, mindestens genauso wichtig ist eine konsequente Kreislaufwirtschaft: Alle Produkte müssen so konzipiert und  hergestellt werden, dass sie „rematerialisierbar“ sind, ob Möbel, Kleider, Autos, Baumaschinen Häuser oder Lebensmittelverpackungen. Nach Ansicht des Chemiker und Designers Michael Braungart und des Architekten William McDonough ist dieses „cradle to cradle-Prinzip“ (C2C, „Von der Wiege zur Wiege“)  sogar alleine entscheidend. (McDounough, Braungart 2009). Sie berufen sich dabei auf die Natur als Vorbild. Die üppigsten und artenreichsten Ökosysteme, die tropischen Regenwälder, sind nicht nur die produktivsten, sie setzen auch die größten Stoffmengen um. Daraus folgert Braungart, dass es nicht darum gehen kann, zu „sparen“ also, weniger umzusetzen, sondern darum, nicht zu „verbrauchen“ sondern zu „gebrauchen“. „Verschwendet! Aber richtig: Macht keinen Müll!“ fordert er. Sonnenenergie steht im Prinzip soviel zur Verfügung, dass es kein Problem ist, verschwenderisch damit umzugehen. Soziale Ungerechtigkeit und das Nord-Süd-Ungleichgewicht können nicht durch Sparsamkeit gelöst werden. Ihre Lösung ist aber Voraussetzung für geordnete, friedliche Verhältnisse auf unserem Planeten.

Dieses Konzept steht in gewissem Widerspruch zu der Forderung einer verminderten Ressourcennutzung wie sie vom Wuppertal Institut für Klima,Umwelt, Energie, zunächst als „Faktor 4“ (v. Weizsäcker, Lovins, Lovins 1995) später als „Faktor 10“ (Schmidt-Bleek 1997) propagiert wurde. Sicher kann es bei einer zukunftsfähigen, nachhaltigen Wirtschaft nur um ein „Sowohl-als-auch“ gehen, denn Kreislaufprozesse ganz ohne Abfall und Umweltschäden – das zeigt auch das Vorbild Natur – gibt es nicht. Fossile Brennstoffe sind ein Beispiel für solche natürlichen Abfälle und globale Katastrophen. Gutes Beispiel für die menschliche Wirtschaft  ist die große Verschwendung von Nahrungsmitteln und die damit verbundene Zerstörung von gut funktionierenden Kreislauf-Ökosystemen und inhumaner Nutztierhaltung.

Wie zukünftiges Wirtschaften verbessert werden könnte zeigt ein in Dänemark entwickelter Industriepark, in dem eine „Symbiose“ zwischen verschiedenen Industrieunternehmen nicht nur eine starke Abfallverminderung sondern auch eine bessere Energienutzung ermöglichen (Kalundborg Symbiosis 2020).

Das größte Problem beim Plastikabfall sind die Verpackungen. Eine konsequente Einführung von kompostiertem Verpackungsmaterial könnte hier große Verbesserungen bringen. Weltweit hat die sehr erfolgreiche Einführung von Kaffeepads aus Kunststoff oder Aluminium zu einem enormen Anstieg von Verpackungsmüll und Ressourcenverbrauch geführt, jährlich mittlerweile über 40 Milliarden Kapseln. Aber immer mehr Firmen versuchen, kompostierbare Verpackugen zu produzieren. Ein Beispiel ist die Firma Nexe Innovations, die derzeit mit ihren kompostierbaren Kaffeepads recht erfolgreich ist, die in allen gängigen Kaffeemascinen verwendet werden können.

Neobiota-Management

Im Laufe der Erdgeschichte zerbrachen Kontinente oder schoben sich zusammen, Inseln und Inselarchipele entstanden neu oder gingen unter, aus Grabenbrüchen wurden Ozeane, Meeresbuchten wurden abgetrennt, Binnenmeere öffneten sich zum Ozean. Diese geologischen Ereignisse wurden begleitet  von Ausbreitung, Rückgang, Einwanderung und Auswanderung von Lebewesen. Die Invasion neuer Arten und die Ausbreitung von Krankheitserregern und die dadurch bedingten Veränderungen von Ökosystemen sind ein natürlicher Vorgang in der Geschichte des Lebens. Doch im Gegensatz zu den geologischen Veränderungen haben die anthropogen verursachten globalen Veränderungen der letzten Jahrhunderte und vor allem der letzten Jahrzehnte zu einer enormen Beschleunigung dieser Invasionen beigetragen.

Schon im Zeitalter der europäischen Eroberungen und Kolonisationen und der Einwanderung von Europäern nach Amerika und Australien  wurden Tier- und Pflanzenarten von Menschen gezielt von Kontinent zu Kontinent verbreitet.

In den letzten Jahrzehnten haben der globale Warenaustausch und der Reiseverkehr, aber auch die gezielte Einfuhr gebietsfremder Arten, zu einer starken Zunahme von Neobiota (Neubürgern) geführt. Diese Einwanderer sind ein ernst zu nehmendes Naturschutzproblem geworden. Durch die Verdrängung einheimischer Arten können sie Ökosysteme verändern und schließlich das Aussterben von Arten bewirken („invasive Arten“). In der EU-Liste invasiver gebietsfremder Tier- und Pflanzenarten („Unionsliste“) werden derzeit 66 Tier- und Pflanzenarten als möglicherweise invasiv aufgelistet. Bereits in Deutschland etabliert sind zum Beispiel der Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum), das Indische Springkraut (Impatiens glandulifera), der Kamberkrebs (Orconectes limosus) und die Amurgrundel (Percottus glenii) (NABU 2019). Neben einer Konkurrenz mit einheimischen Arten geht es dabei auch um Schädlinge wie Kartoffelkäfer, Asiatischem Marienkäfer, Varoamilbe oder Buchsbaumzünsler, gegen die ansässige Arten kaum Abwehrkräfte entwickelt haben.

Wegsaum mit Drüsigem Springkraut (Impatiens glandulifera) im Rotwildpark Stuttgart, September 1991. Die Art stammt aus dem Himalaja und wurde 1839 nach England eingeführt. Von dort gelangte sie auf den Kontinent. Heute gilt sie als invasiver Neophyt und wird teilweise bekämpft. Verschiedene Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Pflanze die natürliche Waldverjüngung kaum negativ beeinflusst (Foto W. Probst).

Besonders gefährdet durch invasive Arten waren und sind Inseln mit speziellen Ökosystemen und vielen endemischen Arten. Die absichtliche Aussetzung von Ziegen und Schweinen und die unabsichtliche Einfuhr von Ratten durch die frühen Seefahrer des 16.-19. Jahrhunderts hatten schon verheerende Auswirkungen auf pazifischen Inseln, aber auch die Besiedlung von Amerika, Australien und Neuseeland durch Europäer hat einen gewaltigen Invasionsschub verursacht, der das Ende zahlreicher einheimischer Arten bewirkte. Gut dokumentiert ist der Artenrückgang auf der Pazifikinsel Guam, der durch die eingeschleppte Braune Nachtbaumnatter (Bioga irregularis) verursacht wurde (Probst 2010).

Aber sind alle Neobiota problematisch? Einer der führenden Neobiota-Forscher, Ingo Kowarik, gibt darauf folgende Antwort:

  • Ja, wenn Veränderungen von Natur als Problem gesehen werden.
  • Ja wenn „Fremdes“ als negativ gesehen wird.
  • Nein, wenn unterschiedliche Auswirkungen berücksichtigt werden.

(Ingo Kowarik bei einem Vortrag zum Landesbiologentag an der Universität Hohenheim am 7.11.2020).

Durch auf wissenschaftlichen Grundlagen erarbeitete Management-Pläne versucht man, schädliche Auswirkungen von Neobiota auf die Biodiversität zu begrenzen. Ein Beispiel: Durch den organsierten Austausch von Ballastwasser in der marinen Schifffahrt seit 2017 soll die Einschleppung gebietsfremder Arten verhindert werden.

Pandemien und Naturschutz

Mit dem globalisierten Austausch von Menschen und Waren haben sich auch Krankheitserreger ausgebreitet. Dies führte nicht selten in den neuen Ausbreitungsgebieten zu verheerenden Epidemien. Besonders betroffen waren  indigene Bevölkerungsgruppen Amerikas, zum Beispiel die mittlerweile (fast?) ausgestorbenen Ureinwohner Feuerlands, die Yagan oder Yamana (Kaiser 2013).

Auch in umgekehrter Richtung wurden schon lange Keime übertragen, zum Beispiel der Cholera-Erreger Vibrio cholerae aus Indien. Auch die Übertragung von Krankheitserregern von Tieren auf Menschen geht bis in das Neolithikum zurück, als durch die Einführung der Nutztierhaltung der Kontakt zwischen Tieren und Menschen enger wurde. Masern und Tuberkulose stammen von Kühen, Keuchhusten von Schweinen und Grippe von Enten (Shah 2020).

Die rasant voranschreitende Globalisierung der letzten Jahrzehnte hat die rasche Ausbreitung von Krankheitserregern, insbesondere von Bakterien und Viren, weiter gefördert. Dabei spielen nicht nur die größere Mobilität der Bevölkerung und der Reiseverkehr über große Entfernungen eine wichtige Rolle, sondern auch die immer stärkere Einschränkung von Wildtierpopulationen durch Verlust natürlicher Lebensräume, zum Beispiel tropischer Regenwälder. In den kleineren Populationen können sich Erreger schneller ausbreiten. Außerdem fördert der immer intensivere Kontakt der ständig wachsenden menschlichen Bevölkerung mit Tieren früher sehr abgelegener Regionen den Übergang von Krankheitskeimen von Wildtieren zu Menschen (Beispiel AIDS, Ebola, Vogelgrippe H1N5, SARS-Corona, Covid 19; vgl. Ruppert 2021, Keesing 2010, Jones 2008).

Man kann nur hoffen, dass die derzeitigen Erfahrungen mit der Covid 19 Pandemie zu einem Umdenken und einer vorsichtigeren Vorgehensweise führen.

Die immer intensivere Einflussnahme des Menschen auf alle Lebensräume und die räumliche Einschränkung naturnaher Biotope sollte gestoppt und womöglich rückgängig gemacht werden. Dabei geht es insbesondere darum, die Vielfalt der Arten in ausreichender Populationsgröße zu erhalten. Dadurch kann erreicht werden, dass sich Viren, auch neue mutierte Viren, nicht flächendeckend ausbreiten, sondern eher in einer Nische bleiben und nach einiger Zeit wieder Aussterben (infektionsbiologischer Verdünnungseffekt). Auch Generalisten wie Ratten oder Sperlinge, die für die Übertragung auf menschliche Populationen besonders gefährlich sind, sind in intakten Ökosystemen weniger verbreitet .

Inklusiver Naturschutz

Naturschutz sollte nicht nur in abgegrenzten Gebieten oder Biotopen stattfinden sondern überall. Die Einrichtung von Naturschutzgebieten hat zwar insofern eine gewisse Berechtigung, als es leichter ist, ökologisch wertvolle Lebensgemeinschaften, Schlüsselarten und Habitate auf diese Weise zu schützen. Außerdem sind naturnahe, von Menschen wenig beeinflusste Gebiete eine wichtige Voraussetzung für die ökologischen Funktionen des Bioplaneten. Es besteht aber die Gefahr, dass außerhalb von Schutzgebieten auf Natur und natürliche Funktionsabläufe keine oder zu wenig Rücksicht genommen wird. Angesichts der immer intensiveren Nutzung der Erde durch den Menschen wird es außerdem immer schwieriger, ausreichende Flächen für ungenutzte Gebiete bereitzuhalten. Flächendeckender „inklusiver“ Schutz der Natur auch in Städten und Gewerbegebieten, in Agrarlandschaften und entlang von Verkehrswegen wird deshalb immer wichtiger. Es gibt mittlerweile viele Ansätze, wie Natur auch außerhalb von Schutzgebieten nicht „ausgeschaltet, sondern eingeschaltet“ werden kann (Le Roy 1973), und Biodiversität und natürliche Funktionsabläufe erhalten bleiben.

Städte und Siedlungen

Zwischen 1985 und 2015 hat die die Ausdehnung von Städten und Siedlungen jährlich um 9687 km² zugenommen, mit steigender Tendenz (Liu et al. 2020). Damit ist der Flächenverbrauch der Städte schneller gewachsen als die Bevölkerung. Für eine nachhaltige Entwicklung müssen Städte deshalb „ökologisch“ werden. Eine Stadt mit großen Grünanlagen wie Parks und Gärten bietet zwar eine hohe Lebensqualität und eine bessere Ökobilanz. Dies geht aber insofern auf Kosten der Umgebung, als sie mehr Fläche für denselben umbauten Raum benötigt. Eine Erfolg versprechende Möglichkeit für dicht bebaute Großstädte ist die Integration von Bauwerken und Grünanlagen.

Neben Minderung des Klimawandels durch eine Verbesserung der CO2-Bilanz können dadurch auch die Auswirkungen einer Klimaerwärmung verringert werden (Grewe 2020). Schließlich wirken mit Sachverstand begrünte Städte auch dem Verlust der Biodiversität entgegen.

Die dynamische Vergrößerung städtischer Flächen von1985-2015. Datengrundlage sind Landsataufnahmen mit einer Auflösung von 30m. b) Steigungsrate des Stadtflächen-Wachstums auf den verschiedenen Kontinenten (Quelle Liu et al. 2020).
Vernetzte Dachgärten (Zeichnung W.Probst)

Dächer

Schon lange zählt es zu Attributen ökologischer Bauweise, Dächer zu begrünen. Die Etablierung und Ausgestaltung solcher Dachgärten und Wiesen ist aber noch sehr stark ausbaufähig, wie man auf Luftbildern von Städten leicht erkennen kann. Begrünte Dächer können durch Brücken vernetzt werden. Durch treppenartige Anordnung von Gebäudeteilen können Verbindungen zur bodenständigen Grundflächen hergestellt werden.

Fassaden

Auch begrünte Fassaden gibt es schon lange, aber eher an alten Bauernhäuser auf dem Land als an mehrgeschossigen Stadthäusern, Bankhochhäusern und Industrieanlagen. Eine Möglichkeit: Flächenhafte Begrünungsmodule, die mit einfachen Mitteln an Fassaden angebracht werden können und die durch Anschluss an eine Bewässerungsanlage wartungsarm sind. Die Elemente können aus einem Gerüst bestehen, an dem mehrere auswechselbare Pflanzgefäße aufgehängt werden. Fensterfassaden könnten  durch berankte Schnurgerüste – Hopfenfeldern vergleichbar – begrünt und beschattet werden.

Ein interessanter Vorschlag sind vorbegrünte Pflanzennetze. Solche „Urban Pergolas“ sollen als Verschattungssystem der Aufheizung von Fassaden entgegenwirken und die Städte in einen „diversen Großstadtdschungel“ verwandeln. Die Pflanzennetze können an einem oder zwischen mehreren Gebäuden angebracht werden und dadurch Grünflächen schaffen, ohne andere Nutzungen den Platz wegzunehmen (Urban Pergola 2021).

Balkone

Eine weitere Möglichkeit der vertikalen Begrünung, die in wenigen Beispielen schon verwirklicht ist, wäre die Ausgestaltung von Pflanzbalkonen mit Sträuchern und Bäumen (Boeri 2015).

Städte mit grünem Pelz

Ergänzend zu den genannten Maßnahmen können Verkehrswege, insbesondere Straßen und Schienenverkehr, wie U-Bahnen unter die Oberfläche verlegt werden, wodurch Platz für bodenständige Grünanlagen aber auch Rad- und Fußwege gewonnen würde. Regenwasser können den Zisternen gespeichert und in Trockenperioden zur Bewässerung genutzt werden wodurch die Kanalisation entlastet würde.

So könnten schließlich Städte entstehen, die ganz in einem grünen Pelz eingehüllt sind und die sich fast übergangslos in die umgebende Landschaft einfügen (vgl. Jean Nouvel 2014, Boeri 2015).

Begrünte Wohnblocks (Modellbau W.Probst)

Landwirtschaft

In der Landwirtschaft sollten großflächige Monokulturen durch ökologisch wertvollere Netze (Feldhecken, Blumenstreifen, Bachläufe) und Inseln (Feldgehölze, Feuchtgebiete) unterbrochen werden. Mischkulturen aus Gehölzen, mehrjährigen und einjährigen Nutzpflanzen (Agroforestry) könnten vor allem in wärmeren Klimaregionen eine ökologische Alternative zu Monokulturen darstellen. Die sehr aufwändige arbeitsintensive Bewirtschaftung würde durch einen Einsatz intelligenter Maschinen zu vertretbaren Produktionskosten möglich.

Nachhaltige Landwirtschaft: Vertical Farming spart Flächen und erleichter Stoffkreisläufe; Vernetzung durch Feldhecken und Wildpflanzenstreifen erhöht die Biodiversität in Agrarflächen und wird durch intelligente Maschinen möglich; Agroforestry, Anbau von Kulturpflanzen in mehreren Vegetationsschichten, fördert die Biodiversität und eignet sich vor allem für wärmere Klimazonen (z.B. in Kombination mit Kaffee- und Kakaoanbau) (Zeichung W.Probst)

Landwirtschaft 4.0

Lange Zeit wurden Landmaschinen – den Dinosaurier vergleichbar – immer größer und größer. Vergleicht man einen Traktor aus den 19hundertfünfziger Jahren mit einer heutigen Maschine wird dieser Hang zum Gigantismus deutlich. Er hängt natürlich direkt zusammen mit der Vergrößerung der landwirtschaftlichen Betriebee und vor allem der bewirtschafteten Flächen. Die Dinosaurier sind nicht zuletzt auch wegen ihrer Größe ausgestorben. Die immer größeren Landmaschinen stellen für die Landwirte eine große finanzielle Belastung dar und sicher sind sie ein Grund dafür, dass immer mehr landwirtschaftliche Betriebe aufgeben müssen. Auch die Verdichtung der Böden durch die Riesentraktoren ist ein großer Nachteil. Die Entwicklung kleiner intelligenter Landmaschinen könnte eine neue, ökologisch verträglichere und damit nachhaltigere Form der Landbewirtschaftung einleiten. Diese Maschinen könnten – ähnlich wie ein Schweizer Armeemesser – viele Funktionen in sich vereinen: ein Roboter, der jede Pflanze individuell behandelt, nicht nur mit Herbiziden, Insektiziden und Fungiziden, sondern auch mit angepassten Düngemitteln, und der auch für eine gezielte Bewässerung sorgt. Dies alles könnte in einem Arbeitsgang und in individuell angepassten Mengen geschehen. Die Folgen einer solchen Behandlung von Einzelpflanzen statt von ganzen Feldern bedeutet nicht nur eine deutliche Reduktion benötigter Chemikalien und anderer Ressourcen. Diese Maschinen könnten von Drohnen oder von Satelliten gesteuert die jeweiligen Zielorte erreichen. Eine Weiterentwicklung der Erntemaschinen könnte Mischkulturen und Agroforestry wirtschaftlicher machen.

Vertical Farming

Eine zukunftsweisende und flächensparende Form zur Produktion von Nahrungsmitteln und anderen nachwachsenden Rohstoffen wird mit dem Begriff „Vertical Farming“  bezeichnet. Der New Yorker Professor für Umweltgesundheit und Mikrobiologie Dickson Despommier entwickelte mit seinen Studenten ab 1999 entsprechende Ideen  zunächst für die Nahrungsmittelversorgung der 50000 Einwohner Manhattans. Ausgangspunkt waren Überlegungen zum möglichen Gemüseanbau auf Dachflächen. In der Weiterentwicklung  wurden Hochhäuser geplant, die insgesamt der Pflanzenkultur dienen sollen. Diese Einbindung von Farmen in das Innere von Gebäude wird mit dem Begriff „Sponge City- Architecture“ oder „Agritecture“ bezeichnet. In mehreren oder allen Stockwerken eines solchen  Hochhauses sollen Pflanzen auf optimale Weise automatisch gesteuert und reguliert kultiviert werden. Gleichzeitig sind diese Kulturen in Kreislaufsysteme, insbesondere der  Wasserwiederverwendung und Abwasseraufbereitung, eingebunden (Despommier 2011). Auch eine Kopplung mit Aquakulturen und anderen Formen der Nutztierhaltung ist möglich.

Der Vorteil solcher Plantscraper ist nicht nur der gegenüber normalem Farmland  10-20mal geringere Flächenverbrauch. Erhebliche Ressourcen könnten dadurch ein gespart werden, dass es einen geschlossenen Wasserkreislauf gibt und kontrollierte Umgebungsbedingungen den Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln reduzieren. Die Kulturen sind unabhängig von Außenbedingungen wie Dürre, Frost, Starkniederschläge, Hagel und Sturm und sie können ganzjährig betrieben werden. Künstliches Licht kann Pflanzenwachstum rund um die Uhr auch in dunklen Jahreszeiten ermöglichen. Die schnellere und einfachere Versorgung der städtischen Bevölkerung mit frischen Nahrungsmitteln erfordert weniger Transportkosten, verbessert die Luft und mindert über Wasserspeicher die Überflutungsgefahr. Die Energieversorgung kann über Solarzellen, Windenergieanlagen und die Produktion von Biogas aus organischen Abfällen in einem Kreislaufsystem gesichert werden.

Der extrem dicht bevölkerte Stadtstaat Singapur plant seine Nahrungsmittelversorgung durch schwimmende Hochhäuser zu verbessern.

Geplante schwimmend Plantscraper für Singapur (Quelle
https://www.designboom.com/architecture/forward-thinking-architecture-japa-floating-responsive-agriculture-07-18-2014/ )

Voraussetzungen für den erfolgreichen Betrieb solcher Hochhausfarmen ist eine ausgefeilte Technik, die von intelligenten Computersystemen gesteuert wird. Das schwedische Architekturbüro Plantagon plant ein Forschungszentrum für urbane Landwirtschaft in Linköping zu entwickeln. Ausgangspunkt soll ein im Bau befindlicher Plantscraper sein, an dem technische Systeme erprobt und verbessert werden können.

Modell-Plantscraper in Linköping,Schweden, im Bau (Quelle: http://www.plantagon.com/about/business-concept/the-linkoping-model/ )

Verkehrswege

Durch Brücken und Tunnel kann der Zerschneidungseffekt von Verkehrswegen gemindert werden (Zeichnung W.Probst)

Je dichter die Besiedelung, desto dichter sind nicht nur Städte, Siedlungen  und Industrieanlagen, desto dichter ist auch das Netz von Verkehrswegen, insbesondere Straßen und Autobahnen (in Deutschland  derzeit nach Erhebung des Umweltbundesamt knapp 20000 km², das entspricht rund 5,5% der  Landesfläche). Das wirkt sich r nicht nur über den Flächenverbrauch und die Versiegelung sondern vor allem über den Zerschneidungseffekt nachteilig auf die Funktion von Ökosystemen aus. Mehr noch als Pflanzenarten sind Tierpopulationen durch die dadurch bedingte Verinselung betroffen. Auch die direkte Tötung von Tieren durch den Verkehr spielt eine Rolle. Indirekt wirkt sich dies über die Bestäuber und die Verbreitung von Früchten und Samen auf die Vegetation aus.

Eine Verbesserung kann einmal durch geeignetes Straßenbegleitgrün erreicht werden (Kühne/Freier 2012). Vor allem aber kann die trennende Wirkung von Verkehrsflächen durch Brücken, sowohl Brücken über schützenswerte Landschaftsteile als auch verbindende Grünbrücken, und Tunnel erreicht werden. Schutzgräben oder Zäune können in Kombination mit kleinen Tunneln insbesondere  Amphibien bei ihren Laichwanderungen schützen (Krötenzaun, Krötentunnel).   Nicht mehr benötigte Verkehrswege sollten renaturiert (entsiegelt) werden.

Schließlich sind die hohe Verkehrsdichte und die damit verbundenen Emissionen der Verkehrsmittel ein großes Problem. Sie wird einmal durch den Individualverkehr, zum anderen durch den Güterverkehr verursacht. Beide haben in den letzten Jahrzehnten ständig zugenommen. Eine größere Verlagerung dieses Verkehrs auf die Bahn wird schon lange als Ziel formuliert, ließ sich aber bisher politisch nicht durchsetzen. Auch eine Förderung dezentraler Produktion könnte der ständigen Zunahme des Güterverkehrs entgegenwirken.     

Quellen

BMU (2020): Plastikmüll – ein Problem, das uns alle angeht. https://www.bmu-kids.de/wissen/boden-und-wasser/wasser/meeresumweltschutz/plastikmuell-im-meer/

Crutzen, P. J. (2002): Geology of mankind. Nature 415, p.23

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Der grüne Pelz

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Entstehung

Die Erde bildete sich vor etwa 4,6 Mrd. Jahren. 0,5 bis 1 Mrd. Jahre später traten die ersten Lebewesen auf und schon vor ca.3,5 Mrd. Jahren entwickelten sich die ersten Cyanobakterien, die mithilfe von Sonnenlicht aus Wasser und  Kohlenstoffdioxid Kohlenhydrate und Sauerstoff herstellen konnten. Der Sauerstoff oxidierte Mineralien und löste sich in den Ozeanen. Erst nach etwa 1 Mrd. Jahren waren diese Oxidationsprozesse abgeschlossen und der O2-Gehalt der Atmosphäre begann stark anzusteigen – mit tödlichen Folgen für obligate Anaerobier aber mit einem großen Vorteil für Lebewesen, die zur aeroben Atmung mit Sauerstoff in der Lage waren. Mit Photosynthese und Atmung war die Grundlage für effektive chemische Kreisläufe in der Biosphäre geschaffen.

Seither hat sich die Stoffproduktion durch Photosynthese stetig vermehrt, auch wenn es immer wieder kleinere oder größere Rückschritte gab. Vor etwa 400 Mio J. begann die Besiedelung des Festlandes durch grüne Pflanzen und dieser grüne Pelz überzog von Feuchtgebieten ausgehend immer größere Flächen der Kontinente. Der Pelz wurde auch immer dichter und höher. Die höchsten Bäume können über 100 m  hoch werden und die Pflanzendecke ist vielfach geschichtet. Die Pflanzen wurden durch natürliche Selektion  an immer extremere Lebensbedingungen angepasst, sodass immer trockenere und immer kältere Gebiete  einen grünen Pelz bekamen.

Beschädigungen

Waren in der früheren Erdgeschichte  vor allem  plattentektonisch bedingte Veränderungen der Kontinente, Vulkanausbrüche und Asteroideneinschläge aber auch biogene Veränderungen des CO2-Gehalts der Atmosphäre für Rückschritte bei dieser Entwicklung verantwortlich, so ist es heute die menschliche Zivilisation, durch die der grüne Pelz des Bioplaneten Erde beschädigt wird. Diese Beschädigungen haben mittlerweile ein Stadium  erreicht, das für die menschliche Zivilisation und für die derzeitigen Ökosysteme gefährlich wird. Denn angesichts der großen Populationsdichte der Menschen und des Zivilisationsgrads wird der grüne Pelz der Erde verringert und in seiner Wirksamkeit beeinträchtigt.77% der Landfläche (ohne Antarctica) und 87 % der Meere sind derzeit durch menschliche Aktivitäten verändert worden (Watson, Allen u.a.2018).

  • Städte werden immer größer, Verkehrsnetze immer dichter, Agrarflächen, die mit ihren Monokulturen eine deutlich geringere regulatorische Wirkung haben als natürliche Vegetation, dehnen sich immer weiter aus und lassen das grüne Fell der Erde räudig werden.
  • Die Kapazität des grünen Pelzes wird im Hinblick auf eine ausgeglichene Stoffbilanz des Bioplaneten Erde dadurch überschritten, dass fossile Energieträger zur Energiebereitstellung verbrannt und zur (Kunst-)Stoffproduktion genutzt werden. Besonders die starke Zunahme des Treibhausgases CO2 führt zu einer deutlichen Klimaerwärmung.
  • Der Eingriff in den Stickstoffkreislauf durch anthropogene Umwandlung des Luftstickstoffs (N2) in reaktionsfreudige Stickstoffverbindungen kann sich über verminderte Biodiversität und Veränderung der Atmosphäre (Verringerung der UV-Licht filternden Ozonschicht) negativ auswirken.

Diese Veränderungen stellen für den Bioplaneten keine existentielle Gefahr dar, das Leben auf der Erde wird diese Veränderungen ebenso überstehen, wie es andere oft noch viel drastischere Ereignisse im Laufe der Erdgeschichte überstanden hat. Für die menschliche Zivilisation in ihrer heutigen Form stellen sie aber eine existentielle Bedrohung dar. Für eine nachhaltige Entwicklung des Bioplaneten als Lebensraum für die Menschen ist der Erhalt des grünen Pelzes deshalb von entscheidender Bedeutung.

Städte

Sao Paulo,12,3 Mio Einwohner (Quelle: pixibay, joelfotos)

Mit der zunehmenden Bevölkerung werden Städte immer größer und  überdecken immer größere Flächen (Liu u.a.2020). Herkömmliche Städte sind nicht grün, sie haben Oberflächen, die vorwiegend aus Beton, Steinen, Glas und Asphalt bestehen. Die photosynthetische Stoffproduktion ist niedrig, die CO2-Produktion ist viel höher als der CO2-Verbrauch, C-Speicherug in Vegetation und Boden ist gering. Ebenso gering im Vergleich zu natürlichen Ökosystemen ist das Rückhaltevermögen für Regenwasser, sodass es bei den durch Klimawandel vermehrten Starkregen immer häufiger zu Überschwemmungen kommt. Pflanzliche Oberflächen verdunsten Wasser und produzieren Verdunstungskälte. Steine und Beton speichern Wärme. Beides führt dazu, dass  das Stadtklima wärmer ist als das Klima in der Umgebung. Dabei spielt auch eine Rolle, dass der Luftaustausch mit der Umgebung durch die Gebäude behindert wird.

Mögliche Verbesserungen:

Stichworte

Grüne Stadt: Dächer; Fassaden; Boden; Schichten: Kraut, Strauch, Baum

Blaue Stadt: Teiche; Zisternen; Überflutungsflächen; veränderte (entrohrte, mäandrierende) Fließgewässer

Vernetzung: Grünschneisen; Verbund begrünter Dachflächen

Eine Stadt mit großen Grünanlagen wie Parks und Gärten bietet zwar eine hohe Lebensqualität und eine bessere Ökobilanz. Dies geht aber insofern auf Kosten der Umgebung, als sie mehr Fläche für denselben umbauten Raum benötigt. Wenn die Umgebung aus intensiv bewirtschafteten Ackerflächen besteht, kann deren Umwandlung in gartenreiche Wohngebiete trotzdem Vorteile bieten (Reichholf 2018). Für die heutigen, von dicht stehenden Hochhäusern dominierten Großstädte ist das aber keine realistische Alternative, da die benötigten Flächen viel zu groß wären. Eine Erfolg versprechende Möglichkeit für dicht bebaute Großstädte ist die Integration von Bauwerken und Grünanlagen.

Schon lange zählt es zu Attributen ökologischer Bauweise, Dächer zu begrünen. Die Etablierung und Ausgestaltung solcher Dachgärten und Wiesen ist aber noch sehr stark ausbaufähig, wie man auf Luftbildern von Städten leicht erkennen kann. Neben der Flächenvergrößerung könnte auch die Ausgestaltung verbessert werden. Dickere Bodenschichten verbessern die Stoffbilanz, die Wasser- und Kohlenstoff-Speicherung.  Zisternensysteme können für die Bewässerung während Trockenperioden genutzt werden und den Wasserabfluss bei Starkregen mindern.

Begrünte Dachflächen könntemn durch Brücken verbunden werden.

Vernetzte Dachgärten (Entwurf W. Probst, 2020)

Auch begrünte Fassaden gibt es schon lange, aber eher an alten Bauernhäuser auf dem Land als an mehrgeschossigen Stadthäusern, Bankhochhäusern und Industrieanlagen. Für diese traditionelle  Fassadenbegrünung sind vor allem Lianen wie Efeu oder Wilder Wein (Parthenocissus) verantwortlich, die sich mit besonderen Haftorganen an den Fassaden festhalten – ein Grund dafür, dass sich viele Hausbesitzer wegen der dadurch erschwerten Fassadenrenovierung davon abhalten lassen, eine solche  Wandbegrünung zu erlauben. Auch die Furcht vor Beschädigungen durch die wuchernden, oft auch in Risse und Öffnungen eindringenden Lianen spielt dabei eine Rolle. Diese Probleme können durch vorgebaute Rankgerüste teilweise vermindert werden. Eine staatlich finanzierte Förderung der Fassadenbegrünung, wie sie ähnlich bei Fassadendämmungen sehr erfolgreich angewendet wird, könnten ein wirkungsvoller Anschub sein. Besonders wirkungsvoll könnte eine solche Förderung werden, wenn flächenhafte Begrünungsmodule zur Verfügung stünden, die mit einfachen Mitteln an Fassaden angebracht werden könnten und die durch Anschluss an eine Bewässerungsanlage wartungsarm wären. Die Elemente könnten aus einem Gerüst bestehen, an dem mehrere auswechselbare Pflanzgefäße aufgehängt werden.

Eine weitere Möglichkeit der vertikalen Begrünung, die in wenigen Beispielen schon verwirklicht ist, wäre die Ausgestaltung von Pflanzbalkonen mit Sträuchern und Bäumen. Große Gebäudekomplexe könnten durch grüne Brücken vernetzt werden. Verkehrswege, insbesondere Straßen und Schienenverkehr, könnten wie U-Bahnen unter die Oberfläche verlegt werden, wodurch Platz für bodenständige Grünanlagen aber auch Rad- und Fußwege gewonnen würde, So könnten schließlich Städte entstehen, die ganz in einem grünen Pelz eingehüllt sind und die sich fast übergangslos in die umgebende Landschaft einfügen (vgl. Jean Nouvel 2014, Stefano Boeri 2015).

Verkehrswege

Verkehrswege, insbesondere Straßen für den KFZ-Verkehr, tragen einmal durch Versiegelung zur Reduktion des grünen Pelzes bei, zum anderen  zerschneiden sie Ökosysteme, führen zur Verinselung und  darüber insbesondere zur Schädigung von Tierpopulationen und damit zur Verringerung der Biodiversität. Schließlich belasten die Abgase der Kraftfahrzeuge die Luft.

Autobahn (Quelle: pixabay: Alexas_Fotos)

Mögliche Verbesserungen:

Stichworte

  • Zerschneidungseffekte minimieren (Brücken über wertvolle Landschaftsteile, grüne Brücken zur Minderung von Zerschneidungseffekten, Tunnel),
  • Begleitgrün verbessern (Straßenränder, Randstreifen,Verkehrsinseln),
  • nicht mehr benötigte Verkehrsflächen entsiegeln,
  • Verkehrsflächen unter die Erde verlegen; nicht nur Hindernisse (Berge, Gewässer) sondern auch besonders schützenswerte Landschaften untertunneln,
  • emissionsarme Verkehrsmittel nutzen.

Je dichter die Besiedelung, desto dichter sind nicht nur Städte, Siedlungen  und Industrieanlagen, desto dichter ist auch das Netz von Verkehrswegen, insbesondere Straßen und Autobahnen (in Deutschland  derzeit nach Erhebung des Umweltbundesamt knapp 20000 km², das entspricht rund 5,5% der  Landesfläche). Das wirkt sich aber nicht nur über den Flächenverbrauch sondern vor allem über den Zerschneidungseffekt nachteilig auf die Funktion von Ökosystemen aus. Mehr noch als Pflanzenarten sind Tierpopulationen durch die dadurch bedingte Verinselung betroffen. Auch die direkte Tötung von Tieren durch den Verkehr spielt eine Rolle. Indirekt wirkt sich dies über die Bestäuber und die Verbreitung von Früchten und Samen auf die Vegetation aus.

Eine Verbesserung kann einmal durch geeignetes Straßenbegleitgrün erreicht werden (Kühne/Freier 2012). Vor allem aber kann die trennende Wirkung von Verkehrsflächen durch Brücken, sowohl Brücken über schützenswerte Landschaftsteile als auch verbindende Grünbrücken, und Tunnel erreicht werden. Schutzgräben oder Zäune können in Kombination mit kleinen Tunneln insbesondere  Amphibien bei ihren Laichwanderungen schützen (Krötenzaun, Krötentunnel).   

Eine Grünbrücke über die A50 bei Woeste Hoeve in den Niederlanden.. (Quelle: Wikipedia, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=618784)

Natürlich ist das Hauptproblem die hohe Verkehrsdichte und die Emissionen der Verkehrsmittel. Sie wird einmal durch den Individualverkehr, zum anderen durch den Güterverkehr verursacht. Beide haben in den letzten Jahrzehnten ständig zugenommen. Eine größere Verlagerung dieses Verkehrs auf die Bahn wird schon lange als Ziel formuliert, ließ sich aber bisher politisch nicht durchsetzen. Auch eine Förderung dezentraler Produktion könnte der ständigen Zunahme des Güterverkehrs entgegenwirken.                              

Landwirtschaft/Nahrungsmittelerzeugung

Moderne Landbewirtschaftung hat zwar zu immer höheren Erträgen pro genutzter Fläche geführt, die Gesamtstoffbilanz, in die man den Verbrauch von fossilen Energieträgern einrechnet, ist aber immer schlechter geworden. Nach Smil (2019) wird heute pro Ackerfläche 10x soviel produziert wie vor 100 Jahren aber dafür wird 90x soviel Energiezufuhr benötigt.

Riesige Monokulturen, Pestizid- und Düngemitteleinsatz erhöhen zwar die landwirtschaftliche Produktion, vermindern aber insgesamt die Leistungsfähigkeit des grünen Pelzes und schädigen Böden und ihre Kohlenstoff-Speicherfähigkeit. Artenarme, mit Pestiziden behandelte Agrarflächen sind die Hauptursache für den starken Rückgang der biologischen Vielfalt. Die Massentierhaltung ist nicht nur ein ökologisches sondern auch ein ethisches Problem.

Weizenfeld nach der Ernte (Quelle: pixabay: ulleo)

Mögliche Verbesserungen:

Stichworte

  • Beachtung ökologischer  Zusammenhänge (Kreislaufwirtschaft, integrierter Pflanzenschutz)
  • artgerechte Nutztierhaltung
  • Vernetzung durch Feldhecken und Randstreifen
  • Feldgehölze und andere artenreiche Biotope als ökologische Inseln
  • Agroforestry
  • Vertical Farming
  • Landwirtschaft 4.0 (KI)

Das gewichtigste Argument für eine immer stärkere Rationalisierung und Industrialisierung der Landwirtschaft ist, dass nur dieser Weg für die ständig steigenden Bedürfnisse der wachsenden Erdbevölkerung die notwendigen Nahrungsmittel und weiteren Rohstoffe liefern kann. Dieses Argument greift aber insofern nicht, als die derzeitige Landbewirtschaftung auf irreversiblem Verbrauch basiert, Verbrauch von fossilen Energieträgern, Verbrauch von Wasser, Verbrauch von nicht regenerierbaren Düngemitteln (insbesondere Phosphat, Greuling 2011), Verbrauch von Böden, Verbrauch von selbstregulierenden Ökosystemen wie z.B. Regenwäldern.

Systeme, die auf Verbrauch basieren, sind aber nur nachhaltig, das heißt, für längere Zeit funktionsfähig, wenn die verbrauchten Ressourcen ständig regeneriert werden können, Dies ist gegenwärtig eindeutig nicht der Fall. Deshalb ist eine Veränderung  vorhersehbar. Sie kann nur ohne Katastrophen stattfinden, wenn sie  basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen der Ökologie vorgenommen wird.

Das kann natürlich nicht bedeuten, dass man zu Methoden des Neolithikums zurückkehrt. Eine den Produktionserfordernissen der Gegenwart genügende Landbewirtschaftung, die gleichzeitig nachhaltig ist, bedeutet nicht weniger Technik sonder mehr Technik, genauer gesagt mehr intelligente Technik.

Sehr große, von Monokulturen bestandene Flächen erlauben den Einsatz von riesigen Maschinen und  haben dazu geführt, dass mit wenigen menschlichen Arbeitskräften große Stoffmengen produziert werden können. Gleichzeitig werden dadurch aber lebenswichtige Ressourcen, Artenvielfalt, Böden, Dünger und Energie liefernde Stoffe „verbraucht“ und andere Ökosysteme durch Eintrag von Düngemitteln und Schadstoffen geschädigt.

Das Grüne Band Deutschland bezeichnet einen Geländestreifen entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze, der als arten- und biotopreicher Grüngürtel erhalten bleiben soll und der zudem wertvolle Biotope miteinander verbindet. Wenn von diesem grünen Band weitere Grüngürtel ausgehen würden, könnte es Ausgangspunkt für eine landesweite oder sogar europaweite Netzstruktur werden.

Würden die Monokulturen durch ein Netz naturnaher linearer Elemente wie Feldhecken und Wildpflanzenstreifen unterbrochen, könnte dieser Verbrauch zwar gemindert werden, gleichzeitig wäre aber eine Bewirtschaftung mit den derzeit üblichen Methoden nicht möglich oder viel aufwändiger. Mit kleineren, intelligenten Maschinen, wie sie in einfacher Form  heute schon allgemein zum Staubsaugen oder Rasenmähen eingesetzt werden, wäre das aber durchaus denkbar. Solche intelligenten, lernfähigen Roboter könnten – mit Luftbildern von Drohnen oder auch Satelliten versorgt – sehr gezielt arbeiten. Zusammen mit der  Roboter eigenen  Sensorik würde eine gezielte und damit sparsamere Unkrautvernichtung, Schädlingsbekämpfung, Düngung und Bewässerung möglich. Statt flächendeckender Düngung könnten gezielt nur solche Teilbereiche gedüngt werden, die tatsächlich unterversorgt sind. Pestizide könnten nur auf tatsächlich befallene Pflanzen  gesprüht werden, dasselbe gilt für die Bekämpfung von Unkräutern. Statt  Riesentraktoren und Megamaschinen würden dann viele kleine Roboter die Ackerflächen bearbeiten. Eine solche von künstlicher Intelligenz bestimmte Agrarwirtschaft wird auch als Landwirtschaft 4.0 bezeichnet.

Alternative, Ressourcen schonendere Formen der Landbewirtschaftung wie Mischkulturen und  Agroforestry,  spielen heute nur in Nischen und Subsistenzwirtschaften eine Rolle, da sie sehr arbeitsintensiv sind. Durch Einsatz intelligenter Technik könnten manuelle Tätigkeiten durch Roboter und Regelsysteme ersetzt und damit solche nachhaltigen Wirtschaftsformen rentabler werden.

Eine weitere zukunftsweisende Form zur Produktion von Nahrungsmitteln und anderen nachwachsenden Rohstoffen wird mit dem Begriff „Vertical Farming“  bezeichnet. Dadurch könnte der Flächenverbrauch der Produktion stark verringert werden. Schon auf der Internationalen Gartenschau in Wien 1964 wurde ein von dem Maschinenbauingenieur Othmar Ruthner konstruiertes Turmgewächshaus gezeigt. Weitere Verbreitung dieser Idee sorgte der New Yorker Professor für Umweltgesundheit und Mikrobiologie Dickson Despommier, der mit seinen Studenten ab 1999 entsprechende Ideen  zunächst für die Nahrungsmittelversorgung der 50000 Einwohner Manhattans entwickelte. Ausgangspunkt waren Überlegungen zum möglichen Gemüseanbau auf Dachflächen. In der Weiterentwicklung  wurden Hochhäuser geplant, die insgesamt der Pflanzenkultur dienen sollen. In jedem Stockwerk eines solchen  Hochhauses sollen Pflanzen auf optimale Weise automatisch gesteuert und reguliert kultiviert werden. Gleichzeitig sind diese Kulturen in  Kreislaufsysteme, insbesondere der  Wasserwiederverwendung und Abwasseraufbereitung, eingebunden (Despommier 2011).

Das Prinzip „Wachsen lassen“

Wenn  die möglichst optimale Förderung der Vegetation als wichtigstes Naturschutzziel im Sinne einer für die menschliche Zivilisation nachhaltigen Entwicklung des Bioplaneten anerkannt wird, müssen Pflanzenwachstum und Vegetationsentwicklung so gut wie möglich gefördert werden. Das bedeutet, dass man Pflanzen überall dort wachsen lässt, wo sie nicht wichtige Funktionsabläufe stören.

Die Bearbeitung von Kulturflächen ist in vielen Fällen notwendig. Wenn man eine Wiese in Mitteleuropa nie mehr mäht, wird daraus in ein, zwei Jahrzehnten ein Gebüsch und in einem Jahrhundert ein Hochwald. Einen Acker muss man regelmäßig bestellen, abernten, düngen und auch spritzen, um ernten zu können.  Aber wie sieht es mit den Rändern und den Grenzen zwischen den verschiedenen Nutzungsflächen aus? Hier besteht für den Naturschutz ein riesiges Potenzial, das für den Naturhaushalt vermutlich ergiebiger ist, als die in ihrem Flächenanteil sehr beschränkten Naturschutzgebiete. Außerdem hilft der Randschutz, verinselte naturnahe Flächen zu vernetzen. Eine vielversprechende Initiative, welche diese Idee verfolgt, ist das „Konzept der Ehda-Flächen“. Initiator und Träger dieses Projektes ist das Institut für Agrarökologie des Landes Rheinland-Platz (IfA). In den  Stadtkernen betrifft dies Parkanlagen, aufgegebene Verkehrsflächen, Brachflächen, die vorübergehend nicht bebaut sind, Randstreifen  und Verkehrsinseln, die man zeitweilig der Spontanvegetation überlassen kann. Auch die Grünflächen um öffentliche Gebäude wie Krankenhäuser, Verwaltungs- und Regierungsgebäude liefern große, bisher nicht sinnvoll genutzte Flächen.

Ein besonders großes Potenzial stellen Privatgärten dar, die meist in den Randbereichen der Städte in  Vierteln mit Einfamilien- und Reihenhäusern konzentriert sind. Hier gilt meist das Prinzip, dass nur wachsen darf , was gepflanzt wurde. „Un“kraut jäten ist deshalb  neben Rasen mähen und Hecken schneiden die häufigste Beschäftigung des Hobbygärtners. Um das Unkraut ohne zu viel manuelle Tätigkeit fern zu halten, hat sich schon vor einigen Jahrzehnten verbreitet, die Beete mit einer Schicht aus keimungs- und wachstumshemmendem Rindenmulch zu bedecken.Seit einigen Jahren wird eine noch pflanzenfeindlichere Methode, das Auskiesen von Gartenflächen, immer beliebter.

Durch solche Maßnahmen gehen sehr viele potenzielle Flächen für einen ökologisch wirkungsvollen „grünen Pelz“ verloren.

Einige Regeln, die helfen können, aus einem Garten eine ökologisch wertvolle Grünfläche zu machen:

  • Zierpflanzen, die gut gedeihen, fördern, auf solche, die schlecht wachsen oder sehr viel Pflege benötigen, verzichten,
  • auf Pestizide verzichten oder sie nur sehr gezielt bei einzelnen befallenen Pflanzen einsetzen,
  • Wildpflanzen nur entfernen, wenn sie gewünschte Zier- oder Nutzpflanzen schädigen oder verdrängen,
  • Wildpfanzen unter Hecken oder Sträuchern wachsen lassen,
  • Rasenflächen, die rein ornamentale Funktion haben, zu mageren (nicht gedüngten), höchstens zweimal im Jahr gemähten Wiesen umwandeln,
  • Abstellflächen (z.B. Autostellplätze) nicht pflastern oder asphaltieren, sondern als Schotterrasen gestalten,
  • Einfahrten mit unterbrochenen Pflastersteinen befestigen, die Bewuchs und Wasserversickerung ermöglichen,
  • abgeblühte Blütenstände und abgestorbene  Fruchtstände wenigstens teilweise stehen lassen, auch über Herbst und Winter (Überwinterungsplätze für Insekten)
  • Gartenabfälle vor Ort kompostieren,
  • aus Strauch- und Baumschnitt Reisighaufen anlegen,
  • Gartenmauern als Trockenmauern anlegen, Mauerritzen können zur schnelleren Begrünung mit passenden Pflanzen geimpft werden (Zimbelkraut, Mauerraute, Schöllkraut, Polster von Mauermoosen wie Drehzahnmoos, Kissenmoos)
  • Abwechslungsreiche Besiedelungsflächen schaffen (Sandflächen, Lehmböden, humusreiche Böden, Stein- bzw. Bauschutthaufen),
  • Regenwasser vom Dach (und versiegelten Flächen) in Zisterne sammeln und als Gießwasser (ggf. auch für Teich /Bachlauf) nutzen.
Wildwuchs an der Gartengrenze
Wildwuchs an der Gartengrenze (Großblutige Königskerze – Verbascun densiflorum)

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