Heute vor zehn Jahren, am 17. April 2002, hat die rot-grüne Bundesregierung einen Beschluss über eine Nachhaltigkeitsstrategie gefasst, der unter der Überschrift “ Perspektiven für Deutschland – Unsere Strategie für eine nachhaltige Entwicklung“ veröffentlicht wurde und über das Internet heruntergeladen werden kann. Es geht darin um Generationengerechtigkeit, Lebensqualität, sozialen Zusammenhalt, internationaler Verantwortung und die Managementregeln, mit denen Nachhaltigkeit zu erreichen wäre.
Die Grundidee ist sehr einfach und einsichtig: Wir wollen heute so leben, dass auch noch in Zukunft ein „gutes Leben“ möglich ist. ‚Until the next big asteroid hits us, the future of life on earth will depend much more on humanity than on anything else“ (G. C. Daily, Nature 411, 17 . Mai 2001,p.245). Damit wird sehr gut ausgedrückt, dass die Zukunft der Erde davon bestimmt wird, was die Menschheit und die einzelnen Menschen heute tun. Die Verwendung des Personalpronomens „uns“ für die Erde geht von einem globalen Zusammengehörigkeitsgefühl aus. ln den Menschen als Bestandteilen der Biosphäre wird sich die Natur „ihrer selbst bewusst“. Aus diesem Bewußtsein ergibt sich Verantwortung , und zwar eine inklusive Verantwortung, die den ganzen Planeten einschließt. Der Hinweis auf den Asteroiden lässt einen kleinen Spalt offen für Fatalismus und ein bisschen Fatalismus ist für die Psychohygiene sehr gesund.
Die Erkenntnis, dass nachhaltiges Wirtschaften wichtig ist, stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft. In forstwirtschaftlichen Zusammenhang wurde der Begriff schon 1713 verwendet und zwar von dem Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz (1645-1714). Er hatte Sorge, dass bei der weiteren exzessiven Nutzung von Bauholz im Bergbau in naher Zukunft der Nachschub aus den Wäldern gefährdet wäre. Noch klarer formulierte dies 1791 der Forstwissenschaftler Georg Ludwig Hartig (1764-1837) in seinen “ Anweisungen zur Holzzuchzt für Förster“, in denen er klar zum Ausdruck brachte, dass nur so viel Holz geschlagen werden darf, wie auch nachwächst (vgl. Wikipedia).
Erst im 20. Jahrhundert wurde dieses Nachhaltigkeitsprinzip von der Forstwirtschaft auch auf andere Wirtschaftsbereiche übertragen. In der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (United Nations Conference on Environment and Development, UNCED; häufig als Erdgipfel bezeichnet vom 3.bis 14. Juni 1992 in Rio de Janeiro) wurde das Anstreben einer nachhaltigen Entwicklung als wichtigstes Ziel formuliert. Für den Juni dieses Jahres wurde mit Rio +20 ein weiteres Gipfeltreffen der Vereinten Nationen in Brasilien angesetzt, dessen Titel Konferenz der Vereinten Nationen über nachhaltige Entwicklung lautet.
So kann man eigentlich sagen: an Bemühungen und guten Absichten fehlt es nicht, das Problem ist jedoch die Umsetzung. Im Fortschrittsbericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Nachhaltigkeit in Deutschland kann man nachlesen, dass wirtschaftliche Veränderungen weitgehend in die richtige Richtung gelaufen sind. Schon wesentlich ungünstiger sieht es mit den angestrebten Entwicklungen im sozialen Bereich aus. Die Umweltveränderungen sind zum großen Teil in die falsche Richtung gelaufen. Das gilt für die Entwicklung der Biodiversität ebenso wie für Landschaftsverbrauch und ressourcenschonende Landwirtschaft.
Vom Bericht kaum erfasst werden die Aktivitäten Deutschlands in globaler Hinsicht. Der Klimawandel, die Veränderungen der Weltmeere, insbesondere die Überfischung und die Verschmutzung, Bodenverluste durch Erosion, Ausdehnung der Wüstengebiete und auch und die immer weitergehenden Zurückdrängung naturnaher Wald-Ökosysteme haben sich in den letzten 10 Jahren nicht „nachhaltig entwickelt“. Was vor 300 Jahren in Mitteleuropa zum ersten Mal erkannt und dann in den folgenden Jahrhunderten auch einigermaßen umgesetzt wurde, wird bis heute auf tropische Regenwälder aber auch auf Urwälder der gemäßigten Zonen – etwa in Kanada oder in Südamerika – nicht angewandt. Angesichts des großen Holzbedarfes – insbesondere der Zellstoffindustrie -, des großen Flächenbedarfes der Futtermittel- und Biomasseproduzenten und dem damit stattfindenden „landgrapping“ werden nicht nur immer mehr naturnahe Waldflächen „verbraucht“, auch die Existenzgrundlagen der indigenen Bevölkerungen verschlechtern sich kontinuierlich. Die immer weiter steigenden Energiepreise lassen auch früher unwirtschaftliche und einer nachhalltigen Entwicklung besonders abträgliche Ausbeutungsformen wie die Gewinnung von Erdöl aus Ölschiefer (z. B. in Kanada) zum Probem werden.
Weltweit hat sich in den vergangenen zehn Jahren vor allem das Verkehrsaufkommen und der damit verbundene Verbrauch von fossilen Energieträgern gesteigert. Die dafür benötigten Autos und die Flugzeuge werden zu einem deutlichen Prozentsatz auch in Deutschland produziert. Im übrigen ist auch in Deutschland das hohe Verkehrsaufkommen ein Umweltproblem. Der derzeitig hohe Benzinpreis kann deshalb eigentlich nur begrüßt werden. Allerdings sollten die daraus resultierenden Gewinne auch sinnvoll genutzt werden (dies gilt sowohl für die staatlichen Steuereinnahmen als auch für die Gewinne der Mineralölkonzerne).
In einem Artikel zum Fortschrittsbericht zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie (2012) schreibt die Bundesregierung: „Nachhaltige Mobilität bedeutet vor allen, den Verkehr so zu organisieren, dass Beschäftigung, Wohlstand und persönliche Freiheit möglich sind und dass er sicher, sauber, ressourcenschonend, effizient und klimafreundlich, leise und bezahlbar ist.“ Das klingt sehr vernünftig – allein, es ist kaum zu erkennen, dass ernsthafte Absichten bestehen, diesen schönen Worten auch Taten folgen zu lassen.
Weitere Informationen der Bundesregierung zum Nachhaltigkeitsbericht und einen Zugang zum vollständigen über 300 seitigen Bericht findet man unter folgendem Link:
Ein lesenswerter Bericht zur Wirkung der Nachhaltigkeitstrategie in Deutschland findet sich in der TAZ vom 17.4.2012.